Transkript
EADV
Neues zur Pathogenese der Psoriasis
Auswirkungen auf Therapie und paradoxe Reaktionen
Die Psoriasis ist eine durch T-Zellen vermittelte und durch Zytokine angetriebene, entzündliche Autoimmunkrankheit. Bisher konnten drei unterschiedliche Entzündungspfade charakterisiert werden, die für verschiedene klinische Psoriasisformen verantwortlich sind. Über aktuelle Konzepte der Psoriasispathogenese sprach Prof. Michel Gilliet aus Lausanne.
Bei der chronischen Plaquepsoriasis spielen das Masterzytokin TNF-α und die Zytokine IL-23 und IL-17 die wichtigsten Rollen. Aktivierte dendritische Zellen produzieren in der Haut TNF-α und IL-23. Dadurch werden autoimmune Th17- und Tc-17-Zellen aktiviert. Sobald diese in die Epidermis migriert sind, erkennen sie ein von Keratinozyten exprimiertes Autoantigen und beginnen, IL-17 zu produzieren. So kommt es zur Hyperproliferation von Keratinozyten und zur Produktion von antimikrobiellen Peptiden sowie von Chemokinen, die den Entzündungsprozess unterhalten. Entsprechend eignen sich zur Behandlung der moderaten bis schweren Plaquepsoriasis: TNF-Blocker, der IL-12/IL-23-Inhibitor Ustekinumab, IL-17A-Inhibitoren (Secukinumab, bald auch Ixekizumab), in Zukunft zudem der IL-17-Rezeptorhemmer Brodalumab und IL-23-Inhibitoren wie Guselkumab und Tildrakizumab.
Akute Psoriasisformen und der Interferon-α-Entzündungspfad
Typ-I-Interferon (IFN-α), das von plasmazytoiden dendritischen Zellen (pDC) produziert wird, treibt auf einem anderen Entzündungspfad die frühe Psoriasispathogenese, bevor sich eine chronische Plaquepsoriasis ausbildet, und akute Psoriasisformen an. Nachweisbar ist die Überexpression von IFN-α zum Beispiel bei erythrodermischer Psoriasis (akut), bei Psoriasis guttata (Übergangsform von akut zu chronisch) oder in den geröteten
Rändern einer instabilen, sich ausbreitenden Psoriasisplaque. Die Funktion der pDC und der IFN-α-Entzündungspfad können durch topische Steroide und VitaminD-Analoga, durch UV-Fototherapie und Ciclosporin gehemmt werden. Für akute Psoriasisformen und für Lupus erythematodes (eine ebenfalls durch IFN-α angetriebene Erkrankung) werden derzeit spezifische Hemmstoffe des IFN-Pfades entwickelt (z.B. Sifalimumab, Anifrolumab).
Paradoxe Hautreaktionen
Paradoxe Hautreaktionen («paradoxe Psoriasis») treten während der Behandlung mit Anti-TNF-Biologika bei bis zu 5 Prozent der Patienten auf. Anti-TNF-Medikamente blockieren die Reifung von pDC und bewirken eine verlängerte IFN-α-Produktion, die stark hochreguliert wird und entsprechende Entzündungsreaktionen auslöst. Es wird angenommen, dass normalerweise ein Gleichgewicht zwischen TNF-α und IFN-α besteht. Anti-TNF-Therapien können dieses Gleichgewicht stören und dadurch eine von IFN-α angetriebene Entzündung auslösen. Wenn diese typische Nebenwirkung moderat oder schwer ausgeprägt ist, sollen Anti-TNF-Medikamente abgesetzt und die paradoxen, psoriasisähnlichen Läsionen mit topischen Steroiden behandelt werden. Statt danach wieder zu einer Anti-TNFBehandlung zurückzukehren, gilt es, eine alternative Therapie für die Grundkrankheit zu wählen (bei Psoriasis z.B. Ustekinumab oder Secukinumab).
IL-36/IL-1-Entzündungspfad bei pustulöser Psoriasis
Pustulöse Psoriasisformen (z.B. palmoplantare pustulöse Psoriasis, generalisierte pustulöse Psoriasis, Acrodermatitis continua Hallopeau) werden durch einen dritten Entzündungspfad angetrieben, bei dem die vermehrte Produktion von IL-36 und IL-1 im Vordergrund steht. Pustulöse Psoriasisformen sprechen in der Regel nicht auf Anti-TNF-Medikamente, aber oft auf den IL-1-Rezeptorantagonisten Anakinra an.
Alfred Lienhard
Abbildung: Palmoplantare pustulöse Psoriasis
Quelle: «Pathogenesis: Insights into treatment decisions and paradoxic reactions», Vortrag von Michel Gilliet im Rahmen der Review and Updates «Psoriasis» (D1T02.3), beim 25. Jahreskongress der European Academy of Dermatology and Venereology (EADV), 29. September 2016 in Wien.
2 • CongressSelection Dermatologie • Januar 2017
Foto: Dr. Marguerite Krasovec Rahmann