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Wie kann die Behandlung optimiert werden?
Auftitrierung und Fernüberwachung hilft Herzinsuffizienten
Optimales Aufdosieren der Medikamente bis zu den empfohlenen Dosierungen ist eine komplexe und zeitraubende Aufgabe bei der Betreuung von Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz. Weil der Nutzen für die Patienten gross ist, sollte diese Optimierung der Behandlung nicht vernachlässigt werden. Implantierbare Systeme, die bei Patienten mit Herzinsuffizienz ein Telemonitoring ermöglichen, könnten in Zukunft eine grosse Rolle spielen, weil damit kardiale Veränderungen frühzeitig erfasst und Hospitalisationen wegen dekompensierter Herzinsuffizienz vermieden werden können.
Bei der Behandlung der chronischen Herzinsuffizienz mit reduzierter Auswurffraktion (HFrEF) spielt die Auftitrierung der krankheitsmodifizierenden Medikamente (ACE-Hemmer/Sartane, Betablocker, Mineralokortikoidrezeptorantagonisten, Angiotensinrezeptor-NeprilysinInhibitor Sacubitril/Valsartan, Herzfrequenzsenker Ivabradin) bis zur empfohlenen Dosierung eine wichtige Rolle (1). Oft werde aber in der Praxis nicht genügend auftitriert, sagte Prof. Dr. Adriaan Voors, Groningen (NL). In einer grossen prospektiven Studie (BIOSTAT-CHF) wurde untersucht, wie es in Europa im ärztlichen Alltag um das Auftitrieren steht (2516 Patienten aus 69 Zentren von 11 europäischen Ländern) (2). In die Studie wurden Patienten eingeschlossen, die nicht optimal mit ACE-
Grundzüge der medikamentösen Behandlung der chronischen Herzinsuffizienz mit reduzierter Auswurffraktion (HFrEF)
• ACE-Hemmer, Mineralokortikoidrezeptorantagonisten und Betablocker verlängern das Überleben und werden zur Behandlung aller Patienten empfohlen (Tripeltherapie).
• Bei Diuretika wurde kein lebensverlängernder Effekt nachgewiesen. Der Diuretikaeinsatz zwecks Symptomverbesserung sollte dem klinischen Status des Patienten angepasst werden.
• ACE-Hemmer und Betablocker wirken komplementär und können nach Stellung der HFrEFDiagnose zusammen (beginnend in geringer Dosierung mit nachfolgender Auftitrierung bis zur maximal tolerierten Dosis) oder in beliebiger Reihenfolge nacheinander eingesetzt werden.
• Wenn der Patient damit noch symptomatisch ist und die linksventrikuläre Auswurffraktion ≤ 35 Prozent beträgt, soll zusätzlich ein Mineralokortikoidrezeptorantagonist (Spironolacton, Eplerenon) hinzugefügt und bis zur maximalen tolerierten Dosis auftitriert werden.
• Bei Patienten, die trotz dieser Behandlung weiterhin symptomatisch bleiben, können drei weitere Behandlungsoptionen erwogen werden: – Ersatz des ACE-Hemmers durch einen Angiotensinrezeptor-Neprilysin-Inhibitor (Sacubitril/Valsartan). – Bei Patienten mit Herzfrequenz ≥ 70 pro Minute und Sinusrhythmus: Ivabradin. – Bei Patienten mit QRS ≥ 130 ms und Sinusrhythmus: kardiale Resynchronisationstherapie (CRT). (nach Adriaan Voors und [1])
Hemmern (respektive Sartanen, wenn ACE-Hemmer nicht vertragen wurden) und/oder Betablockern behandelt waren. Für die Studie war die empfohlene Auftitrierung vorgesehen. Aber nach 9 Monaten wurde die empfohlene Dosis des ACE-Hemmers lediglich bei 27 Prozent der Patienten erreicht, die empfohlene Sartandosis nur in 16 Prozent der Fälle und die Betablockerdosis sogar nur bei 12 Prozent. Ausreichende Auftitrierung spiele klinisch eine grosse Rolle, so der Referent. In der Studie war die Mortalität bei tieferer Dosierung deutlich höher als bei korrekter Aufdosierung (2).
Telemonitoring bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz
Telemonitoring werde in Zukunft beim Management von Patienten mit Herzinsuffizienz eine zentrale Rolle spielen, sagte Prof. Dr. Birgit Assmus, Frankfurt am Main (D). In ihrem optimistischen Vortrag legte sie dar, dass die Mortalität und die Hospitalisationshäufigkeit bei Patienten mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz durch Multiparametermonitoring und hämodynamisches Monitoring im Rahmen von Studien reduziert werden konnten. Bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz steigt das Mortalitätsrisiko mit jeder Hospitalisierung weiter an, während die Myokardfunktion weiter abnimmt. Die pathophysiologischen Veränderungen, die einer Hospitalisierung wegen dekompensierter chronischer Herzinsuffizienz vorausgehen, sind: • Zunahme des Füllungsdrucks • autonome Adaptation (z.B. Zunahme der Herzfrequenz) • intrathorakale Impedanzveränderungen • Gewichtsveränderungen und Symptome erst kurz vor
der Hospitalisierung. Eine proaktive Behandlung der sich anbahnenden Dekompensierung sollte bereits 1 bis 3 Wochen vor dem Auftreten von Symptomen einsetzen. Mit implantierbaren Telemonitoringsystemen können drohende Dekompensierung frühzeitig erkannt und Hospitalisierungen vermieden werden. In zwei Studien erwiesen sich implantierbare Telemonitoringsysteme als nützlich.
20 • CongressSelection Kardiologie/Diabetologie • Dezember 2017
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Multiparameter-Telemonitoring
Im Rahmen der randomisierten, kontrollierten Studie IN-TIME (INfluence of home moniToring on mortality and morbidity in heart failure patients with IMpaired lEft ventricular function) konnte das Überleben dank Multiparameter-Telemonitoring signifikant verbessert werden (3). An der Studie beteiligten sich 664 Patienten (43% NYHA-Klasse II, 57% NYHA III, linksventrikuläre Auswurffraktion ≤ 35%). Alle wurden optimal medikamentös behandelt und hatten einen CRT-D (kardialer Resynchronisationstherapie-Defibrillator) oder IDC (implantierbarer Kardioverter-Defibrillator) implantiert erhalten. Die Datenübertragung erfolgte in der Gruppe mit Telemonitoring (333 Patienten) täglich und automatisch an das entsprechende Studienzentrum und zudem an das Herzzentrum Leipzig, wo das Leitungsteam der Studie die Daten zentral auswertete und die einzelnen Studienzentren auf registrierte Veränderungen bei den Patienten aufmerksam machte. In der Kontrollgruppe (331 Patienten) fand kein Telemonitoring statt. Nach einem Follow-up von 1 Jahr war es im Vergleich zur Kontrollgruppe in der Telemonitoringgruppe signifikant weniger häufig (in 27,2 bzw. 18,9%) zur Verschlechterung des klinischen Scores gekommen, der den primären Studienendpunkt bildete (Tod, Hospitalisation bei Herzinsuffizienzdekompensation, Verschlechterung der NYHAKlasse und der Selbstbeurteilung durch die Patienten) (3). Die Studienautoren kamen zum Schluss, dass automatisches, tägliches Multiparameter-Telemonitoring durch implantierte kardiale Systeme das klinische Outcome von Patienten mit Herzinsuffizienz signifikant verbessert und deshalb in der klinischen Praxis verwendet werden sollte (3).
suffizienz nötig wurden. Nach 6 Monaten betrug die kumulative Anzahl der Herzinsuffizienz-Hospitalisationen 84 (in der Kontrollgruppe 120). Die Hospitalisationsrate konnte signifikant um 28 Prozent gesenkt werden (4). In einer zweiten Studienphase wurden auch Patienten, die in der ersten, randomisierten Phase zur Kontrollgruppe gehörten, aktiv gemäss dem Pulmonalarteriendruck-Telemonitoring behandelt (5). Der Nutzen des Telemonitorings war auch in dieser ehemaligen Kontrollgruppe deutlich ausgeprägt. Innerhalb einer Beobachtungszeit von durchschnittlich 13 Monaten nahm die Hospitalisierungsrate um 48 Prozent ab im Vergleich zur ersten randomisierten Studienphase (5). Auch praktische Erfahrungen ausserhalb von Studien haben in den USA bei 2000 Patienten mit Herzinsuffizienz gezeigt, dass erhöhte Pulmonalarteriendrucke, die das Hospitalisations- und Mortalitätsrisiko verstärken, dank des hämodynamischen Telemonitorings mit dem Sensorsystem CardioMEMS™ signifikant gesenkt werden können (6).
Alfred Lienhard
Take Home Messa es
® Das Auftitrieren der Medikamente bis zur empfohlenen Dosis ist bei der Behandlung der
chronischen Herzinsuffizienz sehr wichtig.
® Durch engmaschiges Monitoring kann eine sich anbahnende Dekompensierung der Herz-
insuffizienz früher erkannt werden.
® Multiparameter-Telemonitoring und hämodynamisches Telemonitoring durch implantier-
bare kardiale Systeme helfen bei der Optimierung des Herzinsuffizienzmanagements und bei der Vermeidung von Hospitalisierungen.
Hämodynamisches Telemonitoring
Die CHAMPION-Studie (CardioMEMS Heart Sensor Allows Monitoring of Pressure to Improve Outcomes in New York Heart Association [NYHA] Class III Heart Failure Patients) konnte zeigen, dass das Telemonitoring hämodynamischer Parameter die Betreuung von Patienten mit Herzinsuffizienz erheblich verbessern kann (4, 5). Die Studie testete den Einsatz des PulmonalarteriendruckSensorsystems CardioMEMS™ bei insgesamt 550 Patienten mit reduzierter oder nicht reduzierter linksventrikulärer Auswurffraktion (270 Patienten in der aktiven hämodynamischen Monitoringgruppe und 280 in der Kontrollgruppe). Über eine elektronische Heimkonsole konnten die Messresultate von zu Hause ins Behandlungszentrum übermittelt werden. Aufgrund der zusätzlichen Informationen (tägliche Messungen des Pulmonalarteriendrucks) konnte die medikamentöse Behandlung in der Monitoringgruppe so angepasst werden, dass signifikant weniger Hospitalisationen wegen der Herzin-
Referenzen: 1. Ponikowski P et al.: 2016 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure. Eur Heart J 2016; 37: 2129–2200. 2. Ouwerkerk W et al.: Determinants and clinical outcome of uptitration of ACE-inhibitors and betablockers in patients with heart failure: a prospective European study. Eur Heart J 2017; 38: 1883– 1890. 3. Hindricks G et al.: Implant-based multiparameter telemonitoring of patients with heart failure (INTIME): a randomised controlled trial. Lancet 2014; 384: 583–590. 4. Abraham WT et al.: Wireless pulmonary artery haemodynamic monitoring in chronic heart failure: a randomised controlled study. Lancet 2011; 377: 658–666. 5. Abraham WT et al.: Sustained efficacy of pulmonary artery pressure to guide adjustment of chronic heart failure therapy: complete follow-up results from the CHAMPION randomised trial. Lancet 2016; 387: 453–461. 6. Heywood JT et al.: Impact of practice-based management of pulmonary artery pressures in 2000 patients implanted with the CardioMEMS sensor. Circulation 2017; 135: 1509–1517.
Quelle: «The Heart Failure Summit», ESC 2017, 26. bis 31. August 2017 in Barcelona.
CongressSelection Kardiologie/Diabetologie • Dezember 2017 • 21