Transkript
EADV
Neue Therapieoptionen bei atopischer Dermatitis
Updates zu Anti-IL-4/IL-13 und topischer PDE-4-Hemmung
Eine Fülle neuer Studien zu Behandlungsmöglichkeiten bei atopischer Dermatitis lieferten beim EADV-Kongress 2016 spannende Ergebnisse. Besonders Dupilumab, das erste Biologikum, das in diesem Indikationsgebiet die Phase III erfolgreich gemeistert hat, gilt als neuer Hoffnungsträger für mittelschwere und schwere Fälle. Für leichte bis mittlere Fälle wird wohl das Topikum Crisaborol eine wichtige Option werden.
Die atopische Dermatitis (AD, Neurodermitis) ist eine chronisch rezidivierende Erkrankung, die grosse Areale der Haut der Erkrankten betreffen kann. Es kommt zu einem derart starken Pruritus, dass dadurch oft Schlafstörungen, Ängste und sogar Depressionen entstehen. Dies alles schränkt die Lebensqualität der Betroffenen erheblich ein. Grundlage der atopischen Dermatitis ist eine verstärkte Immunantwort, an der Th2-Helferzellen massgeblich beteiligt sind. Ausserdem spielen eine gestörte Hautbarriere und eine vermehrte Kolonisierung der Haut mit Staphylococcus aureus eine Rolle. Wie Prof. Emma Guttman aus New York (USA) in einem Interview betonte, besteht ohne Zweifel ein dringender Bedarf an wirksamen und langzeittauglichen Therapeutika, besonders für Patienten mit moderater bis schwerer atopischer Dermatitis. «Derzeit ist die atopische Dermatitis die häufigste entzündliche Hauterkrankung, die 3 bis 7 Prozent der kaukasischen Bevölkerung betrifft. Bei den Asiaten sind es sogar 15 bis 25 Prozent», sagte Guttman.
Dupilumab – das erste Phase-III-Biologikum bei AD
Bei der moderaten bis schweren atopischen Dermatitis sind topische Therapien meist wenig erfolgreich, und die derzeit eingesetzten systemischen Immunsuppressiva wie zum Beispiel Kortikosteroide und Ciclosporin sind in der Dauertherapie problematisch. Dr. Eric L. Simpson aus Portland (USA) stellte nun aktuell die Studien SOLO 1 und 2 zur Wirkung von Dupilumab bei der Therapie der AD innerhalb der «Late breaker»-Sitzung vor (1, 2). Dupilumab ist ein vollständig humanisierter, monoklonaler Antikörper, der gegen eine gemeinsame Untereinheit der Rezeptoren für Interleukin (IL-)4 und IL-13 gerichtet ist. Dadurch ist er in der Lage, diese beiden Zytokine zu blockieren, von denen man annimmt, dass sie eine Schlüsselrolle in der Pathogenese der atopischen Dermatitis (AD) spielen. Simpson und sein Team sind mit den Studien SOLO 1 und 2 die ersten, die ein Biologikum zur Behandlung der AD innerhalb einer Phase-III-Studie getestet haben. Als Resultat zeigte Dupilumab im Vergleich zu Plazebo eine signifikante Verbesserung der Symptome von atopischer Dermatitis sowohl im Investigator’s Global Assessment (IGA) als auch im «Eczema area and severity»-Index EASI-75. «Das duale Abzielen auf IL-4 und IL-13 stellt somit eine therapeutische Option für Patienten mit moderater bis schwerer atopischer Dermatitis dar», erklärte Simpson.
Patienten (%) Patienten (%)
IGA UND EASI 75 IN DEN STUDIEN SOLO 1 UND 2
IGA = 0 oder 1 und Reduktion ≥ 2 Punkte gegenüber Ausgangsbefund in Woche 16
EASI-75 in Woche 16
80 *p < 0,0001 vs. Plazebo 70 80 *p < 0,0001 vs. Plazebo 70 60 50 40 * * 37,9 37,2 30 ** 36,1 36,4 60 50 40 30 ** 51,3 52,5 ** * * 48,1 44,2 ** 20 20 10 10,3 8,5 10 14,7 0 SOLO 1 SOLO 2 0 SOLO 1 wöchentliche Plazebogabe Dupilumab 300 mg alle 2 Wochen 11,9 SOLO 2 Dupilumab 300 mg wöchentlich SOLO 1 und 2 sind identisch designte randomisierte Doppelblindstudien zur Beurteilung der Wirksamkeit und Sicherheit von Dupilumab. Die internationalen Multizenterstudien testeten dazu den Wirkstoff in einer subkutan verabreichten Dosierung von 300 mg pro Woche oder alle 2 Wochen gegen Plazebo bei Patienten aus Nordamerika, Europa und Asien. Eingeschlossen wurden 671 beziehungsweise 708 Erwachsene mit atopischer Dermatitis, die im Median 50 Prozent der Körperoberfläche betraf und nicht erfolgreich mit topischer Therapie behandelt werden konnte. Nach 12 Therapiewochen erreichten innerhalb der SOLO1-Studie 37,9 Prozent der Patienten (wöchentliche Gabe) beziehungsweise 37,2 Prozent (14-tägige Gabe) eine vollständige oder fast vollständige Abheilung der Hautläsionen (entsprechend IGA 0 oder 1) sowie eine Reduktion des 5-stufigen IGA-Scores um mindestens 2 Punkte (Abbildung). In der Plazebogruppe traf dies nur auf 10,3 Prozent zu. Ähnlich positiv fielen die gegenüber Plazebo signifikanten Ergebnisse (p < 0,0001) in SOLO 2 aus. In SOLO 1 gelang es zudem, bei 51,3 Prozent der Patienten mit wöchentlicher und bei 52,5 Prozent mit 2-wöchentlicher Dupilumabdosis eine mindestens 75-prozentige Verbesserung im EASI zu erreichen; in der Plazebogruppe waren dies nur 14,7 Prozent. Die entsprechenden Quelle: Simpson EL et al. (1, 2) CongressSelection Dermatologie • Januar 2017 • 25 EADV Ergebnisse von SOLO 2 lagen bei 44,2 und 48,1 Prozent in den Verumgruppen gegenüber 11,9 Prozent mit Plazebo (alle Ergebnisse p < 0,0001). SOLO 1 verzeichnete eine Verbesserung des EASI um 72 beziehungsweise 72,3 Prozent gegenüber dem Ausgangsbefund unter den verschiedenen Dupilumabdosierungen und um 37,6 Prozent unter Plazebo. «Dies ist eine wirklich wichtige Therapie für Patienten, die sonst wenige Optionen haben», erklärte Simpson. Deutliche Juckreizverbesserung bereits nach zwei Wochen Da der Pruritus von zentraler Bedeutung für die Patienten ist, wurde dessen Reaktion auf die Dupilumabtherapie mithilfe einer numerischen Skala gemessen. «Schon in Woche 2 gab es eine signifikante Reduktion des Juckreizes in beiden Dupilumabgruppen im Vergleich zu Plazebo. Dieser Erfolg setzte sich bis Woche 16 fort», so Simpson. In SOLO 1 sank mit Verum der Pruritus um 51 beziehungsweise 48,9 Prozent versus 26,1 Prozent bei Plazeboeinnahme (p < 0,0001), SOLO 2 erreichte vergleichbare Resultate. Daraus ergaben sich signifikante Verbesserungen der Lebensqualität der mit Dupilumab behandelten Studienteilnehmer, die mit dem Dermatology Quality of Life Index (DLQI) erhoben wurde. Auch auf bestehende Angstgefühle und Depressionen wirkte sich die Therapie positiv aus. Leichte bis moderate Nebenwirkungen traten unter anderem in Form von Konjunktivitiden und Reaktionen an der Injektionsstelle auf. «Dabei ist es wichtig zu sehen, dass das Auftreten von Nebenwirkungen innerhalb der verschiedenen Gruppen ausgeglichen war», betonte Simpson. Guttman ergänzte: «Die Resultate sind sehr ermutigend. Ich glaube, dass etwa ein Drittel der Patienten mit moderater bis schwerer atopischer Dermatitis von so einer Therapie profitieren könnten.» Take Home Messa es ® Dupilumab ist sehr vielversprechend als erste biologische Behandlungsmöglich- keit für die mittelschwere bis schwere atopische Dermatitis. ® Der topische PDE-4-Hemmer Crisaborol stellt eine neue topische Option für die leichte bis mittelschwere atopische Dermatitis dar. ® Es besteht eine Assoziation zwischen dem Vitamin-D-Spiegel und dem Schwere- grad der atopischen Dermatitis. ® Verzichten Mütter im 1. Lebensjahr ihrer Kinder auf das Rauchen, senkt dies das Risiko der Babys, eine atopische Dermatitis zu entwickeln. Quelle: Sessions FC01 «Free communications in genetics» und «Late breaking news», beim 25. Jahreskongress der European Academy of Dermatology and Venereology (EADV), 29. September und 1. Oktober 2016 in Wien. Crisaborol auch in der Verlängerungsstudie sicher Topische Behandlungsformen bleiben die Domäne von milder bis mittelschwer ausgeprägter atopischer Dermatitis. Als neue Therapiemöglichkeit für Patienten ab einem Alter von 2 Jahren wurde Crisaborol bereits in zwei Phase-III-Studien (AD-301, AD-302) erfolgreich getestet. Es führte bei signifikant mehr Patienten als Plazebo zu einem Therapieerfolg gemäss Investigator’s Static Global Assessment (ISGA) mit der Einteilung «keine» oder «fast keine» Hautveränderungen. Die Studienresultate wurden bereits vor einem Jahr beim damaligen EADV-Kongress in Kopenhagen vorgestellt. Inzwischen liegen die Ergebnisse aus der offenen, multizentrischen Verlängerungsstudie zur Behandlungssicherheit über 48 Wochen für die Wirkung dieses nicht steroidalen topischen PDE-4-Hemmers vor (3). Hierfür konnten Patienten, die eine der Studien über 28 Tage abgeschlossen hatten, die Therapie mit Crisaborol fortsetzen. Sie wurden alle 4 Wochen untersucht und nach Bedarf mit 4-wöchigen Zyklen von Crisaborol behandelt. Innerhalb der beiden Studien und der Verlängerungsstudie berichteten 65 Prozent der Patienten über mindestens eine Nebenwirkung; die meisten waren im Schweregrad mild (51,2%) oder moderat (44,6%). Auch stand die Mehrheit nach Einschätzung der Untersucher nicht in Zusammenhang mit der Behandlung (93,1%). Insgesamt kam es bei 10,2 Prozent der Patienten zu Nebenwirkungen wie Neurodermitis selbst oder Schmerzen beziehungsweise Infektionen an der Applikationsstelle. Hautatrophien oder Teleangiektasien traten nicht auf. Nur 1,7 Prozent brachen deswegen die Behandlung innerhalb der Verlängerungsstudie ab. «Damit zeigt Crisaborol ein günstiges Sicherheitsprofil in der Langzeitbehandlung», kommentierte Dr. Lawrence Eichenfield aus San Diego (USA) die Ergebnisse der Verlängerungsstudie. Vitamin D – eine weitere Option bei Neurodermitis Dr. Min Jung Kim aus Seoul (KOR) untersuchte mit seinem Team in einer Metaanalyse von 16 Studien den Einfluss des Vitamin-D-Spiegels auf den Schweregrad der atopischen Dermatitis (4). Dabei wurde entdeckt, dass ein Zusammenhang zwischen niedrigen Vitamin-D-Werten und dem Vorhandensein beziehungsweise der Schwere der Neurodermitis besteht. Genauer gesagt bestand eine negative Assoziation zwischen dem Vitamin-D-Spiegel und der Höhe der Punkte auf dem Scoring Atopic Dermatitis Index (SCORAD). Dies galt besonders für Kinder. «Vitamin-D-Supplementierung könnte eine neue Therapieoption für Atopiker sein», sagte Kim. In vier der ausgewerteten Studien wurde der mögliche Einfluss einer Vitamin-D-Ergänzungstherapie untersucht. «In diesen Studien sanken sowohl SCORAD als auch EASI unter Vitamin-D-Supplementierung», erklärte Kim. Bei der gepoolten Datenauswertung wurde zum Beispiel ein Rückgang von 5,85 (95%-KI: -7,65 bis -1,05) im SCORAD beobachtet. Rauchverzicht der Mutter als Neurodermitisprävention Vorbeugen ist besser als behandeln – unter diesem Gesichtspunkt wurde in einer populationsbasierten Fragebogenstudie das spezielle Risiko von Kindern untersucht, eine atopische Dermatitis zu entwickeln (5). Dazu wurden Daten von 2000 Kindern im Alter zwischen 1 und 5 Jahren erhoben und 5 beziehungsweise 10 Jahre später erneut evaluiert. Aus der Sicht der Autoren ist die frühe Identifizierung von Kindern mit hohem Neurodermitisrisiko eine Voraussetzung für die Entwicklung effektiver Präventionsstrategien, wie Jevgenija Smirnova aus Karlstad (SWE) berichtete. Nach 10 Jahren hatten 12,2 Prozent der Kinder eine atopische Dermatitis, davon 75,7 Prozent ohne Rhinitis oder Asthma, aber 24,3 Prozent mit einer der beiden Komorbiditäten. Mit der zusätzlichen Diagnose von Rhinitis oder Asthma waren hauptsächliche Faktoren wie erbliche Vorbelastung und Allergien bei der Eingangsuntersuchung assoziiert. In dieser Gruppe erwiesen sich unter anderem auch ein Alter unter 3 Jahren, ein städtisches Lebensumfeld und Rauchen der Mutter im 1. Lebensjahr des Kindes als wichtige Einflussfaktoren. Susanne Kammerer 26 • CongressSelection Dermatologie • Januar 2017 Referenzen: 1. Simpson EL: Dupilumab in moderate-to-severe atopic dermatitis: results from two randomized, placebo-controlled phase 3 trials (SOLO 1 & 2). Vortrag D3T01.1C beim EADV 2016. 2. Simpson EL et al.: Two Phase 3 Trials of Dupilumab versus Placebo in Atopic Dermatitis. N Engl J Med 2016; doi: 10.1056/NEJMoa1610020 (Epub ahead of print). 3. Eichenfield L: Long-term safety of crisaborole, a novel, nonsteroidal, anti-inflammatory phosphodiesterase 4 inhibitor, in children and adults with mild to moderate atopic dermatitis. Vortrag FC01.02 beim EADV 2016. 4. Kim MJ et al.: Meta-analysis of vitamin D status and efficacy of vitamin D supplementation in atopic dermatitis. Poster P0277 beim EADV 2016. 5. Smirnova J: Atopic dermatitis and development of concomitant allergic diseases: A follow up study from infancy to adolescence. Vortrag FC01.09 beim EADV 2016. EADV CongressSelection Dermatologie • Januar 2017 • 27