Transkript
EAACI
Wie ernährt man Babys mit Allergien auf Kuhmilchproteine?
… und warum wir bessere Qualitätskontrollen brauchen
Bei Säuglingen mit einer Allergie auf Kuhmilch sind extensiv hydrolysierte Spezialnahrungen indiziert. Problematisch ist dabei, dass es bis anhin keine einheitlichen Kriterien für solche Produkte gibt. Die European Academy of Allergology and Clinical Immunology (EAACI) hat es sich zum Ziel gesetzt, dies zu ändern.
Quelle: Satellitensymposium «Controversies on Special Products for Managing Cow’s Milk Protein Allergy (CMPA) in Infants – Safety and Suitability» (Veranstalter: Nestlé Health Science), anlässlich des EAACI 2017, 18. Juni 2017 in Helsinki.
Im Jahr 2016 wurde eine Arbeitsgruppe der EAACI ins Leben gerufen, die sich mit den Produkten zur Ernährung bei Kuhmilchallergie befasst. Damit reagierte die Gesellschaft auf die Forderungen nach einem verbesserten Wissensstand in der Therapie von Säuglingen mit Allergien und Unverträglichkeiten auf Kuhmilch, berichtete Prof. Arne Høst aus Odense (DK) auf einem Satellitensymposium von Nestlé Health Science beim EAACIJahreskongress 2017. Die Inzidenz der Allergie auf Kuhmilchprotein (cow’s milk protein allergy: CMPA) beträgt in den Industrieländern 2 bis 3 Prozent. Die korrekte Diagnose ist nur durch eine kontrollierte Eliminationsdiät von Kuhmilchprotein, der Provokationstestungen folgen, möglich, sie ist aber notwendig, um eine ausreichende und sichere Diät zu gewährleisten. Die wichtigste Massnahme bei CMPA ist die komplette Vermeidung von Kuhmilchprotein, so Høst weiter. Bei Säuglingen, die ausschliesslich mit Muttermilch ernährt werden, sollte das Stillen fortgesetzt werden. Dabei gilt die strikte Meidung von Kuhmilchprodukten auch für stillende Mütter solcher Babys. Selbst die Milch anderer Tiere, wie Schafsmilch und Ziegenmilch, bietet wegen ihrer hohen Kreuzreaktivität keinen guten Ersatz. Sojabasierte Produkte weisen ihrerseits ein hohes allergenes Risiko auf, und allergische Reaktionen wurden insbesondere bei Babys unter einem Jahr beschrieben. Daher werden für Kinder mit der Diagnose einer Kuhmilchprotein-Allergie extensiv hydrolysierte Spezialnahrungen (extensively Hydrolyzed Formula: eHF) und für sensibilisierte Kinder mit schweren Symptomen Aminosäure-Spezialnahrungen (Amino Acid Formulas: AAF) empfohlen.
Grosse Unterschiede zwischen den eHF-Produkten
Unter den eHF-Spezialnahrungen gebe es allerdings erhebliche Unterschiede, berichtete Dr. Martinas Kuslys aus Epalinges (CH), Leiter der Babynahrungsabteilung von
Unverträglichkeitreaktionen auf Kuhmilch
entstehen durch
Allergiemechanismen vom
• Typ I • Typ II (β) • Typ III • Typ IV
&
auf 1 oder mehrere Milchproteine
• α-Lactoglobulin: 4% • β-Lactoglobulin: 10% • Bovines Serumalbumin (BSA): 1% • α-Casein: 60% • β-Casein: 25%
Quelle: Vortrag Arne Høst
Nestlé Health Science. Das liege unter anderem daran, dass es keine allgemein akzeptierte Definition für eHFNahrungen gebe. Die Definitionen und Beschreibungen beziehen sich beispielsweise auf die Menge an Peptiden über einer definierten Grösse, auf immunologische Kriterien wie die Menge an immunoreaktiven Proteinen oder auch auf erfolgte klinische Prüfungen. Daher existiert auf dem Markt ein sehr weites Spektrum an eHF-Produkten. Für eine bessere Vergleichbarkeit wurden in 11 Ländern die dort verfügbaren eHF-Produkte gesammelt und analysiert. Dabei zeigten sich signifikante Unterschiede in der Verteilung der Molekulargewichte – so lag beispielsweise der Anteil an Peptiden mit einem Molekulargewicht > 1200 Da zwischen 1 und 36 Prozent. Doch grosse Mengen an hochmolekularen Peptiden könnten dazu führen, dass weniger Babys das entsprechende Produkt vertragen, wie Kuslys zu bedenken gab. In einer weiteren Versuchsreihe wurde das β-Lactoglobulin (BLG) gemessen. Dabei erwiesen sich nur 20 Prozent der eHF-Produkte als frei von diesem wichtigen Kuhmilchallergen, in den übrigen Produkten wurde es in Konzentrationen zwischen 0,020 mg/kg und 36 mg/kg nachgewiesen. BLG-positiv waren zum Teil auch Produkte mit einem hohen Hydrolysegrad. Diese Ergebnisse zeigen nach Einschätzung von Kuslys, dass ein hoher Hydrolysegrad zwar wünschenswert ist, dass aber noch weitere Qualitätskontrollen notwendig sind, um ein klinisch sicheres Produkt anbieten zu können.
Forderung nach Qualitätsstandards
Diese Beobachtungen erklärten auch, warum manche
eHF-Produkte im klinischen Einsatz zu allergischen
Symptomen bei den kuhmilchallergischen Babys führten,
erläuterte Prof. Antonella Murano aus Padua (I). Nach der
derzeitigen Leitlinie sollte eine Spezialnahrung dann als
hypoallergen angesehen werden, wenn 90 Prozent der
getesteten CMPA-Betroffenen sie ohne Symptome vertra-
gen (1). Darüber hinaus sollte ein solches Produkt von
mindestens zwei Forschungszentren mit konsekutiven
Patienten, die sowohl IgE-vermittelte als auch nicht IgE-
vermittelte Intolreranzreaktionen aufweisen, untersucht
werden. In der nahen Zukunft sollen von der neuen Ar-
beitsgruppe Standards für die präklinische Testung, die
Qualitätskontrolle und -sicherung sowie für die klinische
Testung entwickelt werden.
Adela Žatecky
Referenzen: 1. Murano A et al.: EAACI Food Allergy and Anaphylaxis Guidelines: diagnosis and management of food allergy. Allergy 2014; 69: 1008–1025..
22 • CongressSelection Allergologie/Pneumologie • August 2017