Transkript
Cardiolo y Update
Massnahmen beim Nicht-ST-Hebungsinfarkt
Sieben Empfehlungen der European Society of Cardiology ESC
Foto: zVg
In der ESC-Guideline zum Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) gibt es sieben Neuerungen. Die erste betrifft die Unterscheidung einer instabilen Angina pectoris von einem NSTEMI. Als Zweites gibt es Tipps zur Troponinmessung. Die dritte Empfehlung betrifft die Rhythmuskontrolle und die Plättchenaggregationshemmung wird in der vierten Empfehlung beleuchtet. Ratschläge zur Antikoagulation, Zeitdauer bis zur Revaskularisation und der Langzeitbehandlung von Risikofaktoren folgen in den letzten drei. Am Cardiology Update wurden sie den Teilnehmern ans Herz gelegt.
Christian Müller
Kommt ein Patient mit Brustschmerzen in den Notfall, muss als Erstes die Dringlichkeit festgestellt werden. Dazu gehört die sattelfeste Abgrenzung zu einer instabilen Angina pectoris. Beim Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) bestehen im Unterschied zur instabilen A. pectoris eine akute Nekrose der Herzmuskelzellen sowie ein grosses Risiko für Arrhythmien. Das bedeutet, dass eine intensivierte Plättchenhemmung und eine frühzeitige Revaskularisation mehr Nutzen bringt als bei der A. pectoris, wie Prof. Dr. Christian Müller, Cardiovascular Research Institute, Universitätsspital Basel, am Cardiology Update in Davos, betont.
Diagnose schnell und treffsicher
Das zweite Gebot betrifft die Diagnose. Ein Patient mit Brustschmerzen muss auf der Notfallstation sofort abgeklärt werden, ob diese benigner Art (muskuloskelettal, Pleuritis, Angst, Perikarditis, Gastritis, Reflux) oder lebensbedrohlich (Herzinfarkt, Aortendissektion, Lungenembolie) sind. Im letzteren Fall muss eine unverzügliche
HANDLUNGSABLAUF BEI NSTEMI-VERDACHT
Symptombeginn
erster medizinischer Kontakt © NSTE-ACS-Diagnose
PCI-Zentrum
Notfallstation oder Nicht-PCI-Zentrum
Revaskularistation folgen. Bei jedem Patienten besteht die Diagnosestellung und Risikostratifizierung aus drei Schritten: Klinik, EKG und Troponinmessung. Je höher die Troponinkonzentration ist, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit für einen akuten Herzinfarkt. Und umgekehrt: je tiefer die Troponinkonzentration, desto tiefer auch die Wahrscheinlichkeit für eine kardiale Ursache. Es kommt aber sehr darauf an, womit man das Troponin misst. «Mit Point-of-care-Messgeräten kann man bei noch tiefen Konzentrationen in den ersten 6 Stunden einen Infarkt schon mal verpassen», mahnt Müller. Um einen akuten Myokardinfarkt frühzeitig diagnostizieren zu können, empfiehlt die ESC in ihren Guidelines als Klasse-I-Empfehlung, von Beginn weg sowie 1 Stunde später die High-sensitive-Troponinmessung (hs-cTN) durchzuführen. Das hat den Vorteil, einen Infarkt schneller ausschliessen zu können, falls kein Anstieg sichtbar ist. Es spart Ressourcen und ist ausserdem auch für den Patienten angenehmer. «Momentan sind zwei hs-cTNMethoden auf dem Markt erhältlich, die die strikten kli-
nisch-chemischen Kriterien für high-sensitive auch wirklich erfüllen, das sind jene der Firmen Roche (Elecsys®) und Abbott (ARCHITEKT®)», so der Tipp des Basler Experten.
Rhythmuskontrolle bis zur Sicherheit
Als drittes Gebot hat die ESC die kontinuierliche Rhythmuskontrolle als Klasse-1C-Empfehlung aufgenommen. Dies solange, bis die Diagnose NSTEMI entweder bestätigt oder ausgeschlossen ist.
Risikostratifizierung
sehr hoch
unmittelbaren Transfer zum PCI-Zentrum
hoch
Transfer am gleichen Tag
mittel tief
Transfer
mittel
Transfer optional tief
sehr hoch hoch
unverzüglich invasiv (< 2 h) invasiv (< 72 h) nicht invasiv testen, was funktioniert frühzeitig invasiv (< 24 h) (modifiziert nach [1]) Plättchenhemmung doppelt fahren An vierter Stelle folgt die Plättchenaggregationshemmung: Acetylsalicyläure (ASS) als Anfangsdosis 150 bis 300 mg bei ASS-naiven Patienten ohne Kontraindikationen. Die Langzeiterhaltungsdosis beträgt dann 75 bis 100 mg/Tag (Klasse-1A-Empfehlung). Neu ebenfalls als Klasse-1A-Empfehlung gilt es, für 12 Monate einen P2Y12-Hemmer mit der ASS zu kombinieren, sofern keine Kontraindikationen oder grössere Risiken für Blutungen bestehen. Ticagrelor (180 mg Anfangs-, 2 × 90 mg Erhaltungsdosis) soll dazu bei allen Patienten mit mittlerem Therapeutische Strategie 8 • CongressSelection Kardiologie • Mai 2017 Cardiolo y Update bis hohem Risiko für ischämische Ereignisse (z.B. bei erhöhtem Troponin) verwendet werden (Klasse-1A-Empfehlung). Wie lange antikoagulieren? Die fünfte Empfehlung betrifft die Dauer der Antikoagulation. Sie richtet sich nach dem Eingriff und dem Blutungsrisiko. Patienten mit Bypass oder medikamentöser Behandlung erhalten 1 Jahr lang eine Zweifachtherapie mit oralen Antikoagulanzien (VKA oder NOAC), Clopidogrel oder ASS. Patienten nach perkutaner Intervention erhalten zu Beginn der Jahresbehandlung eine Dreifachtherapie. Die Dauer richtet sich nach dem Blutungsrisiko. Bei hohem Blutungsrisiko ist die Dreifachtherapie für 4 Wochen, bei tiefem Blutungsrisiko für 6 Monate empfohlen. Danach wird bis zum Ablauf des 1. Jahres eine Zweifachtherapie fortgesetzt. Nach diesem 1. Jahr empfiehlt sich eine lebenslange Monotherapie mit einem oralen Antikoagulans. Wie viel Zeit bis zur PCI? Patienten mit einem sehr hohen Risiko für einen NSTEMI sollten im Zeitraum von weniger als 2 Stunden einer perkutanen Intervention (PCI) unterzogen werden können, so die sechste Empfehlung. Das sind Patienten mit hämodynamischer Instabilität, Arrhythmien oder mit Brustschmerzen trotz Medikation, wie Müller ausführt. Patienten mit hohem Risiko, das heisst typische NSTEMI- Patienten, gehören innerhalb von 24 Stunden ins Katheterlabor und solche mit mittlerem Risiko, also die typischen Patienten mit instabiler A. pectoris, im Zeitraum von 72 Stunden (Abbildung). Risikofaktoren aggressiv behandeln Ein grosses Gewicht legen die Guidelines als siebte und letzte Empfehlung auf das Management der Langzeitrisikofaktoren. «Wir heilen Patienten mit akutem Koronarsyndrom im Spital nicht. Deshalb muss der nachbehandelnde Hausarzt sicherstellen, dass die Risikofaktoren unter Kontrolle bleiben.» Neu, als Klasse-2A-Empfehlung, soll Ezetimib bei Patienten verabreicht werden, deren LDL-Werte trotz Ernährungsanpassung und hoch dosierten Statinen nicht zu bändigen sind, so Müller abschliessend. Valérie Herzog Referenzen: 1. Roffi M et al.: 2015 ESC Guidelines for the management of acute coronary syndromes in patients presenting without persistent ST-segment elevation: Task Force for the Management of Acute Coronary Syndromes in Patients Presenting without Persistent ST-Segment Elevation of the European Society of Cardiology (ESC). Eur Heart J 2016; 37: 267–315. Quelle: «New Guidelines on NSTEMI.» Cardiology Update, 11. bis 15. Februar 2017 in Davos. ESC-Guideline zum NSTEMI www.rosenfluh.ch/qr/nstemi Einen Artikel zur Berechnung des individuellen Risikos unter dualer Plättchenhemmung (DAPT) finden Sie auf Seite 28.