Transkript
EAU
Patienten bei der Stange halten
Therapie bei überaktiver Blase immer wieder anpassen
Die überaktive Blase kann Patienten sehr fordern und lässt sie manchmal an der Wirksamkeit der Therapie zweifeln. Denn wegzaubern lässt sie sich nicht, Dranginkontinenzsymptome können im Gegenteil einer Progression unterliegen. Mit einer Therapieoptimierung von Zeit zu Zeit kann die Lebensqualität wieder erhöht werden, und die Patienten bleiben dran.
Red Flags bei der überaktiven Blase • Nichtansprechen
auf die Medikation • Hämaturie • Diabetes • Infektion • Abnorme Neurologie
Die überaktive Blase ist verbreitet. Die Prävalenz liegt bei 11,8 Prozent, ist bei Frauen und Männern ähnlich und mit dem Alter ansteigend (1). Für eine Behandlung sind die Blasenrezeptoren klinisch relevant. Noradrenalin bindet an Beta-3-Adrenorezeptoren im Detrusor, dieser entspannt sich in der Folge, was die Speicherphase ermöglicht. Die Blasenentleerung wird dagegen induziert, wenn Acetylcholin an Muskarinrezeptoren andockt, was zu einer Detrusorkontraktion führt. Für eine Dranginkontinenz ist von den EAU-Guidelines daher der Einsatz von Anticholinergika (auch Antimuskarinika genannt) als Grundpfeiler empfohlen (2). Limitierend sind dabei oft die Nebenwirkungen in dieser Substanzklasse, die aber von Substanz zu Substanz unterschiedlich ausgeprägt sind. Wirkt ein Anticholinergikum nicht oder nur unzureichend, wird entweder mit einem zweiten kombiniert oder zu einem anderen gewechselt. Dass damit die Krankheitslast auch nicht geringer wird, zeigte eine 4 Jahre dauernde Untersuchung mit 620 Patienten mit durchschnittlich 3,5 Drangepisoden täglich. Während dieser Zeit wechselten die Patienten bis zu 6-mal zu einem anderen Anticholinergikum, 35 Prozent von ihnen brauchten mindestens zwei Anticholinergika, und 80 Prozent ersuchten um zusätzliche Hilfe gegen ihre OABSymptome (3).
Weitere Option neben Anticholinergika
Die Möglichkeit besteht nun darin, den Angriffspunkt der Therapie zu verändern und anstelle eines Anticholinergikums den Beta-3-Rezeptoragonisten Mirabegron einzusetzen. Für die Verbesserung der Dranginkontinenzsymptome erachten die EAU-Guidelines Mirabegron als gleich wirksam wie Anticholinergika, dies bei plazeboähnlichen Nebenwirkungsraten. Daher gilt die Empfehlung, Mirabegron dort einzusetzen, wo die konventionelle Behandlung nicht befriedigend ist, ausser bei Patienten mit unkontrollierter Hypertonie (2). Bei älteren Patienten muss mit Anticholinergika vorsichtig umgegangen werden, insbesondere bei jenen Patienten mit kognitiver Dysfunktion oder mit höherem Risiko für Kognitionseinbussen. Zu beachten ist ebenso das erhöhte Risiko für Demenzen bei chronischer Anwendung von Anticholinergika – auch aus anderen Indikationsge-
bieten –, wie eine prospektive Kohortenstudie mit Follow-up von über 7 Jahren nahelegt (4). Falls also eine anticholinerge Belastung beim älteren Patienten nicht oder nicht mehr vertretbar ist, empfiehlt die EAU den Einsatz des Beta-3-Agonisten Mirabegron, der keine Nebenwirkungen auf die Kognition hat.
Kommunikation verbessern
Generell ist aber die Persistenz von OAB-Medikamenten nicht sehr gross. Nach 1 Jahr sind noch etwa ein Drittel der Patienten dabei, wie Prof. Adrian Wagg, Capital Health Chair of Healthy Ageing, University of Alberta, Edmonton (CDN), am Satellitensymposium von Astellas anlässlich des EAU-Kongresses ausführte. Die Ursachen dafür sind vor allem in falschen Erwartungen des Patienten (46%) zu suchen, wie eine Untersuchung bei 5392 Patienten zu Gründen für einen vorzeitigen Therapiestopp zeigte. Probleme mit der Verträglichkeit gaben bei 21 Prozent den Ausschlag (5). Eine gute Aufklärung über die Störung und die Notwendigkeit einer Langzeittherapie sowie patientengerechte Erklärungen zu Therapiemöglichkeiten inklusive der Bedeutung der Nebenwirkungen könnten damit einen substanziellen Beitrag leisten. Dazu gehört die Vereinbarung zu regelmässigen Konsultationen mit Therapieanpassungen, falls nötig, so das abschliessende Plädoyer des Experten.
Valérie Herzog
Referenzen: 1. Irwin DE et al.: Population-based survey of urinary incontinence, overactive bladder, and other lower urinary tract symptoms in five countries: results of the EPIC study. Eur Urol 2006; 50: 1306–1314. 2. Burkhard FC et al.: EAU-Guidelines Urinary Incontinence 2017. http://uroweb.org/guideline/urinary-incontinence/Letzter Zugriff: 19.4.17. 3. Chancellor MB et al.: Int Urol Nephrol 2016; 48: 1029–1036. 4. Gray SL et al.: Cumulative use of strong anticholinergics and incident dementia: a prospective cohort study. JAMA Intern Med 2015; 175: 401–407. 5. Benner JS et al.: Patient-reported reasons for discontinuing overactive bladder medication. BJU Int 2010; 105: 1276–1286.
Quelle: Satellitensymposium Astellas «Navigating the world of OAB: Lightening the load, staying on track». 32. Jahreskongress der European Association of Urology (EAU), 24. bis 28. März 2017 in London.
26 • CongressSelection Urologie • Juni 2017