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Nicht kontrollierte Hypertonie und Niereninsuffizienz: ein unheilvolles Duo
Blutdruckzielwert hängt vom Vorhandensein einer Proteinurie ab
Besteht bei chronischer Niereninsuffizienz (CKD) zusätzlich eine nicht kontrollierte Hypertonie, wird sich die Erkrankung schneller verschlechtern. Die Kombinationstherapie mit Diuretika, ein adäquater Zielblutdruck und die Einbindung eines Nephrologen sind der richtige Weg zu einer erfolgreichen Therapie.
Von unkontrollierter Hypertonie … … wird im Allgemeinen gesprochen, wenn der Blutdruck trotz Therapie über 140/90 mmHg liegt. Wichtige Unterkategorien der Diagnose sind die therapieresistente Hypertonie, die vorliegt, wenn ein Patient mehr als 3 Antihypertensiva benötigt. Sind mehr als 5 verschiedene Medikamente erforderlich, spricht man von refraktärem Bluthochdruck (rHT).
«Was kann man, speziell bei Patienten mit nicht kontrollierter Hypertonie, tun, um das Fortschreiten der chronischen Nierenerkrankung (CKD) zu verlangsamen?» Das war die zentrale Frage, der Prof. Andrzej Wiecek aus Kattowitz (PL) in seinem Übersichtsvortrag nachging. «Es ist wichtig, auch an die Möglichkeit einer Pseudoresistenz zu denken, da mangelnde Adhärenz, Weisskittelhochdruck oder auch sekundäre Hypertonie zu einer fälschlichen Diagnose von Therapieresistenz führen können», gab Wiecek zu bedenken.
Refraktäre Hypertonie relativ häufig bei CKD
Bezogen auf alle Hypertoniker kommt der refraktäre Bluthochdruck eher selten vor. Aber bei Patienten mit CKD sieht dies ganz anders aus, weil CKD einer der wichtigsten Risikofaktoren für arterielle Hypertonie ist. Die Prävalenz von unkontrollierter Hypertonie wurde in einigen CKD-Kohorten mit über 50 Prozent ermittelt. «Je stärker die glomeruläre Filtrationsrate (eGFR) sinkt, desto häufiger kommt es zu einem refraktären Bluthochdruck (rHT). Darauf sollte man bei seinen CKD-Patienten unbedingt achten», empfahl Wiecek. Die Ursachen für das Auftreten der rHT sind vielfältig. Allen voran, kommen Schlafapnoe und metabolisches Syndrom infrage, die bei über 60 Prozent dieser Patienten gefunden wurden. Bemerkenswerterweise liegt die Ursache der rHT bei über 15 Prozent in einem primären Hyperaldosteronismus.
Multimodale, personalisierte Therapie
Die Hypertonie korreliert in Abhängigkeit ihres Schweregrades stark mit dem Auftreten von terminaler CKD. Dies gilt besonders für die rHT. «Um das Fortschreiten der CKD einzuschränken, ist es zunächst einmal wichtig, die resistente Hypertonie zweifelsfrei zu diagnostizieren», so Wiecek: «Dazu gehört unter anderem die ambulante 24-Stunden-Blutdruckmessung, Kontrolle der Compliance und Überprüfung der richtigen Dosierung der verabreichten Medikamente im Hinblick auf gemessene eGFR.» Für die richtige Therapie sollten individuelle Faktoren wie Alter, Geschlecht, eventuelle Interaktionen mit Begleitmedikation und das Vorhandensein von Proteinurie beachtet werden. Manchmal können Kombinationspräparate oder die abendliche Gabe der Antihypertensiva
helfen, den Patienten besser einzustellen. In jeden Fall müssen Natrium und Kalium regelmässig kontrolliert werden. Auch eine salzarme Diät ist erforderlich. Durch selbstständiges Blutdruckmessen zu Hause bindet man den Patienten besser in die Behandlung ein.
Diuretika – bei resistenter Hypertonie unverzichtbar
Ein wichtiger Bestandteil der Therapie von rHT ist in jedem Fall die Gabe von Diuretika. Bei der Abschätzung, welche Patienten mit rHT besonders von Spironolacton profitieren, hilft die Reninaktivität im Plasma. Bei niedrigen Reninwerten wird der Blutdruck von Spironolacton deutlicher gesenkt als bei hohen Werten. Liegt die eGFR noch über 30 ml/min, sollten länger wirksame Thiazide wie Indapamid oder Chlortalidon verwendet werden. Sinkt die eGFR unter 30 ml/min, ist der Wechsel auf Schleifendiuretika indiziert. Mineralokortikoidantagonisten sind sehr potent zur Blutdrucksenkung und besonders geeignet bei Patienten mit eGFR ≥ 30 ml/min und einem Kaliumspiegel ≤ 4,5 mmol/l. Von einer Kombination von ACE-Hemmern mit Sartanen rät Wiecek in jedem Fall ab.
Welche Blutdruckwerte sind bei CKD richtig?
Der Zielwert der antihypertensiven Therapie hängt massgeblich vom Vorhandensein einer Proteinurie ab. Liegt diese bei 1 g/Tag oder darüber, sollte ein systolischer Wert zwischen 120 und 130 mmHg angestrebt werden, weil das Risiko der fortschreitenden Verschlechterung der Nierenfunktion bei höherem Blutdruck überproportional ansteigt. Sonst gilt der übliche Grenzwert von ≤ 140/90 mmHg. Ein Absenken des Drucks unter 120 mmHg wirkt sich auf die Nierengesundheit eher kontraproduktiv aus und wird daher nicht empfohlen. «Abschliessend möchte ich dringend empfehlen, jeden Patienten mit einer eGFR < 60 ml/min und/oder einer Proteinurie von > 300 mg/Tag auch zu einem Nephrologen zu schicken», schloss Wiecek.
Susanne Kammerer
Quelle: Wiecek A: Uncontrolled hypertension – How to prevent unfavorable kidney outcome. Hypertension and chronic kidney disease. Vortrag bei der Jahrestagung der European Society of Cardiology (ESC), 27. bis 31. August 2016 in Rom.
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