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EASL
Ziel erreicht: Hocheffektive Hepatitis-C-Therapie bei allen Subtypen
Raten des virologischen Ansprechens nähern sich 100 Prozent
Die interferon- und ribavirinfreie Therapie mit modernen Virostatika ist heute die Standardtherapie bei Infektionen mit dem Hepatitis-C-Virus (HCV). Mit modernen antiviralen Fixkombinationen ist bei nahezu allen Patienten mit einer HCV-Infektion eine anhaltende Virussuppression mit guter Therapiesicherheit und Verträglichkeit möglich.
Patienten mit chronischer HCV-Infektion und Zirrhose haben ein hohes Risiko für eine hepatische Dekompensation, für die Entwicklung eines hepatozellulären Karzinoms und für Tod. Durch die Viruselimination können diese Risiken gesenkt werden. Bereits in den letzten Jahren gab es grosse Fortschritte in der antiviralen Therapie von HCV-Patienten, so Prof. Xavier Forns aus Barcelona (E) in einer Plenarsitzung beim Europäischen Leberkongress in Amsterdam. Doch mit der Vielzahl der Neuentwicklungen auf diesem Therapiesektor wurde die Therapieentscheidung zunehmend komplexer, denn die meisten in den Leitlinien empfohlenen Therapieoptionen für Patienten mit kompensierter Zirrhose sind bei den verschiedenen HCV-Subtypen unterschiedlich gut wirksam. Bei manchen Kombinationstherapien der ersten Generation war die Zugabe von Ribavirin (RBV) oder auch eine längere Therapiedauer über bis zu 24 Wochen erforderlich. Mittlerweile wurde eine neue Generation der Virostatika gegen Hepatitis-C-Viren entwickelt. Dazu zählt auch die einmal täglich einzunehmende Kombination des NS3/4AHemmers Glecaprevir (GLE) und des NS5A-Hemmers Pibrentasvir (PIB), die in der Koformulierung mit dem Akronym G/P bezeichnet wird. In den Phase-II-Studien zeigte G/P hohe Raten eines anhaltenden virologischen Ansprechens (sustained virological response: SVR). Auf dem Europäischen Leberkongress in Amsterdam wurden nun die Ergebnisse von zwei wichtigen Phase-III-Studien vorgestellt.
EXPEDITION-1: SVR12 bei 99 Prozent
In der von Forns vorgestellten einarmigen, Multizenterstudie EXPEDITION-1 wurde die Effektivität und Sicherheit einer 12-Wochen-Therapie mit G/P bei insgesamt 146 Patienten untersucht, die mit den HCV-Genotypen 1, 2, 4, 5 oder 6 infiziert waren und zusätzlich eine kompensierte Zirrhose aufwiesen. Es wurden sowohl therapienaive (75%) als auch vorbehandelte Patienten (25%) aufgenommen. Den primären Endpunkt – das SVR-Ansprechen nach 12 Wochen – erreichten 145 der 146 Patienten (99,3%). Auch die Verträglichkeit erwies sich als gut – Nebenwirkungen wurden von 101 Patienten (69%) berichtet, waren aber überwiegend mild. Am häufigsten klagten die Anwender über Müdigkeit und Kopfschmerzen. 11 Patienten (7,5%) berichteten über schwere Nebenwirkungen, von denen allerdings bei keiner ein Zusammenhang zur Studienmedikation postuliert wurde. Ferner gab es auch keine Studienabbrüche wegen der G/P-Therapie. Fazit von Forns: «Die Ergebnisse von EXPEDITION-1 zeigen, dass die RBV-freie G/P-Therapie
eine SVR12 bei 99 Prozent der Patienten mit HCV-Infektionen vom Genotyp 1, 2, 4, 5 oder 6 erzielt – unabhängig von den Ausgangsbedingungen und Viruscharakteristika.»
ENDURANCE-3: Effektivität bei Genotyp 3
In EXPEDITION-1 ausgeschlossen waren die HCV-Patienten, die mit dem Genotyp 3 infiziert waren. Es ist, wie Prof. Gregory Dore aus Sydney (Australien) auf einer Presseveranstaltung von Abbvie erläuterte, weltweit der zweithäufigste Genotyp. Er gilt als am schwersten behandelbar und ist mit einer schnelleren Krankheitsprogression und der häufigsten malignen Transformation zum hepatozellulären Karzinom (HCC) assoziiert. Ihm wurde daher eine eigene Studie gewidmet: Wie Prof. Graham R. Forster aus London (GB) berichtete, wurde in der offenen Studie ENDURANCE-3 die G/P-Therapie mit dem empfohlenen Standardregime aus Sofosbuvir (SOF) und Daclatasvir (DCV) verglichen. Es wurden drei Therapiegruppen gebildet: Die Standardtherapiegruppe (n = 115) erhielt SOF + DCV über 12 Wochen, die beiden Prüfgruppen erhielten G/P über 12 Wochen (n = 233) oder über 8 Wochen (n = 115). Die Auswertung fand bei allen drei Gruppen nach 12 Wochen statt – zu diesem Zeitpunkt lag die SVR12 in den beiden G/P-Gruppen bei jeweils 95 Prozent und in der Standardtherapiegruppe bei 97 Prozent. Damit konnte der primäre Studienendpunkt, die Nichtunterlegenheit der G/P-Therapie gegenüber der Standard-
SVR12-RATEN NACH 8 UND 12 WOCHEN THERAPIE MIT G/P (ITT-ANALYSE)
99 99,8 98 99
95 96
93 99 100 100 90 † 100 97 99
100
Anteil Patienten mit SVR12 in %
n = 383/387 n = 400/401 n = 193/197 n = 232/234 n = 177/186 n = 258/270 n = 43/46 n = 111/112 n = 2/2 n = 28/28 n = 9/10 n = 31/31 n = 807/828 n = 1060/1076
80
60
40
20
0 GT1 GT2 GT3 GT4 GT5 GT6 Pooled GT1–6 Q8 Wochen G/P Q12 Wochen G/P
Genotyp
Gepoolte Daten der Verumarme aus den Studien SURVEYOR-I und -II, EXPEDITION-4, ENDURANCE-1,
-2, -3 und -4. In diesen Studien erhielten die Patienten 300 mg GLE + 120 mg PIB oder die Fixkombina-
tion G/P (300/120 mg) über 8 oder 12 Wochen.
Quelle: Abbvie Education Session beim EASL 2017
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therapie, bestätigt werden. Darüber hinaus war unter den G/P-Gruppen auch die verkürzte Therapie über 8 Wochen der 12-Wochen-Therapie ebenbürtig. Die beobachteten Nebenwirkungen waren überwiegend mild, und es gab keine schwerwiegenden Nebenwirkungen im Zusammenhang mit der Studienmedikation. Insgesamt biete die G/P-Therapie den Vorteil, dass sie mit der einmal täglichen Anwendung einer Tablette ein einfaches Therapieregime ist, das bei allen HCV-Genotypen
angewendet werden kann, so das Fazit von Dore auf der Presseveranstaltung. Bereits mit der Therapie über 8 Wochen ist bei den meisten Patienten ein SVR zu erreichen – auch diese kürzere Dauer ist in seinen Augen ein Vorteil. Adela Žatecky
Quelle: General Sessions I und II sowie Abbvie Education Session beim 52. Jahrestreffen der European Association for the Study of the Liver (EASL), 20. und 21. April 2017 in Amsterdam.
Bis 2030 soll Hepatitis eliminiert sein
Erster globaler Hepatitis-Report der WHO vorgestellt
325 Millionen Menschen leben weltweit mit einer Virushepatitis, und 1,34 Millionen sterben pro Jahr an dieser Infektion – so die Zahlen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) von 2015. Das soll sich in den nächsten Jahren ändern: Das erklärte Ziel der WHO ist die globale Elimination der Virushepatitiden bis zum Jahr 2030. Und der offizielle Start dieses Aktionsplans war auf dem diesjährigen International Liver Congress in Amsterdam.
WHO-STRATEGIEN ZUR HEPATITISELIMINATION BIS 2030
Massnahmen Ziele
Intervention 1. Drei Impfungen mit
Hepatitis-B-Vakzine 2. HBV PMTCT (prevention of
mother-to-child transmission) 3. Sicherheit von Blut und
Injektionen
4. Gefahrenreduktion
5. Therapie
Reduktion der Inzidenz Reduktion der Mortalität
Ziel für 2030 90%
90%
100% gescreente Blutspenden; 90% Bestecke mit Wiederbenutzungsschutz 300 Injektionssets/PWID/Jahr (PWID = people who inject drugs) 90% diagnostiziert, 80% der Behandelbaren behandelt 90% 65%
WHO Global Hepatitis Report Der im Mai 2016 von der WHO veröffentlichte Report steht online zum Download zur Verfügung unter rosenfluh.ch/qr/ghr17
Eine Beschreibung des Status quo bietet der erste weltweite Hepatitisreport der WHO, der ebenfalls in Amsterdam vorgestellt wurde. Wie Yvan Hutin von der WHO aus Genf betonte, liegt die Zahl der globalen Hepatitis-Todesfälle mit 1,34 Millionen in einem ähnlichen Bereich wie die Todesfälle an Tuberkulose oder infolge einer HIV-Infektion. Während jedoch die Mortalitätsraten der beiden letztgenannten Infektionskrankheiten sinken, steigt diejenige der Virushepatitis immer noch weiter an.
Impfung schützt vor Hepatitis B
Die von der WHO propagierte Eliminationsstrategie richtet sich in erster Linie gegen die beiden Virustypen B und C, denn allein auf diese beiden sind 96 Prozent aller Virushepatitis-Todesfälle zurückzuführen. Von diesen ist wiederum die Hepatitis B die häufigere Form, mit der weltweit 257 Millionen Menschen infiziert sind. Gegen diese Hepatitisform habe sich vor allem die Impfung als effektive Massnahme erwiesen, berichtete Dr. Gottfried Hirnstall von der WHO aus Genf auf einer Pressekonfe-
renz beim Kongress. Derzeit liege die Durchimpfungsrate gegen das Hepatitis-B-Virus (HBV) bei 84 Prozent. Die geschätzte HBV-Prävalenz bei Kindern unter fünf Jahren konnte durch diese Massnahme von 4,7 Prozent vor der Impfära auf 1,3 Prozent im Jahr 2015 gesenkt werden. Was bleibt, sind die Infektionen bei Erwachsenen – insbesondere bei denen, die sich vor der Verfügbarkeit der Impfung angesteckt haben. Hier herrscht ein erheblicher Verbesserungsbedarf: So sind nach WHO-Schätzungen nur etwa 9 Prozent aller chronischen HBV-Infektionen auch diagnostiziert, und von diesen Betroffenen werden wiederum nur etwa 8 Prozent behandelt. Derzeit bedarf die chronische HBV-Infektion noch einer lebenslangen Therapie, welche nach den aktuellen WHO-Empfehlungen mit Tenofovir durchgeführt wird.
Hocheffektive antivirale Therapie gegen Hepatitis C
Von der chronischen Hepatitis C sind laut WHO auf der Welt etwa 71 Millionen Menschen betroffen. Auch bei dieser Form sind allerdings nur etwa 20 Prozent diagnostiziert, so Hutin weiter. Davon werden wiederum nur etwa 7 Prozent mit der antiviralen Therapie behandelt, die sich mittlerweile durch die zahlreichen Neuentwicklungen der letzten Jahre zu einer hocheffektiven Option entwickelt hat. Daher sieht die WHO bei dieser Form vor allem durch eine Ausweitung der Behandlungen einen guten Ansatz zur Viruselimination. Als Elimination werde bei den Virushepatitiden nicht die vollständige Ausrottung der Hepatitisviren, sondern die drastische Senkung der Krankheitsfälle verstanden, erläuterte Hutin. Als Ziele gelten hier eine Reduktion der Inzidenz um 90 Prozent und der Mortalität um 65 Prozent.
Adela Žatecky
Quelle: General Session II und EASL-Pressekonferenz beim 52. Jahrestreffen der European Association for the Study of the Liver (EASL), 21. April 2017 in Amsterdam.
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