Transkript
ESC
Foto: vh
«Die koronare Herzkrankheit ist die wahre Pandemie»
Durch Lipidsenkung das Risiko reduzieren
Die Entwicklung von kardiovaskulären Ereignissen steht in Zusammenhang mit der Höhe des Cholesterinwertes sowie der Dauer der Erhöhung. Worauf zu achten und wie vorzugehen ist, resümierte Prof. François Mach, Kardiologie, Hôpitaux Universitaires Genève, am ESC-Kongress in einem State-of-the-Art-Referat.
Jährlich fordern kardiovaskuläre Erkrankungen weltweit etwa 17,3 Millionen Todesfälle oder 47 000 pro Tag, eröffnete Mach das Referat. Zwischen dem Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse und dem LDL-Cholesterinspiegel bestehe eine klare Beziehung. Während Spiegel von unter 1 mmol/l mit einem Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse von 4 Prozent einhergehen, steigt dieses bei LDL-Werten von 2,6–3,4 mmol/l auf 16 Prozent, bei Werten zwischen 4,1 und 4,9 mmol/l auf 25 Prozent und darüber auf 34 Prozent an (1). Umgekehrt ist jedes Millimol Reduktion des LDL-Spiegels mit einer signifikanten Risikoreduktion von Koronarereignissen um 28 Prozent verbunden, wie aus einer Metaanalyse über 26 Statinstudien mit 170 000 Patienten hervorgeht (2). Daher empfehlen die ESC-Guidelines bei Patienten mit sehr hohem kardiovaskulärem Risiko eine Senkung des LDL-Cholesterins auf < 1,8 mmol/l oder um 50 Prozent, wenn ihr LDL-Spiegel zwischen 1,8 und 3,5 mmol/l liegt (3). Doch nicht bei jedem Patienten wirken Statine gleichermassen stark lipidsenkend. Dort, wo die Statinwirkung in Bezug auf die Zielwerte ungenügend sei, solle der Cholesterinabsorptionshemmer Ezetimibe zur Therapie hinzugefügt werden, zitierte Mach die Guidelines weiter. Dieser Zusatz wirkt synergistisch, wie in der IMPROVE-Studie (4) gezeigt wurde. In dieser Studie mit einem Follow-up von 7 Jahren reduzierte die Kombination Statin plus Ezetimib die kardiovaskuläre Ereignisrate signifikant stärker als die Therapie mit Statin allein. Interessant ist dabei die Tatsache, dass die Raten von Erstereignissen wie auch von Zweitereignissen unter der Kombinationstherapie um einiges tiefer waren. «In der Realität ist es aber so, dass nach einem Jahr Statintherapie nur etwa ein Drittel der Patienten den Zielwert von 1,8 mmol/l erreicht. Nach Zugabe von Ezetimib ist dieses Ziel leichter erreichbar», so Mach. Persistieren hohe LDLWerte von > 2,6 mmol/l dann noch immer, kann bei Patienten mit sehr hohem kardiovaskulärem Risiko laut den Guidelines ein PCSK-9-Hemmer zusätzlich zu Statinen zum Einsatz kommen. Evolocumab, ein Vertreter dieser Klasse, hat in der FOURIER-Studie und in einer am Kongress präsentierten Subanalyse eindrücklich demonstriert, dass die LDL-Werte sehr tief gesenkt werden können und bei immer noch sehr tiefen Werten eine konsistente Reduktion der kardiovaskulären Ereignisrate zu sehen ist (5, 6). Aber nicht nur «je tiefer, desto besser», sondern auch «je früher, desto besser» müsse die Devise sein, empfiehlt Mach. Denn es gibt auch eine kumulative LDL-Belastung,
die mit den Lebensjahren ansteigt. Ein Mann erreicht bis zu seinem 55. Lebensjahr kumulativ 160 mmol, was für die Entwicklung einer koronaren Herzerkrankung ausreicht. Je früher im Leben der Cholesterinwert erhöht ist, desto eher wird diese Grenze also erreicht (7).
Vorgehen in der Schweiz
Wie Mach ausführt, ist gemäss AGLA das Vorgehen in der Schweiz folgendermassen: Bei Patienten mit hohem und sehr hohem kardiovaskulärem Risiko soll nebst Lebensstilmodifikation der LDL-C-Wert mit der maximal verträglichen Statindosierung auf < 2,6 beziehungsweise < 1,8 mmol/l gesenkt werden. Empfohlen sind dafür Atorvastatin 40/80 mg oder Rosuvastatin 20/40 mg. Ist nach drei Monaten der Zielwert nicht erreicht, soll Ezetimib zur bestehenden Therapie hinzugefügt werden. Wenn der LDL-C-Wert trotz dieser Massnahmen > 3,8 mmol/l bleibt oder ein schnelles Voranschreiten der atherosklerotischen kardiovaskulären Erkrankung zu beobachten ist und der LDL-Wert oberhalb von 2,6 mmol/l bleibt, soll der Einsatz eines PCSK-9-Hemmers in Erwägung gezogen werden. Führt auch das nicht zum Ziel, ist die letzte Option eine Lipidapherese.
Valérie Herzog
Quelle: Satellitensymposium von MSD: «State-of-the-art lipid treatment in coronary patients 2017», ESC-Kongress 2017, 26. bis 31. August 2017 in Barcelona.
Referenzen: 1. Boekholdt SM et al.: Very low levels of atherogenic lipoproteins and the risk for cardiovascular events: a meta-analysis of statin trials. J Am Coll Cardiol 2014; 64: 485–494. 2. Baigent C et al.: Efficacy and safety of more intensive lowering of LDL cholesterol: a meta-analysis of data from 170 000 participants in 26 randomised trials. Lancet 2010; 376: 1670. 3. Catapano AL et al.: 2016 ESC/EAS Guidelines for the Management of Dyslipidaemias. Eur Heart J 2016; 37: 2999–3058. 4. Cannon CP et al.: Ezetimibe Added to Statin Therapy after Acute Coronary Syndromes. N Engl J Med 2015; 372: 2387–2397. 5. Giugliano RP et al.: Clinical efficacy and safety of achieving very low LDL-cholesterol concentrations with the PCSK9 inhibitor evolocumab: a prespecified secondary analysis of the FOURIER trial. The Lancet 2017 Aug 28; Epub ahead of print. DOI: 10.1016/S0140-6736(17)32290-0. 6. Sabatine MS et al.: Evolocumab and Clinical Outcomes in Patients with Cardiovascular Disease. N Engl J Med 2017; 376: 1713–1722. 7. Nordestgaard BG et al.: Familial hypercholesterolaemia is underdiagnosed and undertreated in the general population: guidance for clinicians to prevent coronary heart disease. Eur Heart J 2013; 34: 3478–3490. 8. www.agla.ch
François Mach
Die neue ESC-Leitlinie zum Management der Dyslipidämie ist online kostenlos verfügbar unter: http://eurheartj.oxfordjournals. org/content/early/2016/08/26 /eurheartj.ehw272
AGLA-Empfehlungen
www.rosenfluh.ch/qr/AGLA
CongressSelection Kardiologie/Diabetologie • Dezember 2017 • 9