Transkript
EADV
Aktinische Keratosen: Warum sollen sie behandelt werden?
Gute kosmetische Resultate, aber kein zuverlässig nachweisbarer Krebsschutz
Was ist für Sie der Hauptgrund, aktinische Keratosen zu behandeln? Geht es hauptsächlich um die kosmetischen Beeinträchtigungen? Um die Beschwerden (z.B. Juckreiz, Schmerz, Blutung)? Oder vielmehr um die Prävention eines spinozellulären Karzinoms? Evidenzbasiert behandeln – das möchten wohl alle. Doch wer aktinische Keratosen mit dem Ziel der Prävention spinozellulärer Karzinome therapiert, handelt nicht evidenzbasiert – so das Statement von Prof. Vigfus Sigurdsson aus Houten (NL).
Was sagt die Leitlinie? «Wegen des vorgegebenen Risikos einer Progression zum invasiven SCC und des Fehlens prognostischer Methoden zur Vorhersage, welche der Läsionen zur Progression neigen, wird eine adäquate Therapie der AK-Läsionen oder des betroffenen Feldes als notwendig angesehen.» S3-Leitlinie der EADV 2015 (1)
In einer Session über hellen Hautkrebs wurde die Frage, ob eine Therapie aktinischer Keratosen vor spinozellulären Karzinomen schützt, in Pro- und Kontra-Beiträgen diskutiert. Mit dem Nein-Vortrag übernahm Sigurdsson die Rolle des Advocatus diaboli. Nach seinen Worten können mit verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten bei aktinischen Keratosen gute kosmetische Resultate erzielt werden. Nicht nur die Behandlung aus kosmetischer Indikation ist evidenzbasiert, sondern auch die Therapie wegen Beschwerden. Auch bei dieser Indikation sind gute Therapieresultate erreichbar. Nicht evidenzbasiert sei hingegen die Behandlung von aktinischen Keratosen aufgrund der präventiven Indikation, so Sigurdsson weiter. So kam nach seinen Worten ein Cochrane-Review von 2012 zum Schluss, dass die Therapie zwar effektiv sei, um aktinische Keratosen zu reduzieren, dass aber keine Evidenz für eine Reduktion spinozellulärer Karzinome vorhanden sei. Deshalb konnte sich Sigurdsson nicht einverstanden erklären mit der Aussage der aktuellen europäischen Guidelines (siehe Randnotiz) (1).
Topische Therapie ist nicht gut genug
Aktinische Keratosen kommen sehr häufig vor und stellen damit ein Riesenproblem dar, so der Referent. Gemäss einer neueren niederländischen Studie beträgt die Prävalenz in einer Kohorte der Allgemeinbevölkerung ≥ 45 Jahre (Durchschnittsalter 72 Jahre) bei Männern 49 Prozent (1 oder mehrere aktinische Keratosen) und bei Frauen 28 Prozent (2). Es ist unmöglich vorauszusagen, welche aktinische Keratose letztlich zu einem invasiven Karzinom wird. Die Therapie müsste bei allen Patienten die komplette Abheilung der Läsionen erreichen, um tatsächlich vor Krebs zu schützen. Doch die derzeit erreichbaren Behandlungsresultate sind davon weit entfernt. Eine Netzwerkmetaanalyse von 25 Studien zum Therapieergebnis «komplette Patientenclearance» (5562 Patienten, 10 verschiedene Therapiemodalitäten) ergab, dass durchschnittlich nur bei rund der Hälfte der Patienten (insgesamt bei 55%, je nach Therapiemodalität bei 25 bis 76%) die komplette Clearance erreicht wurde (3). Bei durchschnittlich 45 Prozent verschwanden also die Läsionen mit der Therapie nicht – das Therapieziel wurde nicht erreicht.
Erschwerend kommt noch dazu, dass die Patienten bei der Therapie oft nicht so recht mitmachen. Gemäss einer aktuellen Literaturauswertung beträgt die kombinierte Nichtadhäherenz und Nichtpersistenz bis zu 88 Prozent (4). In «Real-world»-Studien variierten die Nichtadhärenzraten zwischen 10 und 63 Prozent und die Nichtpersistenzraten zwischen 23 und 31 Prozent (4). Adhärenz und Persistenz seien also in Studien schlecht – und wahrscheinlich in der alltäglichen Praxis noch schlechter, so der Referent.
Alfred Lienhard
Take Home Messa es
® Eine Evidenz für die Schutzwirkung der AK-Therapie
gegen spinozelluläre Karzinome ist nicht vorhanden.
® Die heute möglichen Behandlungen erreichen keine
komplette Abheilung der Läsionen.
® Die Therapieadhärenz ist oft ungenügend.
Referenzen: 1. Werner RN et al.: Evidence- and consensus-based (S3) guidelines for the treatment of actinic keratosis – International League of Dermatological Societies in cooperation with the European Dermatology Forum – Short version. J Eur Acad Dermatol Venereol 2015; 29: 2069–2079. 2. Flohil SC et al.: Prevalence of actinic keratosis and its risk factors in the general population: The Rotterdam Study. J Invest Dermatol 2013; 133: 1971–1978. 3. Vetger S et al.: A network meta-analysis of the relative efficacy of treatments for actinic keratosis of the face or scalp in Europe. PLoS ONE 2014; 9: e96829. 4. Foley P et al.: Adherence to topical therapies in actinic keratosis: A literature review. J Dermatol Treat 2016, May 10 (Epub ahead of print).
Quelle: «Does treatment of actinic keratoses protect from SCC: No», Vortrag von Vigfus Sigurdsson im Rahmen der Veranstaltung «Non-melanoma skin cancer» (D2T02.2), beim 25. Jahreskongress der European Academy of Dermatology and Venereology (EADV), 30. September 2016 in Wien.
28 • CongressSelection Dermatologie • Januar 2017