Transkript
EAU
Option bei schmerzhafter Blase
Urothel per Instillation wieder aufbauen
Chronischer Blasenschmerz bedeutet für die Betroffenen ein ungeheuer belastendes Leiden. Die Instillationstherapie mit Hyaluronsäure und Chondroitinsulfat bietet sich als wirksame, lokale Massnahme an.
EAU-Guideline für chronische Beckenschmerzen
www.rosenfluh.ch/qr/uroweb-guideline-chronicpelvic-pain
«Chronische Schmerzen, Missempfindungen und Druck in der und um die Blase in Verbindung mit Harndrang und erhöhter Miktionsfrequenz können nicht nur zu einer körperlichen Behinderung werden, sondern auch zu Schlafstörungen, Depression, Angst und einem Gefühl von Hilf- und Hoffnungslosigkeit führen», sagt Jane Meijlink, Patientenaktivistin der International Painful Bladder Foundation. Gemäss der Definition der International Society for the Study of Bladder Pain Syndrome (ESSIC), die von der European Association of Urology (EAU) in ihrer Leitlinie zum Beckenschmerz übernommen wurde (1, 2), ist das Bladder Pain Syndrome (BPS) definiert durch chronischen Beckenschmerz über mehr als 6 Monate, Druck oder unangenehme Empfindungen, die als ausgehend von der Harnblase wahrgenommen werden, in Verbindung mit mindestens einem weiteren Symptom wie persistierendem Harndrang oder erhöhter Miktionsfrequenz. Andere Ursachen dieser Beschwerden müssen ausgeschlossen werden.
Klinische Diagnose
Dr. Jonathan Goddard, Urologe aus Leicester, betonte am EAU-Kongress in London die Bedeutung der Anamnese, insbesondere im Hinblick auf die Schmerzsymptomatik. Geben die Betroffenen an, dass es ihnen Schmerzen verursache, auch nur dem geringsten Harndrang zu widerstehen, bestehe ein Verdacht auf ein BPS. Die Betroffenen weisen eine schlechte Lebensqualität auf, haben Selbstmordgedanken (3), einen gestörten Schlaf (4) und meist ein stark beeinträchtigtes Sexualleben (5). Studiendaten zeigen häufige Assoziationen mit nicht urologischen Zustandsbildern wie Fibromyalgie, Reizdarm oder Chronic Fatigue Syndrome (6). Die Diagnose erfolgt klinisch. Eine Zystoskopie kann zum Ausschluss anderer Pathologien erforderlich sein, ermöglicht jedoch keine definitive BPSDiagnose, da die für das BPS typischen Hunner-Ulzera nicht obligatorisch vorhanden sein müssen.
Urothel wiederherstellen
Einen interessanten Angriffspunkt für therapeutische Interventionen bietet die Schicht der Glykosaminoglykane (GAG) im Urothel. Diese besteht aus Glykoproteinen und Proteoglykanen und bildet eine Barriere gegen die Penetration toxischer Substanzen aus dem Harn. Unter den
Glykosaminoglykanen sind Hyaluronsäure und Chondroitinsulfat von besonderer Wichtigkeit für die Funktion der GAG-Schicht. Eine Möglichkeit, die Funktion der GAGSchicht wiederherzustellen, stellt die Instillation einer Kombination von hochkonzentrierter Hyaluronsäure und Chondroitinsulfat dar, moduliert durch den Zusatz von Kalziumchlorid. Laut Prof. Dick Janssen von der Rijksuniversiteit Groningen sind potenzielle Indikationsgebiete Blasenleiden, die mit einer Dysfunktion des Urothels assoziiert sind. Die Datenlage wird besser, ist von optimal allerdings noch weit entfernt. Janssen verweist auf eine Metaanalyse aus dem Jahr 2016, die für die Hyaluronsäure-Chondroitinsulfat-Kombination eine signifikante Schmerzreduktion von 3,2 Punkten auf dem 10-Punkte-VAS-Score (7) ergab. Eine randomisierte, offene Studie, die die Instillationstherapie mit Hyaluronsäure-Chondroitinsulfat-Kombination in der Indikation interstitielle Zystitis/BPS mit Dimethylsulfoxid (DMSO) verglich (8), zeigte nach 6 Monaten in der Per-Protocol-Population in der Verumgruppe eine signifikant bessere Schmerzreduktion als in der DMSO-Gruppe (mittlere VAS-Reduktion 44,77 ± 25,07 vs. 28,89 ± 31,14; p = 0,0186). In einer kleinen Langzeitstudie wurde eine anhaltende Verbesserung der Symptome durch die Hyaluronsäure-Chondroitinsulfat-Kombination gefunden, die über 3 Jahre Follow-up erhalten blieb (9). Die EAU empfiehlt daher mit Stärke B den intravesikalen Einsatz von Hyaluronsäure und Chondroitinsulfat, bevor invasivere Massnahmen ergriffen werden (2).
Reno Barth
Quelle: Satellitensymposium IBSA «Intravesical GAG therapy: Applica-
tion and impact on patient and public health». 32. Jahreskongress der
European Association of Urology (EAU), 24. bis 28. März 2017 in Lon-
don.
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Referenzen: 1. www.essic.eu/pdf/ESSICconsensus2007.pdf 2. uroweb.org/guideline/chronic-pelvic-pain/ 3. Hepner KA et al.: Suicidal ideation among patients with bladder pain syndrome/interstitial cystitis. Urology 2012; 80 (2): 280–285. 4. Troxel WM et al.: Sleep disturbances and nocturnal symptoms: relationships with quality of life in a population-based sample of women with interstitial cystitis/bladder pain syndrome. J Clin Sleep Med 2014; 10 (12): 1331–1337. 5. Gardella B et al.: Interstitial cystitis is associated with vulvodynia and sexual dysfunction – a case-control study. J Sex Med 2011; 8 (6): 1726–1734. 6. Krieger JN et al.: Relationship between chronic nonurological associated somatic syndromes and symptom severity in urological chronic pelvic pain syndromes: baseline evaluation of the MAPP study. J Urol 2015; 193 (4): 1254–1256. 7. Pyo JS, Cho WJ: Systematic Review and Meta-Analysis of Intravesical Hyaluronic Acid and Hyaluronic Acid/Chondroitin Sulfate Instillation for Interstitial Cystitis/Painful Bladder Syndrome. Cell Physiol Biochem 2016; 39 (4): 1618–1625. 8. Cervigni M et al.: A randomized, open-label, multicenter study of the efficacy and safety of intravesical hyaluronic acid and chondroitin sulfate versus dimethyl sulfoxide in women with bladder pain syndrome/interstitial cystitis. Neurourol Urodyn 2016. doi: 10.1002/nau.23091. [Epub ahead of print. 9. Cervigni M et al.: Intravesical hyaluronic acid and chondroitin sulphate for bladder pain syndrome/interstitial cystitis: long-term treatment results. Int Urogynecol J 2012; 23 (9): 1187–1192.
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