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SGAIM
Lipidsenkung verlängert das Leben
Ein früher Einsatz lohnt sich
Von der kardiovaskulären Risikoseite aus gesehen gibt es keinen Grund, den LDLCholesterinspiegel nicht zu senken. Im Gegenteil: Je kürzer die Arterien einem zu hohen LDL-Cholesterinspiegel ausgesetzt sind, desto tiefer sinkt das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse. Für Prof. François Mach, Kardiologie, Hôpitaux Universitaires Genève, gilt für eine Senkung nicht nur der Grundsatz «je tiefer, desto besser», sondern auch «je früher, desto besser».
François Mach
Kardiovaskuläre Erkrankungen verursachen noch immer jedes Jahr etwa 17 Millionen Todesfälle weltweit und führen das Ranking bei der Hauptursache von Morbidität und Mortalität an. Sie verursachen jährliche Kosten von etwa 900 Milliarden Franken und fordern 47 000 Tote pro Tag. Alter und Hypercholesterinämie sind die hauptsächlichen Faktoren, die für kardiovaskuläre Erkrankungen disponieren. Während ein gewisser Anteil des Cholesterins körpergemacht ist, erhöht ein zusammen mit dem zugeführten Cholesterin zu hoher Spiegel das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse. Daten aus den Framingham- und MFRIT-Studien beziffern diese Grenze etwa ab 5 mmol/l Totalcholesterin, erklärt Mach am SGAIM in Lausanne.
Expositionsdauer wesentlich
Einen wesentlichen Anteil am Risiko für eine koronare Herzerkrankung (KHK) hat aber auch die Dauer der Hy-
«Je län er die Koronararterien einem erhöhten
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ESC-Guideline 2016 für Dyslipidämie
www.rosenfluh.ch/qr/dyslipidaemie
perlipidämie. In der Framingham-Offspring-Kohorte bei 1478 Personen bis 55 Jahre ohne Herzerkrankung und einer moderaten Hypercholesterinämie von 4,1 mmol/l (160 mg/dl) zeigte sich eine KHK-Inzidenz von 16,5 Prozent bei Personen mit einer Hypercholesterinämiedauer zwischen 11 und 20 Jahren, während eine Exposition zwischen 1 und 10 Jahren eine halb so hohe Inzidenz von 8,1 Prozent zeitigte. Personen ohne Hypercholesterinämie hatten eine KHK-Inzidenz von gar nur 4,4 Prozent (1). «Je länger die Koronararterien einem erhöhten Cholesterinspiegel ausgesetzt sind, desto höher steigt das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse», so Mach. Umso wichtiger ist es auch, die heute viel einfacher feststellbare genetische Disposition für eine familiäre Hypercholesterinämie aufzudecken. Denn betroffene Patienten mit LDL-Cholesterinspiegel von meist > 13 mmol/l haben unbehandelt infolge früher kardiovaskulärer Erkrankungen eine Lebenserwartung von nicht einmal 30 Jahren (2). Umgekehrt gibt es auch Polymorphismen, die den LDL-
Cholesterinspiegel reduzieren. Eine Metaanalyse konnte aufzeigen, dass eine lebenslange Senkung um 1 mmol/l das Risiko für eine KHK um 54 Prozent senkt (3).
Risikoreduktion je Millimol
Ohne diesen Polymorphismus muss dies eine Statintherapie erledigen. In der vergleichsweise kurzen Beobachtungszeit von maximal fünf Jahren bringt diese Therapie im Vergleich zu Plazebo eine Risikoreduktion für kardiovaskuläre Ereignisse von 21 Prozent pro 1 mmol/l LDLC-Senkung, wie eine Metaanalyse über 14 Studien (n = 90 000) zeigte (4). Eine weitere Metaanalyse über 26 Studien (n = 170 000) ergab für eine intensivierte Statintherapie versus Standardstatintherapie und Plazebo eine Risikoreduktion von 28 Prozent pro 1 mmol/l LDL-Senkung (5). Im Lipidarm der HOPE-3-Studie reduzierte Rosuvastatin 10 mg primärpräventiv bei Personen mit intermediärem Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse im Vergleich zu Plazebo das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse signifikant (6). In einer grossen Datenzusammenstellung vom letzten Jahr zur Evidenz und Sicherheit einer Statintherapie ergab sich in Bezug auf vaskuläre wie auch nicht vaskuläre Mortalitätsraten ein klarer Vorteil für die Statintherapie bei permanenter Einnahme in allen Subgruppen (7). «In der Primärprävention hat die Lipidsenkung durchaus ihren Stellenwert, sofern die Patienten kardiovaskuläre Risiken aufweisen. Ein Effekt ergibt sich auf lange Zeit erst nach mehreren Jahren der Einnahme», erläutert Mach. In der Sekundärprävention ist der Nutzen noch augenfälliger: Beispielsweise nach Infarkt halbiert eine Statintherapie die Einjahresmortalität (8). «Das ist ein gewichtiges Argument für eine Lipidsenkung», betonte Mach.
Nebenwirkungen sind benigne
Als Nebenwirkungen der Statintherapie sind selten auftretende Myopathien zu erwähnen, etwas häufiger sind Muskelschmerzen, die beide nach Absetzen des Statins wieder verschwinden. Hämorraghische Schlaganfälle traten ebenfalls leicht mehr auf (5–10/10 000). Dieser Anstieg ist jedoch durch die Risikoreduktion für ischämische Schlaganfälle wettgemacht (7). «Das muss uns keine Angst machen, das ist sehr selten», so Mach. Wichtig und ein glücklicher Umstand ist die Tatsache, dass die Krebsrate weder angestiegen noch gesunken ist. Ebenso gibt
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es keine Evidenz, dass Statine die neurokognitiven Funktionen positiv oder negativ beeinflussen (7). Unter Statinen kam es zu Fällen von neu auftretendem Diabetes (10–20/10 000) (7). «Das ist bei Patienten unter Atorvastatin und Rosuvastatin bei aggressiver Behandlung aufgetreten und kann Patienten betreffen, die prädiabetisch sind und ein Metabolisches Syndrom haben», so die Erklärung von Mach.
und/oder Gallensäurebinder und bei ausbleibendem Erfolg eine Kombination Statin/Cholesterinabsorptionshemmer versucht werden. Bei Patienten mit sehr hohem Risiko und anhaltend hohem LDL-Cholesterinspiegel trotz höchstmöglicher Statindosierung plus Ezetimibe, oder bei Statinintoleranz, kann der Einsatz eines PCSK9Hemmers erwogen werden.
Valérie Herzog
Guidelines klar für Statintherapie
Die Guidelines der European Society of Cardiology (ESC) empfehlen die LDL-C-Senkung bei Patienten mit sehr hohem kardiovaskulärem Risiko auf < 1,8 mmol/l oder bei Ausgangswerten von 1,8 bis 3,5 mmol/l um mindestens 50 Prozent. Bei Hochrisikopatienten soll auf < 2,6 mmol/l gesenkt werden, bei Ausgangswerten von 2,6 und 5,2 mmol/l muss um mindestens 50 Prozent reduziert werden. Bei Patienten mit mittlerem und niedrigem Risiko ist ein LDL-C-Zielwert von < 3,0 mmol/l anzustreben. Bei der Frage, womit zu senken ist, empfehlen die Guidelines Statine in der höchstverträglichen Dosis. Wo dies nicht möglich ist, kann das mit Ezetimibe
Take Home Messa es
® LDL-Cholesterin ist ein kardiovaskulärer Risikofaktor.
® Eine Statintherapie reduziert das Risiko für kommende kardiovaskuläre Ereignisse.
® Eine Statintherapie hat benigne Nebenwirkungen.
® Bei gut gestellter Indikation spart eine Statintherapie Gesundheitskosten.
Quelle: «Update sur les statines». Jahresversammlung der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeine und Innere Medizin (SGAIM), 3. bis 5. Mai 2017 in Lausanne.
Referenzen: 1. Navar-Boggan AM et al.: Hyperlipidemia in early adulthood increases long-term risk of coronary heart disease. Circulation 2015; 131: 451–458. 2. Schmidt HH et al.: Relation of cholesterol-year score to severity of calcific atherosclerosis and tissue deposition in homozygous familial hypercholesterinemia. Am J Cardiol 1996; 77: 575–580. 3. Ference BA et al.: Effect of long-term exposure to lower low-density lipoprotein cholesterol beginning early in life on the risk of coronary heart disease: a Mendelian randomization analysis. J Am Coll Cardiol 2012; 60: 2631–2639. 4. Baigent C et al.: Efficacy and safety of cholesterol-lowering treatment: prospective meta-analysis of data from 90 056 participants in 14 randomised trials of statins. Lancet 2005; 366: 1267–1278. 5. Cholesterol Treatment Trialists’ (CTT) Collaboration et al.: Efficacy and safety of more intensive lowering of LDL cholesterol: a meta-analysis of data from 170 000 participants in 26 randomised trials. Lancet 2010; 376: 1670–1681. 6. Yusuf S et al.: Cholesterol Lowering in Intermediate-Risk Persons without Cardiovascular Disease. N Engl J Med 2016; 374: 2021–2031. 7. Collins R et al.: Interpretation of the evidence for the efficacy and safety of statin therapy. Lancet 2016; 388: 2532. 8. Stenestrand U et al.: Early statin treatment following acute myocardial infarction and 1-year survival. JAMA 2001; 285: 430–436.
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