Transkript
EADV
Der Hitzerezeptor kann mit Capsaicin inhibiert werden, der Kühlrezeptor wird mit Menthol, Kampfer oder Kombinationspräparaten mit einem Mentholderivat angesprochen. Als zielgerichtete Therapien sind bei atopischer Dermatitis derzeit noch weitere Ansätze in der Entwicklung – so zum Beispiel verschiedene PDE-4-Hemmer sowie Antikörper gegen den IL-4-Rezeptor und auch gegen IL-31. Ständer betonte, dass man bei all diesen Therapeutika das klinische Ansprechen der Patienten genau im Blick haben solle.
Martina Freyer
Referenzen: 1. Ständer S al.: S2k-Leitlinie – Chronischer Pruritus. J Dtsch Dermatol Ges. 2012; 10: S1–S27. doi:10.1111/j.1610-0387.2012.08005.
Quelle: Session «Pain and itch management» beim 25. Kongress der European Academy of Dermatology and Venereology (EADV), 30. September 2016 in Wien.
Update zu chronischer Urtikaria
Antihistaminika bleiben erste Stufe im Therapiemanagement
Die Lebenszeitprävalenz für Urtikaria liegt bei nahezu 20 Prozent, womit die Erkrankung sehr häufig ist. Urtikaria verursacht nicht nur eine Einschränkung der Lebensqualität, sondern beeinflusst auch die Leistungsfähigkeit bei der Arbeit beziehungsweise in der Schule.
Das Spektrum der klinischen Manifestationen der ver-
schiedenen Urtikariaerkrankungen ist sehr breit. Zusätz-
lich können bei einem Patienten zwei oder mehr Urtika-
riaunterformen gleichzeitig vorliegen.
Die Urtikaria kommt in zwei Verlaufsformen – akut und
chronisch – vor, die chronische Urtikaria wird weiter in
spontan und induziert unterteilt. Als chronisch wird die
Urtikaria bezeichnet, wenn die Symptome länger als 6 Wo-
chen anhalten. Etwa zwei Drittel der Erkrankungen gehö-
ren zu der akuten Urtikaria, deren Sym-
ptome in der Regel 1 bis 2 Wochen lang
Kasten:
andauern. Für das Entstehen der chro-
HISTAMINFREIE DIÄT
nisch induzierten Urtikaria sind bestimmte auslösende Reize, wie beispiels-
• Strengstens verboten sind alle Lebens- weise Kälte oder Druck, verantwortlich.
mittel, die Zusätze wie Konservierungs- Die Subtypen der chronischen Urtikaria
stoffe, Farbstoffe oder Antioxidanzien werden wie folgt klassifiziert (1):
enthalten. Industriell verarbeitete Le- • Chronisch spontane Urtikaria: Sie zeich-
bensmittel sollten sorgfältig auf mögli- net sich durch spontanes Auftreten von
che Lebensmittelzusatzstoffe geprüft Quaddeln, Angioödemen oder beidem
werden.
aus. Die Symptome bestehen 6 Wochen
• Generell verboten sind geräucherte, oder länger und haben bekannte oder
gehärtete, marinierte und wieder auf- unbekannte Ursachen.
gewärmte Lebensmittel.
• Chronische induzierte Urtikaria: Hierzu
• Zu empfehlen ist die Zubereitung von zählen die folgenden Formen: Kälteurti-
frischen Lebensmitteln.
karia, (verzögerte) Druckurtikaria, solare
Urtikaria, Hitzeurtikaria, Vibrationsan-
gioödem, cholinerge Urtikaria, Kontakturtikaria und aquagene Urtikaria. In allen Fällen können die Quaddeln von extremem Juckreiz begleitet sein, was für die Betroffenen sehr belastend ist. In einigen Fällen treten die Quaddeln gemeinsam mit Angioödemen auf. Am häufigsten sind sie im Bereich von Augen und Mund zu finden.
Multifaktorielle Pathogenese
Die Pathogenese der chronischen spontanen Urtikaria ist multifaktoriell. Als Ursachen werden exogene und endogene Faktoren gesehen, so Dr. med. Tabi Anika Leslie aus London (GB): • Zu den endogenen Ursachen gehören Infektionen, Binde-
gewebsstörungen, Hyperthyreose, Diabetes, Schwangerschaften, intestinale Parasiten und Malignome. • Zu den exogenen Ursachen zählt man Medikamente (topisch und systemisch), Lebensmittel und Lebensmittelzusatzstoffe, Bissverletzungen, Inhalationsmittel, Pollen, Insektengifte und Hautschuppen von Tieren. Da die chronische Urtikaria mit pseudoallergischen Reaktionen auf Nahrungsmittelinhaltsstoffe in Verbindung gebracht wird, empfiehlt Leslie eine entsprechende histaminfreie Diät (low-pseudoallergen, siehe Kasten). Zu beachten ist hierbei, dass eine pseudoallergische Reaktion sowohl durch Zusatzstoffe als auch durch natürliche Nahrungsmittelinhaltsstoffe ausgelöst werden kann. Ein
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veränderter Histaminmetabolismus kann hierbei eine Rolle spielen.
Diagnostik bei der chronisch spontanen Urtikaria
Die Diagnose der spontan auftretenden Urtikaria sollte in zwei Schritten durchgeführt werden: • Routinediagnostik: Zur Routinediagnostik gehören der
Ausschluss einer schweren Grunderkrankung bei allen Patienten sowie die Auswertung wichtiger Parameter wie der Blutsenkung (ESR) und des C-reaktiven Proteins (CRP). Sofern eine Therapie mit nicht steroidalen Entzündungshemmern (NSAID) durchgeführt wird, sollte diese beendet werden. • Weitere Diagnostik: Zunächst gilt es, auf Grundlage der Patientengeschichte die Ursachen der Erkrankung zu behandeln. Es sollte geprüft werden, ob Autoimmunreaktionen, Intoleranzen oder Infektionen vorliegen.
Diagnostik bei der chronisch induzierten Urtikaria
Bei der chronisch induzierten Urtikaria ist die Diagnose im Allgemeinen auf die Bestimmung der Triggerschwelle begrenzt (1). Für die Beurteilung der Urtikaria schlug Leslie vor, sich an der Aktivität der Erkrankung, der Lebensqualität des Patienten und den Ergebnissen unterschiedlicher Kontrolltests zu orientieren.
Therapiemanagement der chronischen Urtikaria
Die aktuellen Leitlinien geben für die Behandlung von Erwachsenen und Kindern, die unter Urtikaria leiden, ein Therapiemanagement vor, bei dem moderne Antihistaminika der zweiten Generation an erster Stelle stehen (Abbildung). Wenn damit keine Kontrolle der Erkrankung gelingt, kann in einem zweiten Schritt die Dosis dieser Antihistaminika bis zum Vierfachen erhöht werden. Als dritte Therapiestufe wird die zusätzliche Gabe weiterer antiinflammatorisch wirksamer Substanzen vorgeschlagen. Hier wurden in den letzten Jahren vor allem für den AntiIgE-Antikörper Omalizumab sehr gute Studienergebnisse vorgestellt. So empfehlen die Leitlinien, Omalizumab als Zusatztherapie bei der Behandlung einer schweren, chronisch spontanen Urtikaria einzusetzen. Als Kriterium für diese zusätzliche Therapieoption bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 12 Jahren gilt zunächst die Schwere der Erkrankung, die objektiv beurteilt wird (z.B. UAS7 ≥ 28 – Urticaria Activity Score). Als weiteres Kriterium gilt, wenn eine Standardbehandlung mit H1-Antihistaminika und Leukotrienantagonisten bis zu diesem Zeitpunkt wirkungslos blieb beziehungsweise die Patienten trotz dieser Therapien weiterhin symptombelastet sind. Mit Omalizumab als Zusatztherapie kann Patienten effektiv geholfen werden, die nicht ausreichend auf die Standardbehandlung ansprechen. Beendet werden sollte die Therapie mit Omalizumab dann, wenn spätestens bei der 4. Dosis keine Linderung eintritt (UAS7 ≥ 16). Sonst ist die Therapie – laut Leitlinie – nach der 6. Dosis einzustellen. Wiederholt werden sollte die Zusatztherapie mit Omalizumab nur dann, wenn es die Schwere der Erkrankung wieder erfordert (UAS7 ≥ 16). In einer Übersichtsarbeit wurde die Wirksamkeit von unterschiedlichen H1-Antihistaminika gegenüber Plazebo bei der Therapie der chronisch spontanen Urtikaria überprüft (2). Dafür wurden die Ergebnisse mehrerer Studien sowie Einzelfallberichte analysiert. Die Ergebnisse zeigten, dass bei Standarddosierungen die verschiedenen
Abbildung:
EMPFEHLUNG ZUR STUFENTHERAPIE BEI URTIKARIA
Stufe 1: Moderne Antihistaminika der 2. Generation
Wenn die Symptome länger als 2 Wochen anhalten
Stufe 2: Erhöhung der Dosierung bis zum 4-Fachen der modernen Antihistaminika der 2. Generation
Wenn die Symptome nach weiteren 1 bis 4 Wochen anhalten
Stufe 3: Ergänzend zur Stufe 2: Omalizumab oder
Ciclosporin oder Montelukast Kurztherapie (max. 10 Tage): Kortikosteroide können zu jeder Zeit bei einem Symptomschub
eingesetzt werden
Quelle: EAACI/GA2LEN/EDF/WAO-Leitlinie (1).
geprüften Antihistaminika wirksam sind. Kein einziges H1-Antihistaminikum zeichnete sich gegenüber Konkurrenzpräparaten als effektiver aus. Cetirizin (10 mg) erwies sich bei täglicher Einmalgabe als wirksam in Bezug auf die vollständige Unterdrückung der Urtikaria. Desloratadin zeigte seine Wirkung bei der Gabe von 5 mg einmal täglich. Kurzfristig wurde es auch in der Dosierung von 20 mg gegeben. Levocetirizin zeigte in der Dosierung von 5 mg eine vollständige Suppression der Urtikaria; auch in der kurzfristig gegebenen 20-mg-Dosierung war es wirksam. 10 mg reichten hingegen kurzfristig nicht aus. Hinsichtlich der Verbesserung der Lebensqualität fand diese Übersichtsarbeit allerdings keinen hinreichenden Unterschied gegenüber Plazebo. Eine Therapie mit H1-Antihistaminika der neuen Generation sei aber stets einer Therapie mit H1-Antihistaminika der ersten Generation vorzuziehen, so schloss Leslie.
Christina Thonack
Referenzen: 1. Zuberbier T et al.: The EAACI/GA2LEN/EDF/WAO Guideline for the definition, classification, diagnosis, and management of urticaria: the 2013 revision and update. Allergy 2014; 69 (7): 868–887. 2. Sharma M et al.: H1-antihistamines for chronic spontaneous urticaria; Cochrane Database of Systematic Reviews: Issue 11 of 12, November 2016, DOI: 10.1002/14651858.CD006137.pub2
Quelle: Session D1T11.4 «Allergy, drug reaction and urticarial» beim 25. Jahreskongress der European Academy of Dermatology and Venereology (EADV), 29. September 2016 in Wien.
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