Transkript
EADV
Tight junctions und die Hautbarriere
Stabil beim Zellwachstum – gestört bei entzündlichen Prozessen
Störungen in der Hautbarriere gelten als ein wichtiger Faktor in der Pathogenese der atopischen Dermatitis. Tight junctions spielen hier, unabhängig von Filaggrinen, eine wesentliche Rolle für die intakte Hautbarriere.
Quelle: Keynote Plenary Session «Skin barrier homeostasis and its failure in atopic dermatitis» beim 25. Kongress der European Academy of Dermatology and Venereology (EADV), 1. Oktober 2016 in Wien.
Die Barrierefunktion der Haut schützt vor dem Eindringen von UV-Strahlung, Schadstoffen, Allergenen, Mikroorganismen, Parasiten oder Verletzungen. In der Epidermis sind die wichtigsten Faktoren das Stratum corneum und die darunterliegende Schicht der Tight junctions, die im Stratum granulosum eine zweite Barriere bilden. Prof. Masayuki Amagai aus Tokio (J) zeigte mit verschiedenen Bildgebungsverfahren, wie sich Tight junctions in der Haut beim kontinuierlichen Wachstum von Hautzellen und auch nach Stimulation durch Aussenreize verändern. Über die Anfärbung mit verschiedenen spezifischen Antikörpern gegen TJ-Proteine wie ZO-1 oder Claudin-1 sind die Tight junctions in der Immunfluoreszenz beim Blick auf die Haut als eine Art Honigwabenstruktur erkennbar: Die Membranproteine der Tight junctions umgeben Epithelzellen und schliessen den Zwischenzellraum (1).
Abbildung: Schematische Darstellung der Tight junctions
Tight junctions bleiben beim Zellwachstum intakt
Die Stabilität der Hautbarriere beruht auf der engen Interaktion von Tight junctions und Stratum corneum. Eine der spannenden Fragen ist hier, wie diese Interaktionen stabil bleiben, wenn ständig neue Zellen gebildet werden und von der Epidermis nach oben in Richtung Stratum corneum abgegeben werden. In einem Zeitrafferfilm konnte Amagai hier an intakten Hautzellen in vivo zeigen, wie sich die sechseckigen Wabenstrukturen der Tight junctions jeweils verdoppeln, sodass aus der Wabenstruktur in der Seitenansicht zwei Sechsecke aufeinander eine polyedrische Struktur mit 14 Seitenflächen bilden
– zwei Zellen aufeinander, neu und alt. Die Schicht der Tight junctions bleibt dabei immer erhalten, wenn einzelne der Sechsecke an verschiedenen Stellen abwechselnd neu auftauchen, wenn also neue Zellen gebildet und als immunfluoreszenzgefärbte 14-Eder nach oben abgegeben werden. Durch die alternierende Neubildung bleibt die Schicht der Tight junctions komplett intakt (2).
Entzündungsprozesse stören Hautbarriere – nicht der Filaggrinmangel allein
Bei Patienten mit atopischer Dermatitis beobachtet man Veränderungen in der Hautbarriere, zum Beispiel einen Mangel an Filaggrin im Stratum corneum. Um herauszufinden, wie sich Entzündungsprozesse und Filaggrinmangel auf die Funktionalität der Tight Junctions auswirken, untersuchte die Arbeitsgruppe um Amagai die Architektur der Tight junctions bei Mäusen, die kein Filaggrin bilden können: In diesen speziell gezüchteten Filaggrin-Knock-out-Mäusen konnten die Forscher die spezifische Honigwabenstruktur der Tight junctions beobachten. Die TJ-Proteine wurden synthetisiert, es waren keine Veränderungen in der Hautbarriere sichtbar. Wenn man bei solchen Mäusen durch Kontakt mit einem Hapten eine Dermatitis erzeugt hatte, war die Synthese der TJ-Proteine jedoch vermindert. Filaggrinmangel alleine stört die Hautbarrierefunktion hier weniger, die Entzündungsprozesse tun dies jedoch deutlich.
Langerhans-Zellen und Tight junctions arbeiten eng zusammen
In der Haut bilden intradermale dendritische Zellen die Immunbarriere, man findet diese Zellen in Ruhe direkt unter den Tight junctions. Wie empfindlich Zellen des Immunsystems, zum Beispiel die Langerhans-Zellen, auf Reize reagieren, zeigt ein einfaches Experiment, mit dem die Forscher diese Zellen stimulieren konnten: Sie applizierten einen simplen Klebestreifen auf die Haut, zogen ihn ab und wiederholten diesen Reiz. Dieser doppelte Klebestimulus reichte aus, um die Langerhans-Zellen zu aktivieren: Die dendritischen Zellen bilden Ausläufer und kollaborieren mit den Tight Junctions. Diese Ausläufer der Zellen ragen an einigen Stellen auch über die Schicht der Tight junctions hinaus und können dort externe Antigene aufnehmen, ohne die Hautbarriere zu zerstören. Beim zweiten Zelltyp, den man bei atopischer Dermatitis in der Haut findet, bei den inflammatorischen dendritischen epidermalen Zellen (IDEC), beobachtet man keine solchen Ausläufer hin zu Tight junctions.
Martina Freyer
20 • CongressSelection Dermatologie • Januar 2017
Quelle: Mariana Ruiz/wikimedia commons
Referenzen: 1. Kubo A et al.: Epidermal barrier dysfunction and cutaneous sensitization in atopic diseases. J Clin Invest 2012; 122 (2): 440–447. www.jci.org/articles/view/57416/sd/1. 2. Yokouchi M et al.: Epidermal tight junction barrier function is altered by skin inflammation, but not by filaggrin-deficient stratum corneum. J Dermatol Sci 2015; 77 (1): 28–36.
EADV
CongressSelection Dermatologie • Januar 2017 • 21