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ECCO
Wenn CED-Patienten Malignome entwickeln . . .
Bei Tumoren mit hohem Rezidivrisiko Immunsuppressiva absetzen
Tritt bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) ein bösartiger Tumor auf, lautet die allgemeine Empfehlung: Die immunsuppressive Therapie sollte gestoppt werden, bis der Krebs unter Kontrolle ist (1, 2). Allerdings gilt dies nicht bei sehr schwerer CED.
Was tun, wenn bei einem Patienten mit einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung plötzlich ein Karzinom diagnostiziert wird? Einfach die bisherige CED-Therapie fortführen? Alles abbrechen und nur noch den Krebs bekämpfen? Für die Betroffenen habe immer die Lebensqualität die höchste Priorität, erklärte am ECCO-Kongress in Barcelona Prof. Laurent Beaugerie aus Paris (F).
Durch Anti-TNF-Medikamente keine Tumorprogression
Beeinflussen Anti-TNF-Medikamente den Verlauf einer Krebserkrankung? In einer Studie aus dem Jahr 2008 zeigte sich, dass Patienten im fortgeschrittenem Krebsstadium den Anti-TNF-Hemmer Infliximab gut vertrugen und keine offensichtlich behandlungsbedingte Tumorprogression festzustellen war (3). Auch in einer weiteren Untersuchung mit Pankreaskarzinom-Betroffenen hatte Infliximab keinen Effekt auf die Progression (4). Allerdings könnte das Melanomrisiko durch eine Anti-TNFBehandlung erhöht sein (siehe Tabelle) (5). Umgekehrt können Chemotherapien, Thiopurine und/ oder Methotrexat myelotoxisch wirken. Überdies wurde eine Zunahme der CED-Symptome während und nach krebsbedingten Hormontherapien beobachtet (6). Auch das Taxan Docetaxel bei Brustkrebs (7), Sunitinib und Sorafinib bei Nierenzellkarzinomen (8) sowie CTLA-4und PDL-1-Blocker (9) führten zu Exazerbationen einer Colitis ulcerosa.
ECCO-Leitlinie empfiehlt Therapiepause
Haben die Anti-CED-Therapien nach überstandener Krebserkrankung einen Einfluss auf die Häufigkeit von
Tabelle:
IMMUNSUPPRESSIVE MEDIKAMENTE UND IHRE – NACH DERZEITIGEM WISSEN – KARZINOGENEN EFFEKTE
EBV-assoziierte Lymphome nicht melanozytäre Hauttumoren Melanome Tumoren der Harnwege Kolorektalkarzinome Brustkrebs
Kortikosteroide
nein?
nein
nein nein
nein nein
Thiopurine
↑↑
↑↑
nein? ↑
nein oder ↓* nein
Methotrexat ↑±
Anti-TNFSubstanzen nein?
nein nein?
nein ↑ nein nein
nein nein nein nein
* Mit Inflammationen in Verbindung stehende Kolorektalkarzinome. Quelle: nach Beaugerie L & Itzkowitz S (5)
neuen Tumoren oder Rezidiven? Gemäss einer neuen Metaanalyse existiert für das Auftreten neuer Karzinome bei immunsupprimierten CED-Patienten keine erhöhte Inzidenz (10). Dabei wurden konventionelle Immunsuppressiva, Anti-TNF-Biologika, verschiedene Kombinationen sowie Nichtimmunsuppressiva evaluiert. Anders stellt es sich für Rezidive dar. So sei die Verwendung von Immunsuppressiva bei Krebspatienten mit sehr hohem Rezidivrisiko limitiert, sagte Beaugerie. Laut den ECCO-Guidelines von 2015 sollten CED-Patienten, die sich einer Krebstherapie unterzogen haben, einen verzögerten Wiederbeginn der immunosuppressiven Therapie in Betracht ziehen (11). Grundlage für diese Empfehlungen sind Beobachtungen zum Auftreten von Rezidiven bei organtransplantierten Patienten, die sich immunssuppressiven Therapien unterzogen hatten. Beispielsweise betrug die Rezidivhäufigkeit bei diesen Patienten laut einer israelischen Untersuchung insgesamt 21 Prozent, wobei in den ersten beiden Jahren nach dem Eingriff 54 Prozent, in den darauf folgenden zwei bis fünf Jahren 33 Prozent und danach noch 13 Prozent von einem Rezidiv betroffen waren (12). Entsprechend empfiehlt die ECCO eine Pause der immunsuppressiven Therapie von zwei Jahren nach Ende der Krebsbehandlung (11). Ist der Krebs mit einem mittleren oder hohen Rezidivrisiko verbunden (intermediate or high risk of recurrence), kann die Wiederaufahme der immunosuppressiven Therapie sogar auf fünf Jahre ausgedehnt werden. Als Krebsarten mit intermediärem Rückfallrisiko nach Transplantation und Immunsuppression gelten beispielsweise Prostata- und Brustkrebs (10–20%), als solche mit hohem Risiko Blasenkrebs, Melanome, Myelome oder symptomatische Nierenkarzinome (13).
Bei schwerer CED: trotzdem behandeln
Allerdings gelte diese Regel nicht für Patienten mit schwerer unkontrollierter chronischer Darmerkrankung. So seien lebensbedrohliche CED-Risiken stärker zu bewerten als mögliche Risiken eines Tumorrezidivs, so Beaugerie. Die oberste Priorität liege immer noch bei der Heilung der Läsionen und dem Wiedererlangen der Lebensqualität der Betroffenen. «Wenn keine bessere Alternative zur Verfügung steht, müssen wir mit einer adäquaten immunsuppressiven Therapie vorangehen.»
Klaus Duffner
Quelle: Scientific Session «Vulnerable patients: 10 burning questions» beim 12. Kongress der European Crohn's and Colitis Organisation (ECCO), 16. Februar.2017 in Barcelona.
Referenzen unter www.rosenfluh.ch
14 • CongressSelection Gastroenterologie • Juni 2017
Referenzen: 1. Bernheim O et al.: Gut 2013; 62: 1523–1528. 2. Annese V et al.: J Crohns Collitis 2015; 9: 945–965. 3. Brown ER et al.: ANn Oncol 2008; 19: 1340–1346. 4. Wiedemann B et al.: J Support Oncol 2008; 6: 18–25. 5. Beaugerie L, Itzkowitz S: N Engl J Med 2015; 372: 1441–1452. 6. Axelrad JE et al.: Clin Gastroenterol Hepatol 2012; 10: 1021. 7. Lalos AT et al.: Am J Gastroenterol 2009; 104: 2652. 8. Loriot Y et al.: Ann Oncol 2008; 19: 1975. 9. Beck KE et al.: J Clin Oncol 2006; 24: 2283–2289. 10. Shelton E et al.: Gastroenterology 2016; 15: 97–109. 11. Annese V et al.: J Crohns Colitis 2015; 9: 945–965. 12. Penn I et al.: Ann Transplant 1997; 2: 14–17. 13. Penn I et al.: Transplantation 1993; 55: 742–747.
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