Transkript
ECCO
INTERVIEW
Klare C-Dominanz beim Hepatitisalphabet auf dem EASL
Interview mit Philip Bruggmann
(Foto: Bruggmann)
Philip Bruggmann
Über die Hepatitis-Highlights auf dem Europäischen Leberkongress sowie über die Umsetzung der aktuellen Möglichkeiten in der Schweiz sprachen wir mit PD Dr. Philip Bruggmann, Chefarzt Innere Medizin, Arud-Zentren für Suchtmedizin, Zürich, der im Rahmen seiner suchtmedizinischen Tätigkeit auch viele Schweizer Hepatitispatienten betreut.
Herr Dr. Bruggmann, was waren für Sie die Highlights des diesjährigen EASL auf dem Gebiet der Hepatitiden? Bei der Hepatitis C wurden die Resultate der Studien mit der wahrscheinlich letzten Generation der neuen antiviralen Medikamente vorgelegt. Sie zeigen: Die Therapie wird nochmals einfacher und nochmals besser. Damit haben wir dann wirklich ein Instrument in den Händen, mit dem wir das Ziel der Hepatitis-Elimination erreichen können. Dieses Ziel, das ja von verschiedenen Ländern und auch von der WHO formuliert wurde, erscheint mir realistisch. Es braucht allerdings noch etwas Zeit, aber auch ein gewisses Umdenken bei den Behörden. Gerade auf Behördenseite besteht noch ein erheblicher Informationsbedarf, und die Auswirkungen der viralen Hepatitiden auf die öffentliche Gesundheit sind vielen Entscheidungsträgern noch nicht so bewusst.
Dass die Therapieoptionen heute existieren, ist ein Punkt. Wie sieht es aber in der Schweiz mit dem Zugang zu den innovativen Therapien aus? Der Zugang wird immer besser. Erst im Mai 2017 wurden die Limitierungen weiter gelockert, und ich bin zuversichtlich, dass sie in absehbarer Zeit ganz eliminiert werden, einhergehend mit weiteren Preissenkungen. Die Patienten, die momentan keinen Zugang haben, können sich die Medikamente immerhin als Generika aus Indien günstig besorgen. Auch hierzu gab es Beiträge am EASL-Kongress. So wurde in einem Poster gezeigt, dass die Therapie mit diesen Generika genauso gut funktioniert, solange man die Medikamente über seriöse Quellen bestellt. Das ist zumindest eine Übergangslösung. Auch rechtlich ist das in der Schweiz kein Problem. Das haben wir abgeklärt und haben jetzt auch schon zahlreiche Erfahrungen, da wir bereits etliche Patienten begleitet haben. Es ist mit etwas mehr Aufwand verbunden, vor allem für die Betroffenen, denn die müssen ja selbst die Onlinebestellung aufgeben und die Medikamente importieren. Aber letztlich funktioniert das gut.
Das Hepatitisalphabet umfasst ja mehr als das «C». Was gibt es Neues zu den anderen Buchstaben zu berichten? Bei der Hepatitis B sahen wir diverse Studien zu den neuen Medikamenten, die noch in der klinischen Entwicklung sind. Dort zeichnet sich auch eine deutliche Verbesserung der Therapiemöglichkeiten ab, sodass man
von den lebenslänglichen Therapien wegkommen und auch mit zeitlich beschränkten Therapien einen Erfolg erzielen kann. Was nicht möglich sein wird, ist eine totale Eradikation des Virus aus dem Körper. Eine gewisse Reaktivierungsgefahr wird wohl, zumindest in absehbarer Zeit, bestehen bleiben. Auch die Hepatitis E ist vermehrt ein Thema. Dort geht es vor allem darum, eine Impfung zu entwickeln. Hier zeichnet sich langfristig eine ähnliche Entwicklung ab wie bei der Hepatitis A, auch wenn die Hepatitis E momentan noch nicht aktiv präventiv angegangen werden kann mit einer Impfung. Zunehmend erkennt man auch, dass die Fälle von Hepatitis E gar nicht so selten sind. Es gibt Gegenden, wo diese Form der Virushepatitis recht häufig ist.
Was waren die Highlights hinsichtlich des hepatozellulären Karzinoms? Im Zusammenhang mit Virushepatitiden gab es eine heftige Debatte darüber, ob mit den neuen Hepatitis-C-Medikamenten nach erfolgreicher Therapie das Risiko für ein hepatozelluläres Karzinom steigt. Als Fazit aus all den Studien und Präsentationen zu diesem Thema bleibt festzuhalten, dass kein Grund zur Besorgnis besteht – da gibt es kein erhöhtes Risiko. In den Studien, die ein erhöhtes Risiko gefunden haben, hat man einfach Äpfel mit Birnen verglichen. Die Populationen, die wir früher mit Interferon behandelt haben, sind nicht vergleichbar mit den Populationen, die wir heute mit den neuen antiviralen Medikamenten behandeln können. Die älteren Patienten und jene in den fortgeschrittenen Stadien konnte man mit Interferon gar nicht behandeln, denn da gab es Kontraindikationen, die es mit den neuen Medikamenten kaum mehr gibt. Das ist wahrscheinlich der Hauptgrund, warum in manchen Studien eine höhere Häufigkeit von hepatozellulären Karzinomen registriert wurde. Gerade in der Anfangsphase der Erhältlichkeit der neuen Medikamente wurden viele Patienten mit fortgeschrittenem Leberleiden behandelt, bei denen logischerweise das Risiko für ein hepatozelluläres Karzinom auch nach der Therapie erhöht bleibt.
Herr Dr. Bruggmann, vielen Dank für das Interview.
Das Interview führte Adela Žatecky
18 • CongressSelection Gastroenterologie • Juni 2017