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EASD
KONGRESSNOTIZEN
Ungewöhnliche Strategien zur Gewichtsreduktion bei übergewichtigen Diabetikern
Gemäss einer Schätzung der International Diabetes Federation (IDF) sind 80 Prozent der Typ-2-Diabetiker übergewichtig oder adipös. Gewichtsreduktionsprogramme waren in der Vergangenheit wenig erfolgreich. Dabei macht die nun getestete kognitive Verhaltenstherapie (CBGT) bei Adipösen, die zwar bei Angststörungen und Depression ihren Platz hat, keine Ausnahme, wie am diesjährigen EASD zu erfahren war. In der Prevention of Weight Gain Studie (POWER) durchliefen 206 übergewichtige Typ-2-Diabetiker (BMI ≥ 27 kg/m2) eine 8-wöchige Niedrig-Kalorien-Diät und verloren dabei mindestens 5 Prozent ihres Gewichts. Anschliessend wurden sie in eine Standardtherapiegruppe oder eine CBGT-Gruppe mit 17 Sitzungen über 18 Monate eingeteilt. 2 Jahre nach Studienbeginn war die erneute Gewichtszunahme in beiden Gruppen ähnlich (4,7 vs. 4,0 kg) «Negative Studien sind wichtig, denn man sieht, was nicht funktioniert, so Studienautorin Dr. Kirsten Beck, Erasmus Medical Center, Rotterdam (1).
Einen ganz anderen Weg haben Forscher um Dr. Robert Ryder, City Hospital, Birmingham (GB), gewählt. Sie haben Patienten endoskopisch einen 60 cm langen Schlauch in den Dünndarm gelegt, der die aufgenommene Nahrung zwar passieren lässt, aber deren Resorption verhindert. Der Effekt der sogenannten «Endobarrier»-Methode ist ähnlich wie bei einem Magenbypass. Vitamine müssen supplementiert werden. Nach einem Jahr wird der Schlauch entfernt. Mit dieser Methode wurden 50 Patienten ausgestattet. Am Kongress präsentierte Ryder Daten der ersten 31 Patienten zwischen 28 und 62 Jahre, denen der Schlauch nach einem Jahr entfernt wurde. Die Diabetesdauer betrug durchschnittlich 13 Jahre, und 17 von ihnen erhielten Insulin. Bei Implantation wurden alle Patienten dazu ermuntert, ihren Lebensstil umzustellen. Die 31 Patienten verloren durchschnittlich 15 kg, nach 6 Monaten hatten 65 Prozent das erreichte Gewicht gehalten. Im Zuge dessen verbesserten sich auch der Blutzuckerspiegel und der Blutdruck. Bei den
Insulinpflichtigen konnte die Insulindosis von 100 auf 30 Einheiten reduziert werden. Kehrseite der Medaille sind die Nebenwirkungen: Bei zwei Patienten musste der EndobarrierSchlauch wegen gastrointestinaler Blutungen respektive eines Leberabszesses vorzeitig entfernt werden. Zur Vorbeugung sind die Gabe von Protonenpumpenhemmern beziehungsweise einer Antibiose empfehlenswert, so Ryder auf Nachfrage. Endobarrier könnte in Zukunft bei Patienten, bei denen ein bariatrischer Eingriff nicht hilft, möglicherweise eine kostengünstige Alternative sein, denn endoskopieren kann man in jeder Klinik, und es ist im Vergleich zu einer Operation nicht aufwendig, so Ryder (2). vh
Quellen: 1. «Cognitive behavioural therapy not the solution to longterm weight loss in people with diabetes». Präsentiert am EASD 2017, 11. bis 15. September in Lissabon. 2. New device that tackles obesity and diabetes shows promise as NHS treatment. Präsentiert am EASD 2017, 11. bis 15. September in Lissabon.
Koffein verlängert das Leben Bariatrie rettet Augen
Frauen mit Diabetes, die Kaffee oder Tee trinken, leben länger als
jene, die gänzlich auf Koffein verzichten, wie eine Beobachtungsstudie
über 11 Jahre bei über 3000 Frauen und Männern mit Diabetes zeigte.
Die Forscher um Dr. Joao Sergio Neves, Universität Porto (P), entdeck-
ten eine direkte Dosis-Wirkungs-Beziehung: Je höher der Koffeinkon-
sum desto niedriger das Mortalitätsrisiko. Bei einem Konsum bis zu
100 mg pro Tag, was einer normalen Kaffeeportion entspricht, sank
das Sterberisiko im Vergleich zu Koffeinverweigerern um 51 Prozent,
bei einem Konsum von 100 bis 200 mg Koffein sank es um 57 Prozent
und bei über 200 mg betrug die Risikoreduktion 66 Prozent. Dabei
reduzierte Koffein aus Kaffee die Gesamtmortalität und insbesondere
kardiovaskuläre Ursachen, während Koffein aus Teegetränken eher
vor dem Krebstod schützte. Bei Männern war kein protektiver Effekt
sichtbar.
vh
Quelle: Neves JS: «Caffeine Consumption and mortality in diabetes: an analysis of NHANES 1999–2010». ePoster 841, präsentiert am EASD 2017, 11. bis 15. September in Lissabon.
Durch Adipositas, Hypertonie oder Diabetes verursachte vaskuläre
Veränderungen in der Retina können durch den Gewichtsverlust nach
bariatrischem Eingriff rückgängig gemacht werden. Forscher um Prof.
Robyn Tapp, University of Melbourne (Aus), untersuchten die vasku-
läre Struktur der Retina von 22 adipösen Patienten, denen ein bari-
atrischer Eingriff bevorstand, und von 15 schlanken, altersgematch-
ten Personen zu Studienbeginn sowie 6 Monate nach dem Eingriff auf
mögliche Veränderungen. Die operierten Patienten verloren in 6 Mo-
naten durchschnittlich 26 kg, und die Mikrovaskulatur der Retina ver-
besserte sich. Verengungen der Arteriolen und Erweiterungen der Ve-
nolen waren weniger ausgeprägt als zu Studienbeginn. Bei den
Kontrollen waren keine solchen Veränderungen feststellbar. Das zeigt,
dass adipositasbedingte mikrovaskuläre Veränderungen nach einem
Gewichtsverlust nach Bariatrie reversibel sind. Das könnte darauf
hinweisen, dass zu Beginn der Erkrankung von einer Plastizität der
Mikrovaskulatur auszugehen ist.
vh
Quelle: Tapp RJ: «Effects of bariatric surgery on retinal microvascular architecture». Abstract 1047, präsentiert am EASD 2017, 11. bis 15. September in Lissabon.
64 • CongressSelection Kardiologie/Diabetologie • Dezember 2017