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Aller oUpdate
Allergieprävention – ein bisschen was geht
Vitamin-D-Zufuhr kann dazu beitragen, das Risiko für die Allergieentwicklung zu senken
Wie man Kinder vor Allergien bewahren kann, wird schon länger erforscht. Insbesondere hat man die Zufuhr von Vitaminen und Spurenelementen bei Schwangeren und Babys untersucht. Und offenbar bietet ein hoher Vitamin-D-Spiegel einen gewissen Schutz vor Atemwegsproblemen und vor der Entwicklung von Allergien.
Vitamin D ist in aller Munde – oder aber eben doch nicht. Seit Jahren beklagen Mediziner vieler Fachrichtungen, dass die Vitamin-D-Versorgung in Deutschland und der Schweiz zu wünschen übrig lässt. Das betrifft nicht nur die Vitamin-D-Zufuhr im Hinblick auf die Knochendichte und somit auf die Osteoporose, sondern auch auf das Immunsystem. Tatsächlich sei seit einigen Jahren bekannt, dass niedrige Vitamin-D-Spiegel mit einem erhöhten Risiko für eine allergische Sensibilisierung einhergingen, berichtete Professor Dr. med. Gesine Hansen aus Hannover (D) auf dem 7. Allergologie-Update-Seminar in Berlin (1).
Viel Vitamin D – wenig Giemen
Diesen Umstand untersuchten Allergologen näher – unter anderem, indem sie die 25(OH)-Vitamin-D-Spiegel im Nabelschnurblut bei 275 Neugeborenen von Müttern mit Asthma bestimmten. Dabei fanden die Forscher heraus, dass bei niedrigem Vitamin-D-Spiegel das Risiko für belastende Atemwegsprobleme um das 2,7-Fache erhöht war (2). Logische Konsequenz war, zu untersuchen, ob die Vitamin-D3-Gabe während der Schwangerschaft einen Einfluss auf die Atemwegsfunktion hat. Genauer gefragt: Reduziert die Gabe von Vitamin D3 in der Schwangerschaft persistierendes Giemen bei den Kindern? In einer Studie erhielten 623 Schwangere ab der 24. Schwangerschaftswoche bis 1 Woche nach Geburt täglich 2400 IE Vitamin D3 oder 400 IE Vitamin D3 – Letzteres ist die übliche Dosis im Zuge der Schwangerschaftsvorsorge, sie fungierte in der Studie als Kontrolle. Das Follow-up von 581 Kindern erfolgte mindestens bis zum 3. Lebensjahr. Ergebnis: Persistierendes Giemen wurde bei 16 Prozent in der Vitamin-D3-Supplementationsgruppe und bei 20 Prozent in der Kontrollgruppe verzeichnet (3). Offenbar fängt die Allergieprävention schon in utero an. Diesen Nutzen einer hohen Vitamin-D-Zufuhr bestätigte auch eine weitere, ähnlich gestaltete Studie, die Hansen vorstellte. Studienteilnehmerinnen waren 881 Schwangere mit einem hohen Asthmarisiko für ihre Kinder. Die Schwangeren erhielten täglich entweder 4000 IE Vitamin D oder ein Plazebo, alle erhielten zusätzlich ein Multivitaminpräparat mit weiteren 400 IE Vitamin D. In der Vitamin-D-Hochdosis-Gruppe hatten nach 3 Jahren 24 Prozent der Kinder Asthma oder Giemen, in der Kontrollgruppe waren es allerdings 30 Prozent (4).
Sensibilisierung verhindern
Nun ist es erfreulich, dass Vitamin D offenbar das Risiko für Giemen reduziert, doch wie sieht es mit der Sensibilisierung gegen Aeroallergene aus? Schliesslich kann Giemen auch andere Ursachen als ein allergisches Asthma haben. Deshalb untersuchten Allergologen Vitamin D hinsichtlich seiner Fähigkeit, allergische Sensibilisierungen zu vermindern. Dazu wurden 260 Mutter-Kind-Paare untersucht. Die Mütter erhielten ab der 27. Schwangerschaftswoche täglich entweder Plazebo, 1000 IE oder 2000 IE Vitamin D. Die Kinder bekamen nach der Geburt 6 Monate lang Plazebo, 400 IE oder 800 IE. Als Parameter für den Grad der Sensibilisierung gegen Aeroallergen diente die Messung des spezifischen IgE auf Hausstaubmilben bei den Kindern im Alter von 18 Monaten. Zu diesem Zeitpunkt konnten die Wissenschaftler feststellen, dass die Kinder mit der höchsten Vitamin-D-Zufuhr die niedrigsten IgE-Spiegel hatten (5). Hansen: «Die Gabe von Vitamin D während Schwangerschaft und früher Kindheit reduziert offenbar die Sensibilisierung gegen Aeroallergene.» Dass Vitamin D einen Einfluss auf die Allergieentwicklung hat, belegt auch eine weitere Untersuchung, die Hansen zitierte. Darin wurden die Vitamin-D-Spiegel und die Häufigkeit von Allergien bei Kindern bis zu 10 Jahren verglichen. Ergebnis: je höher die Vitamin-D-Spiegel, desto niedriger die Allergieinzidenz (6). Damit sei die Vitamin-D-Supplementierung bei Schwangeren und Kindern der Hoffnungsträger in der Allergieprävention, meint Hansen. In der derzeit gültigen AWMFLeitlinie Allergieprävention von 2014 wird die Vitamin-D-Zufuhr wegen der mangelnden Datenlage noch nicht allgemein empfohlen. Doch, so Hansen, ebendiese Datenlage habe sich nun gewaltig verbessert. Daher gehört ihrer Ansicht nach Vitamin D zur Allergieprävention dazu und sollte in die nächste Auflage der Leitlinie aufgenommen werden.
Angelika Ramm-Fischer
8 • CongressSelection Allergologie • Mai 2017
Referenzen: 1. Sharief S et al.: Vitamin D levels and food and environmental allergies in the United States: results from the National Health and Nutrition Examination Survey 2005-2006. Journal of Allergy an d Clin Immunol 2011, 127(5): 1195–1202. 2. Baiz N et al.: Cord serum 25-hydroxyvitamin D and risk of early childhood transient wheezing and atopic dermatitis JAllergy and Clin Immunol 2014; 133(1): 147–153. 3. Chawes BL et al.: Effect of Vitamin D3 Supplementation During Pregnancy on Risk of Persistent Wheeze in the Offspring: A Randomized Clinical Trial. JAMA 2016; 315(4): 353–361. 4. Litonjua AA et al.: Effect of Prenatal Supplementation With Vitamin D on Asthma or Recurrent Wheezing in Offspring by Age 3 Years: The VDAART Randomized Clinical Trial. JAMA 2016; 315(4): 362–370. 5. Grant CC et al.: Vitamin D supplementation during pregnancy and infancy reduces aeroallergen sensitization: a randomized controlled trial. Allergy 2016; 71(9): 1325–1334. 6. Hollmans E et al.: Vitamin D over the first decade and susceptibility to childhood allergy and asthma, Journal of Allergy an d Clin Immunol 2017; 139(2): 472–481.
Quelle: Vortrag von Dr. Gesine Hansen «Atopieprävention im Säuglingsund Kindesalter» beim 7. Allergologie-Update-Seminar, 10.–11. Februar 2017 in Berlin.
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