Transkript
EADV
Stadien sind out – Trend zu pathophysiologisch orientierter Therapie
Neue Klassifikation der Rosazea
Eine neue Klassifikation der Rosazea hilft dabei, alle klinischen Zeichen und Symptome des individuellen Patienten zu beachten und zu behandeln. Weil beim Verständnis der Rosazeapathogenese in den letzten zehn Jahren grosse Fortschritte erzielt wurden, kann die Therapie nun vermehrt pathophysiologisch orientiert erfolgen. Darüber sprach Prof. Martin Steinhoff aus Dublin (IRL).
Patienten mit Rosazea weisen oft Kombinationen von Symptomen auf, welche die gebräuchliche Subtypenklassifikation (erythematös-teleangiektatische, papulopustulöse, phymatöse, okuläre Rosazea) sprengen. Beispielsweise haben Patienten mit papulopustulöser Rosazea oft zusätzlich ein persistierendes Erythem, das auch dann weiterbestehen kann, wenn die Papeln und Pusteln abgeheilt sind. Neue Empfehlungen zur Rosazeadiagnostik lösen jetzt die seit 15 Jahren gebräuchlichen Diagnosekriterien (mehr als 1 primäres Diagnosekriterium wie Flushing = transientes Erythem, persistierendes Erythem, entzündliche Papeln und Pusteln, Teleangiektasien) und die herkömmliche Subtypenklassifikation ab (1). 17 Dermatologen und 3 Ophthalmologen aus Afrika, Asien, Europa, Nord- und Südamerika haben einen globalen Konsensus erarbeitet, der für die Rosazeadiagnose den Phänotyp, also alle individuell vorhandenen klinischen Zeichen und Symptome, berücksichtigt (Tabelle 1).
Neue pathophysiologische Erkenntnisse
Das pathophysiologische Verständnis der Rosazea ist heute viel detaillierter als noch vor zehn Jahren und umfasst viele beteiligte Gene, Zytokine, Proteasen und Neuropeptide. Unklar ist allerdings noch, ob initial das angeborene und erworbene Immunsystem aktiviert wird und danach eine neurovaskuläre Dysregulation mit Flushing, persistierendem Erythem und Nervenaktivierung – verantwortlich für das Brennen, Stechen und den Schmerz – folgt, oder ob die neurovaskuläre Dysregulation zuerst aufritt mit nachfolgender Aktivierung des Immunsystems. Durch Transkriptomanalysen wurden bei den herkömmlichen Subtypen von erythematöser, papulopustulöser und phymatöser Rosazea spezifische Heraufregulierungsmuster von 313 bekannten Genen entdeckt, wie
der Referent berichtete. Diese Genanalysen machen es möglich, wichtige Signalpfade und Schlüsselmoleküle zu definieren, um innovative Therapien entwickeln zu können. Das angeborene Immunsystem spielt bei der Pathogenese der Rosazea eine wichtige Rolle. Bei allen Rosazeasubtypen wurden vermehrt Makrophagen gefunden. Bei papulopustulöser Rosazea kommen Makrophagen in Form von Patches vor, während bei erythemato-teleangiektatischer Rosazea eine perivaskuläre Makrophageninfiltration vorherrscht. Auch Mastzellen, die bei allen drei Subtypen hochreguliert sind, spielen bei der Pathogenese der Rosazea eine wichtige Rolle, indem sie verschiedene Mediatoren freisetzen. Histamin steht offenbar nicht im Vordergrund, denn Antihistaminika sind bei Rosazea nicht therapeutisch wirksam. Mastzellen begünstigen auch die Neuroinflammation bei Rosazea und sind wahrscheinlich auch an der Fibrose bei phymatöser Rosazea beteiligt. In Keratinozyten aktiviert TLR2 (toll-like receptor 2) antimikrobielle Peptide, die bei der Stimulierung von Entzündung und Angiogenese beteiligt sind. Möglicherweise handelt es sich bei den Triggern von TLR2 um Mikroben. Flushing und persistierendes Erythem sind nicht nur neurovaskuläre Dysregulationen und kosmetische Probleme, sondern bereits Ausdruck des Entzündungsprozesses und sollten deshalb behandelt werden. Das erworbene, adaptive Immunsystem ist bei der Rosazea ebenfalls pathogenetisch beteiligt. Bereits bei erythematöser Rosazea ist ein entzündliches TH1Zellinfiltrat feststellbar, mit starker Ausschüttung von TNFalpha, Interleukinen und Interferonen. Auch TH17-Zellen, die verschiedene Zytokine sezernieren, sind an der RosazeaPathogenese beteiligt. TH17-Zellen und ihre Zytokine kämen als Angriffspunkt bei der künftigen Entwicklung neuer Medikamente in Betracht, so der Referent. Ausserdem
Tabelle 1:
Die neuen ROSCO-Diagnosekriterien der Rosazea (ROSacea COnsensus)
Diagnostische Zeichen
Persistierendes zentrofaziales Erythem, assoziiert mit periodischer Verstärkung durch potenzielle Triggerfaktoren
Phymatöse Veränderungen
Hauptzeichen
Flushing/transientes zentrofaziales Erythem
Nebenzeichen Empfindung von Brennen auf der Haut
Entzündliche Papeln und Pusteln Teleangiektasien Okuläre Manifestationen: Lidrandteleangiektasien, Blepharitis, Keratitis/Konjunktivitis/Sklerokeratitis
Empfindung von Stechen auf der Haut Ödem Gefühl von trockener Haut
(nach Referenz [1])
10 CongressSelection Dermatologie | Januar 2018
EADV
Tabelle 2:
Rationale Kombinationstherapie mit komplementären Wirkmechanismen für papulopustulöse Rosazea
Therapeutischer Angriffspunkt
Demodex Matrixmetalloproteinasen Kallikreine Cathelicidinaktivierung/ LL-37-Produktion IL-1β IL-8 TNF-alpha COX-2 PGE2 NO ROS Angiogenese MAPK-Pfad (mitogenactivated protein kinases) Makrophagenchemotaxis NeutrophilenChemotaxis T-Zell-Aktivierung Mastzellfunktion
Ivermectin topisch Beeinflussung
Beeinflussung Beeinflussung Beeinflussung Beeinflussung Beeinflussung
Beeinflussung Beeinflussung Beeinflussung
Subantibiotisch dosiertes Doxycyclin peroral
Beeinflussung
Beeinflussung Beeinflussung
Beeinflussung Beeinflussung Beeinflussung
Beeinflussung Beeinflussung Beeinflussung Beeinflussung
Beeinflussung
Beeinflussung
Beeinflussung (nach Referenz [2])
findet bei Rosazeapatienten eine starke Antikörperproduktion statt, ausgelöst möglicherweise durch Bakterien, Demodex-Milben oder Autoantigene.
Aktivierung des neurovaskulären Systems mit Neuroinflammation
Weil bei Rosazea alle Anteile des Nervensystems (sympathisches, parasympathisches, zentrales Nervensystem) aktiviert werden, ist das Rosazeaerythem so schwierig zu behandeln. Ein besonders interessanter Mediator des neurovaskulären
KURZ & BÜNDIG
Die herkömmliche Einteilung der Rosazea in Subtypen wird neuerdings ersetzt durch die ROSCO-Diagnosekriterien, die den Phänotyp, also alle beim individuellen Patienten vorhandenen Zeichen und Symptome, berücksichtigt.
Die erythematöse Rosazea ist nicht nur ein kosmetisches Problem, sondern bereits Ausdruck einer zugrunde liegenden Entzündung, und sollte deshalb behandelt werden.
Derzeit werden Kombinationstherapien entwickelt, um die umfassende Behandlung der Rosazea zu optimieren.
Systems ist TRPV1 (transient receptor potential cation channel subfamily V member 1, «Capsaicin-Rezeptor»). Dieser Ionenkanal kann durch fast alle Rosazea-Triggerfaktoren aktiviert werden, zum Beispiel Hitze, warme Speisen und Getränke, scharfes Essen, UV-Exposition. Während solche Trigger bei gesunden Personen keine oder nur eine kurze, flüchtige Hautrötung auslösen, kommt es bei Rosazeapatienten zu einer Überaktivierung von TRPV1 mit Freisetzung von Neuropeptiden und dadurch zu einer Entzündung mit Flushing und persistierendem Erythem. Mit Blockern des TRPV1Signalpfads wird nun versucht, diese Rosazeazeichen entsprechend der Pathophysiologie zu behandeln.
Auf dem Weg zu Kombinationstherapien
Weil verschiedene Signalpfade bei der Rosazea pathogene-
tisch beteiligt seien und weil keines der zurzeit verfügbaren
Medikamente als Monotherapie alle diese Signalpfade beein-
flusse und alle Aspekte der Rosazea erfasse, bestehe Bedarf
an Kombinationstherapien, sagte der Referent. Ähnlich wie
bei der Akne sei damit zu rechnen, dass in Zukunft auch bei
der Rosazea Kombinationstherapien den Behandlungsstan-
dard bilden werden. Beispielsweise stellt die Kombination
von Ivermectincreme 10 mg/g (Soolantra®) und von Doxycy-
clin 40 mg mit veränderter Wirkstofffreisetzung (Oracea®)
aufgrund der komplementären Wirkmechanismen eine ratio-
nale, wissenschaftlich begründete Therapie dar, die alle Ent-
zündungspfade bei papulopustulöser Rosazea beeinflusst
(Tabelle 2) (2).
Als antiparasitär wirksames Mittel kann Ivermectin die bei
Patienten mit Rosazea vermehrt vorhandenen Demodex-Mil-
ben reduzieren. Darüber hinaus hemmt Ivermectin auch zahl-
reiche proinflammatorische Zytokine (darunter IL-1β, IL-6,
TNF-alpha) und Entzündungsmediatoren wie Stickoxid
(NO), Cyclooxygenase 2 (COX-2) und Prostaglandin E2
(PGE2) (2). In klinischen Studien hat sich Ivermectincreme als
rasch wirksame und effektive Behandlung entzündlicher Ro-
sazealäsionen erwiesen, auch in schweren Fällen (2).
Doxycyclin in entzündungshemmender, subantibiotischer
Dosierung (40 mg) hemmt Matrixmetalloproteinasen, die
Kallikrein-Serin-Proteaseaktivität und die Bildung aktiver
Cathelicidinpeptide, ausserdem proinflammatorische Zyto-
kine (darunter IL-1β, IL-8, TNF-alpha) und Entzündungs-
mediatoren wie reaktive Sauerstoffspezies (ROS) (2). Theo-
retisch kann von dieser rationalen Kombinationstherapie
eine raschere Wirkung mit ausgeprägter Reduktion inflam-
matorischer Läsionen erwartet werden (2). Es gilt nun, diese
und andere Kombinationstherapien in klinischen Studien zu
untersuchen.
L
Alfred Lienhard
Referenzen: 1. Tan J et al.: Updating the diagnosis, classification and assess-
ment of rosacea: recommendations from the global ROSacea COnsensus (ROSCO) panel. Br J Dermatol 2017; 176: 431–438. 2. Steinhoff M et al.: Topical ivermectin 10 mg/g and oral doxycycline 40 mg modified-release: Current evidence on the complementary use of anti-inflammatory rosacea treatments. Adv Ther 2016; 33: 1481–1501.
Quelle: Symposium «Rosacea» beim 26. Kongress der European Academy of Dermatology and Venereology (EADV), 14. September 2017 in Genf.
12 CongressSelection Dermatologie | Januar 2018