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ERS
Highlights vom europäischen Pneumologenkongress ERS
Schädliche E-Zigaretten – mehr grüne Lungen – zu viel Antibiotika bei Asthmatikern
Beim grössten Kongress für Atemwegserkrankungen befassten sich zahlreiche Vorträge mit E-Zigaretten, die nicht so harmlos sind, wie die Hersteller es darstellen. Selbst bei der Asthmaentstehung könnten Sie eine Rolle spielen.
Das Geschäft mit den E-Zigaretten boomt, besonders in den USA: Hier wird geschätzt, dass die E-Zigaretten den konventionellen bald den Rang ablaufen. Dieser Aufstieg ist auch darauf zurückzuführen, dass es den Herstellern gelang, E-Zigaretten als «harmlos» darzustellen. Wohl zu Unrecht – wie immer mehr Studien zeigen.
E-Zigaretten: Keine harmlose Alternative zum Glimmstängel
Nach dem Konsum einer E-Zigarette mit Nikotin nimmt die Arteriensteifigkeit unmittelbar zu: Dies zeigte erstmals eine schwedische Studie. Zusammen mit einem Team von Forschern verglich Dr. Magnus Lundbäck aus Stockholm (Schweden) den Blutdruck, den Puls und die Arteriensteifigkeit bei 15 jungen Freiwilligen, die alle Gelegenheitsraucher waren und zuvor noch nie eine E-Zigarette benutzt hatten. Die Teilnehmer wurden nach einem Cross-over-Verfahren randomisiert, sodass sie an verschiedenen Tagen für jeweils 30 Minuten abwechselnd Rauch mit und ohne Nikotin inhalierten. Die Messung der Werte erfolgte direkt im Anschluss an die 30 Minuten und auch noch 2 und 4 Stunden später. Die Arteriensteifigkeit wurde über die Geschwindigkeit der Pulswelle und deren Analyse beurteilt. «Unsere Ergebnisse sind noch vorläufig, aber wir fanden eine signifikante Steigerung von Herzfrequenz und Blutdruck bei den Freiwilligen, die gegenüber E-Zigaretten mit Nikotin exponiert waren. Die Arteriensteifigkeit verdreifachte sich sogar gegenüber der nikotinfreien Gruppe», sagte Lundbäck. Dieses Ergebnis verlangt besondere Beachtung, da der Anstieg der Arteriensteifigkeit ein unabhängiger kardiovaskulärer Risikofaktor ist. «Es ist sehr wahrscheinlich, dass die höhere Steifigkeit der Arterien auf das Nikotin zurückzuführen ist», erklärte Lundbäck. «Die Wirkung bestand nur vorübergehend, aber der gleiche temporäre Effekt auf die Arteriensteifigkeit konnte für das Rauchen konventioneller Zigaretten gezeigt werden. Deshalb vermuten wir, dass E-Zigaretten mit Nikotin auch den gleichen Langzeiteffekt auf die Arteriensteifigkeit haben», fügte er hinzu. Besonders schädlich ist offensichtlich, wenn Menschen normale Zigaretten und zusätzlich E-Zigaretten konsumieren: Darauf weist eine Untersuchung an 30 000 Personen in Schweden hin, die von Dr. Linnea Hedman aus Umea (Schweden) präsentiert wurde: 12 Prozent rauch-
ten konventionelle Zigaretten und 2 Prozent E-Zigaretten. 10 Prozent der konventionellen Raucher konsumierten auch E-Zigaretten, im Vergleich zu 1,1 Prozent der ehemaligen Raucher und zu 0,6 Prozent der Nichtraucher. Wer «doppelt» rauchte, litt mit 56 Prozent signifikant häufiger an respiratorischen Symptomen als reine konventionelle Raucher (46%), reine E-Raucher (34%) oder Nichtraucher (26%). Eine experimentelle Studie von Dr. Pawan Sharma aus Sydney (Australien) weist darauf hin, dass E-Zigaretten auch eine Rolle bei der Asthmaentstehung spielen könnten: Die Forscher setzten weibliche Mäuse vor der Konzeption entweder E-Zigaretten-Dampf mit oder ohne Nikotin oder normaler Raumluft aus. Die Tiere inhalierten auch während der Trächtigkeit, der Geburt und der Laktationsperiode E-Zigaretten-Rauch. Die Jungen der Mäuse wurden dann so lange mit einem Allergen aus Ovalbumin konfrontiert, bis sie Asthma entwickelten. Die Studie habe gezeigt, dass die Jungen, deren Muttertiere Kontakt zu dem E-Zigaretten-Dampf gehabt hätten, ein höheres Risiko und schwereres Asthma gehabt hätten, erklärte Sharma. Diese ungünstige Auswirkung des Dampfes ist vermutlich auf eine verschlechterte Funktion der Mitochondrien zurückzuführen. Dies zeigte ein weiterer Versuch, bei dem die Forscher menschliche Zellen mit unterschiedlichen Konzentrationen von E-Zigaretten-Flüssigkeiten in Kontakt brachten und danach die mitochondriale Funktion massen. Dieser Effekt war unabhängig davon, ob der Dampf Nikotin enthielt. «Unsere Untersuchungen zeigen, dass der Gebrauch von E-Zigaretten während der Schwangerschaft nicht als sicher angesehen werden kann, unabhängig davon, ob Nikotin enthalten ist oder nicht», erklärte Sharma. Dies sei besonders bedenklich angesichts der Tatsache, dass E-Zigaretten als «Hilfsmittel» angesehen würden, um schwangeren Frauen eine Rauchabstinenz zu erleichtern.
Falsche Asthmatherapie bei Kindern
Kindern mit Asthma werden deutlich häufiger Antibiotika verschrieben als ihren Altersgenossen ohne Asthma. So lautet die Quintessenz der Studie, die Dr. Esmé Baan aus Rotterdam (Niederlande) auf dem ERS-Kongress vorstellte. Die niederländisch-britische Studie schloss Daten von zirka einer Million Kindern und Jugendlichen aus den Niederlanden und Grossbritannien ein, diese entsprachen insgesamt mehr als sechs Millionen Patientenjahren.
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Insgesamt wurden die Asthmatiker signifikant häufiger mit Antibiotika behandelt. Von 1000 holländischen Kindern mit Asthma bekamen jährlich 178 ein Antibiotikum, während es bei den Kindern ohne Asthma lediglich 131 waren. Dass in den Niederlanden grundsätzlich wesentlich seltener zur Antibiose gegriffen wird, zeigen die Zahlen aus Grossbritannien: Dort lagen die entsprechenden Verschreibungsraten bei 380 gegenüber 261/1000 Patientenjahren. Während insgesamt die Bronchitis die häufigste Diagnose war, fand die Studie heraus, dass bei einer bekannten Asthmaerkrankung bei 38 Prozent der Kinder in den Niederlanden beziehungsweise bei 14 Prozent der Kinder in Grossbritannien lediglich die Asthmaexazerbation als Indikation für die Antibiotika angegeben wurde. «Es kann für den Allgemeinarzt schwierig sein, zwischen einer Verschlechterung der Asthmasymptome und den Symptomen einer bakteriellen Atemwegsinfektion zu unterscheiden, und wir glauben, dass dies zu mehr Verschreibungen von Antibiotika bei den Kindern mit Asthma führt», vermutete Baan. Jedenfalls wurde ein erheblicher Teil der Rezepte für die Antibiose nicht in Übereinstimmung mit den geltenden Leitlinien ausgestellt. «Natürlich werden Antibiotika manchmal gebraucht, aber wir sollten vorsichtig sein und diese nur verordnen, wenn sie wirklich erforderlich sind», meinte Baan. «Generell sollte Allgemeinärzten von der Verschreibung unnötiger Antibiotika abgeraten werden, sonst gehen wir für die Zukunft das Risiko von mehr resistenten Infektionen ein.»
Asthmaprotektion durch Parknähe
Stadtkinder mit Asthma, die in der Nähe eines Parks leben, leiden seltener unter Asthmasymptomen als diejenigen, die von einer Betonwüste umgeben sind. Dies zeigte sich in einer Studie mit 196 Kindern aus Baltimore (Maryland, USA). Die Studienteilnehmer waren zwischen 3 und 12 Jahre alt. Sie hatten als Einschlusskriterien wegen ihrer Asthmaerkrankung im Jahr zuvor mindestens zweimal die Notfallambulanz aufsuchen müssen oder wurden aus dem gleichen Grund stationär aufgenommen. «Es ist bekannt, dass das Leben in städtischer Umgebung das Risiko für kindliches Asthma erhöht und
Faktoren wie Luftverschmutzung, die mit dem Leben in der Stadt assoziiert sind, zu einer hohen Rate von schlecht kontrolliertem Asthma führen», erklärte Kelli DePriest, Public-Health-Krankenschwester aus Baltimore (Maryland, USA). In der Studie wurde für die Teilnehmer ermittelt, wie weit ihr Wohnort jeweils von der nächsten Grünfläche entfernt war. Diese Distanz wurde mit der Häufigkeit von Asthmasymptomen wie Kurzatmigkeit, Thoraxschmerz oder Giemen korreliert. Die Entfernung zur nächsten Grünanlage betrug im Durchschnitt ungefähr 250 Meter. In der multivariaten Analyse stellte sich heraus, dass die Nähe zum Park die Anzahl der Tage mit Beschwerden signifikant beeinflusste. Dabei bedeutete eine zusätzliche Entfernung von 305 Metern einen Tag mehr mit Beschwerden innerhalb von 2 Wochen. Bei den untersuchten Kindern handelte es sich zu 95 Prozent um Afroamerikaner, von denen 66 Prozent männlich waren. «Ihre Familien hatten einen niedrigen sozioökonomischen Status – und dies bedeutet, dass sie für eine Population stehen, deren Risiko für asthmabedinge Mortalität hoch ist», erklärte DePriest. Der Zusammenhang zwischen Wohnortentfernung zum Park und Tagen mit Asthmabeschwerden war bei der selektiven Auswertung von älteren Kindern zwischen 6 und 12 Jahren noch deutlicher. Bereits eine Entfernung von nur 152 Metern zur nächsten Grünfläche korrelierte mit einem zusätzlichen Beschwerdetag innerhalb von 2 Wochen. Diese Beobachtung wurde darauf zurückgeführt, dass diese älteren Kinder eher selbst entscheiden, wohin sie gehen wollen. Generell vermuten die Autoren, dass der positive Effekt der Parks einerseits auf die dort ermöglichte vermehrte körperliche Aktivität, andererseits auf die durch Grünflächen verbesserte Luftqualität zurückzuführen ist. «Die Ergebnisse sind wichtig, da sie den Nutzen von Stadtparks unterstützen, und sie legen nahe, dass eine richtige Baupolitik die Kindergesundheit verbessern kann», fasste DePriest zusammen.
Susanne Kammerer
Quelle: Vorträge im Rahmen des 27. Kongresses der European Society
of Respiratory (ERS), 9. bis 13. September 2017 in Mailand.
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