Transkript
ESC
Hiob auf dem ESC
Kongress der negativen Studien
Evidenzbasierte Medizin inkludiert das Lernen aus negativen Studienergebnissen. Von diesen wurden im Rahmen des ESC-Kongresses in Rom einige präsentiert. Einige Enttäuschungen kamen überraschend.
Referenzen und Quellen: 1. McEvoy RD et al.: CPAP for Prevention of Cardiovascular Events in Obstructive Sleep Apnea. N Engl J Med 2016; doi: 10.1056/NEJMoa 1606599. 2. DANISH – A DANish randomized, controlled, multicenter study to assess the efficacy of Implantable cardioverter defibrillator in patients with nonischemic Systolic Heart failure on mortality. Präsentiert von Prof. Dr. Lars Kober im Rahmen der Hotline des ESC 2016. 3. MORE-CARE – Effects of remote monitoring on outcomes and use of healthcare resources in heart failure patients with biventricular defibrillators. Präsentiert von Dr. Giuseppe Boriani im Rahmen der Hotline des ESC 2016. 4. Aktuelle Daten aus der Studie «Invasive versus Conservative Treatment in Unstable coronary Syndromes». Präsentiert von R.J. De Winter im Rahmen des Clinical Trials Update am ESC 2016. 5. Aktuelle Daten aus der Studie A Study of Evacetrapib in High-Risk Vascular Disease. Präsentiert von A.M. Lincoff im Rahmen des Clinical Trials Update am ESC 2016.
Lange Zeit wurde der medizinischen und insbesondere der industriefinanzierten pharmazeutischen Forschung vorgeworfen, dass negative Studienergebnisse nicht publiziert werden. Ein wesentliches Motiv dafür sollen nicht zuletzt Karriereüberlegungen der Autoren gewesen sein: Niemand wollte der Überbringer der schlechten Nachricht sein. Sollte diese Tendenz tatsächlich bestanden haben, ist sie definitiv Geschichte. Denn der ESC-Kongress 2016 war geprägt von Studienergebnissen, die insofern nicht den Erwartungen und Hoffnungen der Autoren entsprachen, als sie negative oder neutrale Ergebnisse brachten. Für die Lernkurve in Theorie und Klinik zweifellos eine wichtige Entwicklung. Einige der Negativ-Highlights:
DANISH: Untersucht wurde, ob bei Patienten mit nicht ischämischer Herzinsuffizienz ein implantierbarer Defibrillator (der laut Leitlinie in dieser Population empfohlen wird) einen Mortalitätsvorteil bringt. In der Studie mit rund 1000 Patienten trat der primäre Endpunkt Gesamtmortalität bei 21,6 Prozent der ICD-Patienten und bei 23,4 Prozent der Kontrollen ein – womit sich keine signifikante Differenz zwischen den Armen ergab (HR: 0,87; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,68–1,12; p = 0,28). Allerdings zeigen Subgruppenanalysen bei jüngeren Patienten unter 68 Jahren sehr wohl einen signifikanten Überlebensvorteil (HR: 0,64; 95%-KI: 0,45–0,90, p = 0,01) durch den ICD (1). Die Konsequenzen wurden bereits im Rahmen des Kongresses diskutiert. Im Gespräch ist eine stärkere Individualisierung beim Stellen der Indikation zur ICD-Implantation bei Patienten mit nichtischämischer Herzinsuffizienz.
SAVE: In der australischen Studie Sleep Apnea Cardiovaskular Endpoints wurde der Wert von CPAP-Atemunterstützung (Continuous Positive Airway Pressure) bei Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen und obstruktiver Schlafapnoe (OSA) im Hinblick auf kardiovaskuläre Endpunkte evaluiert (2). Ergebnis: negativ. Über einen Zeitraum von mehr als 3 Jahren wurde das kardiovaskuläre Risiko im Vergleich zur Standardbehandlung nicht gesenkt. Die Adhärenz der Patienten war mit 42 Prozent (durchschnittlich ≥ 4 h pro Nacht) den Umständen entsprechend gut. Der durchschnittliche ApnoeHypopnoe-Index (AHI, Mass für den Schweregrad der OSA) ging von 29 auf 3,7 Ereignisse pro Stunde unter CPAP zurück, was als gute Kontrolle der OSA gewertet
wurde. Dies führte allerdings nicht zu einem Vorteil im Hinblick auf den primären Endpunkt. Bei 17 Prozent der Patienten in der CPAP-Gruppe und 15,4 Prozent der Patienten in der Standardgruppe trat ein schweres kardiovaskuläres Ereignis auf (HR: 1,10; 95%-KI: 0,91–1,32, p = 0,34).
MORE-CARE: Negative Daten zum Telemonitoring. Die Studie MOnitoring Resynchronization dEvices and CARdiac patiEnts zeigte, dass Patienten keinen Vorteil davon haben, wenn die Informationen, die ein biventrikulärer Defibrillator (CRT-D) zur Verfügung stellen kann, wöchentlich statt wie üblich während der Kontrollvisiten abgefragt werden (3). Allerdings müssen die Daten vorsichtig interpretiert werden, da die für den Endpunkt Mortalität und Hospitalisierung erforderliche statistische Power nicht erreicht werden konnte. Die Studie zeigt allerdings eine bemerkenswerte Nebenwirkung des Telemonitorings: Dieses reduzierte in der untersuchten Population die Behandlungskosten, da bei den Patienten aus dem Telemonitoring-Arm um 41 Prozent weniger Arztbesuche notwendig wurden.
ICTUS: In der Studie Invasive versus Conservative Treatment in Unstable coronary Syndromes wurde untersucht, ob Hochrisikopatienten mit einem Non-STEMI-ACS von einer sofortigen Intervention profitieren (4). Auch hier waren die Ergebnisse neutral. Die 10-Jahres-Daten zeigten weder hinsichtlich der Sterblichkeit noch der Inzidenz von Myokardinfarkten Vorteile durch das aggressivere Vorgehen. Allerdings stelle sich, so die Autoren, die Frage, wieweit diese Ergebnisse heute noch relevant sind, zumal sich die Optionen sowohl in der konservativen als auch in der interventionellen Therapie mit neuen, potenteren P2Y12-Inhibitoren, dem hochsensitiven kardialen Troponin und den Stents der aktuellen Generation deutlich verbessert haben.
ACCELERATE: Ein Rückschlag in der lipidsenkenden Therapie: Durch die Inhibition des Cholesteryl Ester Transfer Protein (CETP) mit dem Antikörper Evacetrapib wurde zwar eine deutliche Reduktion des LDL-Cholesterins bei gleichzeitiger HDL-Erhöhung erreicht, dies brachte allerdings keine klinischen Vorteile. Der primäre kardiovaskuläre Endpunkt wurde über 30 Monate nicht beeinflusst (5).
Reno Barth
20 • CongressSelection Kardiologie/Diabetologie • Dezember 2016