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EADV
Hidradenitis suppurativa/Acne inversa
Schamhaft versteckte Hautkrankheit früh diagnostizieren und behandeln
Die Hidradenitis suppurativa/Acne inversa ist mit einer Prävalenz von etwa 1 Prozent keineswegs eine seltene Erkrankung, wurde aber bis vor Kurzem zu wenig beachtet und oft erst mit grosser zeitlicher Verzögerung diagnostiziert. Betroffene leiden intensiv unter den Auswirkungen dieser schmerzhaften, chronisch intermittierend verlaufenden, nicht ansteckenden Entzündungskrankheit der Haut, die in Arealen mit apokrinen Schweissdrüsen (z.B. Axillen, Inguinal-, Anogenitalregion) von den Haarfollikeln ausgeht. Betroffene Patienten profitieren von einer frühzeitig gestellten, korrekten Diagnose und der kompetenten Behandlung durch HS/AI-Experten.
Die Hidradenitis suppurativa/Acne inversa (HS/AI) betrifft als gravierende chronische Hautkrankheit die grossen Hautfalten und wird manchmal mit einer rezidivierenden Furunkulose verwechselt. Zum klinischen Bild gehören typische Mehrfachkomedonen (mit Follikelöffnungen, die unter der Haut verbunden sind), entzündliche Knoten, Abszesse, Fisteln und Vernarbungen. Tief in der Dermis und in der Subkutis bilden sich schmerzhafte Abszesse und es entstehen persistierende, durch Keratinozyten epithelialisierte Gänge («Sinustrakte»). Entzündungsschübe breiten sich durch diese Fistelgänge, in denen sich Eiter und nekrotisches Material ansammelt, rasch im gesamten betroffenen Gebiet aus.
Antibiotika (z.B. Doxycyclin oder Kombination Clindamycin/Rifampicin) und mit Retinoiden (z.B. Acitretin) empfohlen, berichtete Dr. Brian Kirby, Dublin (IRL)*. Weil die meisten Patienten mit HS/AI an erheblichen Schmerzen leiden, stelle das Schmerzmanagement eine wichtige therapeutische Aufgabe dar. Überdies gelte es, Superinfektionen zu behandeln, übergewichtige Patienten zur Gewichtsreduktion und Raucher zum Rauchstopp zu bewegen. In allen drei Stadien der Erkrankung (Hurley I–III) gehören in der Regel auch chirurgische Eingriffe zum individuellen Behandlungsplan (lokal auf persistierende Einzelläsionen beschränkte oder weit ausgedehnte Exzisionen).
Topische, systemische und kombinierte medikamentös-chirurgische Therapie
Zur topischen Therapie werden Antiseptika/antiseptische
Waschlösungen (z.B. Triclosan), topische Antibiotika (z.B.
Clindamycin) und intraläsionale Kortikosteroidinjektionen
in entzündete Knoten verwendet. Wenn die topische Thera-
pie nicht ausreicht, werden systemische Behandlungen mit
Diagnosefragebogen
www.rosenfluh.ch/qr/ acneinversa
Mit einem einfachen Fragebogen, der von www.acneinversa.ch in Zusammenarbeit mit der Firma AbbVie den Arztpraxen zur Verfügung gestellt wird, können Personen mit wiederkehrenden, schmerzhaften Abszessen herausfinden, ob sie möglicherweise an HS/AI leiden und deshalb die Zuweisung an einen HS/AI-Experten angebracht ist. Auf der genannten Webseite sind unter dem Menüpunkt «Arztsuche» auch Adressen spezialisierter HS/AI-Sprechstunden zu finden.
Antientzündliche Behandlung mit Adalimumab
Das Anti-TNF-Biologikum Adalimumab ist in korrekter Dosierung bei Patienten mit aktiver mittelschwerer bis schwerer HS/AI nach unzureichendem Ansprechen auf eine Antibiotikatherapie indiziert. Es sei wichtig, dass Adalimumab nach der Therapieeinleitung jede Woche injiziert werde, betonte Brian Kirby. Für die Wirksamkeit der Adalimumab-Therapie gibt es Evidenz aus randomisierten, plazebokontrollierten Doppelblindstudien. In den Studien PIONEER I beziehungsweise II erreichten in 12 Wochen 41,8 Prozent der Patienten (mit Plazebo 26,0%, p = 0,003) beziehungsweise 58,9 Prozent (mit Plazebo 27,6%, p = 0,001) eine mindestens 50-prozentige Besserung im HiSCR-Score (Hidradenitis-Suppurativa-Clinical-Response-Score: Abnahme der summierten Anzahl von Abszessen und entzündlichen Knoten, keine Zunahme der Zahl von Abszessen allein, keine Zunahme der Zahl der drainierenden Fisteln) (1).
Frühzeitige Diagnose und kompetente Behandlung
PD Dr. Ahmad Jalili aus Obbürgen (Schweiz) wies darauf hin, dass Frauen häufiger als Männer an HS/AI erkranken**. Im Vergleich zu anderen dermatologischen Erkrankungen
16 CongressSelection Dermatologie | Januar 2018
EADV
KURZ & BÜNDIG
HS/AI ist eine chronisch-rezidivierende, schmerzhafte, entzündliche, eitrige und vernarbende Hauterkrankung, die von Haarfollikeln ausgeht, meist lokalisiert in den Achselhöhlen, an der Leiste, an den Genitalien, in der Gesässfalte, perianal, unter den Brüsten.
Bei den Behandlungskonzepten wurden Fortschritte erzielt, doch sind noch Bemühungen um frühzeitige Erkennung der HS/AI und Überweisung zum Spezialisten nötig.
beeinträchtige HS/AI die Lebensqualität besonders stark, deutlich mehr als zum Beispiel die ebenfalls belastende Psoriasis. Bei Patienten mit Hurley-Stadium II sei in einer Studie ein durchschnittlicher DLQI-Wert (Dermatology Life Quality Index) von 13,1 und bei Patienten mit schwerer HS/AI im Hurley-Stadium III ein sehr hoher Durchschnittswert von 20,4 festgestellt worden. Wer als Arzt nicht in einem Zentrum arbeite, dem HS/AI-Patienten zugewiesen werden,
treffe allerdings in der Praxis nicht oft auf diese schwer
leidenden Patienten. Betroffene scheinen ihre Erkrankung oft
lange zu verstecken, denn die durchschnittliche Verzögerung,
bis sie einen Arzt aufsuchen, betrage 2,3 Jahre, so Jalili. Bis
die korrekte Diagnose gestellt wird, verstreichen im Durch-
schnitt sogar 7,2 Jahre und 3,9 Ärzte werden konsultiert. Der
Referent vermutete, dass Hausärzte noch zu wenig mit dem
Krankheitsbild vertraut seien, sodass Betroffene erst nach
sehr langer Zeit den Weg zum Spezialisten finden.
L
Alfred Lienhard
Referenz: 1. Kimball AB et al.: Two phase 3 trials of adalimumab for hidra-
denitis suppurativa. N Engl J Med 2016; 375: 422–434.
Quellen: * «Meet the experts: A discussion on best approaches for your challenging hidradenitis suppurativa cases», Satellitensymposium der Firma AbbVie im Rahmen des 26. EADV-Kongresses, 15. September 2017 in Genf. ** DACH Evening «Hidradenitis suppurativa and psoriasis: Clinical cases from Germany and Switzerland», Veranstaltung der Firma AbbVie anlässlich des 26. EADVKongresses, 14. September 2017 in Genf.
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USA, ansonsten aber nur Adressen zu deut-
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ebenso wenig aufgenommen wie österreichi-
sche Institutionen. Hier wäre in Zukunft eine
stärkere Ausrichtung auf alle deutschsprachi-
gen Leser wünschenswert.
AZA
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18 CongressSelection Dermatologie | Januar 2018