Transkript
Wenn Patienten mit zystischer Fibrose erwachsen werden
Verbesserte Prognose, neue Herausforderungen
Die zystische Fibrose entwickelt sich dank der steigenden Lebenserwartung der Betroffenen zunehmend zu einer Erkrankung des Erwachsenenalters. Das bedeutet neue Herausforderungen für pneumologische Abteilungen, die in naher Zukunft mit einer steigenden Zahl erwachsener CF-Patienten konfrontiert sein werden.
ERS
Die Prognose von Patienten mit zystischer Fibrose (CF) hat sich in den vergangenen 60 Jahren dramatisch und kontinuierlich verbessert. Von zunächst wenigen Jahren verbesserten zunächst Antibiotika die Lebenserwartung bis ins junge Erwachsenenalter. Heute haben die Betroffenen gute Chancen, 50 Jahre und älter zu werden. Seit 2014 steht Ivacaftor für Patienten mit G551D-Mutation zur Verfügung und seit 2016 besteht mit der Kombination Lumacaftor/Ivacaftor eine Behandlungsoption für Patienten mit homozygoten F508del-Mutationen. Damit existiert heute für die von diesen Mutationen betroffenen CF-Patienten eine Therapieoption, die direkt in die Pathophysiologie der Erkrankung eingreift und damit erstmals über das Management von Komplikationen hinausgeht. Angesichts dieser neuen Situation ergeben sich in der Betreuung von CF-Patienten neue Herausforderungen. Eine Task-Force der European Respiratory Society und der European Cystic Fibrosis Society hat kürzlich einen Report zur Versorgung erwachsener CF-Patienten publiziert (1). Angesprochen werden darin nicht nur medizinische Probleme in der Versorgung dieser Patienten, sondern auch über die eigentliche Behandlung hinausgehende Fragen der Versorgung sowie der Kosten.
Erhebliche Versorgungsdefizite
Während die zystische Fibrose ausserhalb Europas nach wie vor eine vorwiegend pädiatrische Erkrankung ist, sind in Europa bereits mehr als die Hälfte der Betroffenen im Erwachsenenalter (2). Aufgrund der steigenden Lebenserwartung nimmt auch die Gesamtzahl der CF-Patienten in den Industrienationen kontinuierlich zu. Prof. Stuart Elborn aus Belfast/GB unterstrich, dass CF-Patienten grundsätzlich an einem spezialisierten Zentrum behandelt werden sollten. Dies ist allerdings gerade bei Erwachsenen nicht immer einfach. Elborn verwies in diesem Zusammenhang auf eine Befragung von Ärzten und Patientenvertretern, die in Europa deutliche Mängel in der Versorgung zeigte. So sei es nicht ungewöhnlich, dass Erwachsene an pädiatrischen Abteilungen behandelt werden müssten oder dass pneumologische Abteilungen auf die Expertise der Pädiater im Haus angewiesen seien. Nicht in allen Zentren sind alle Therapien verfügbar (3). Auch angesichts der hohen Therapiekosten bestünde gegenwärtig sogar in Europa grosse Ungleichheit in der Versorgung der Patienten.
Altersspezifische Differenzen in der Manifestation
Die Betreuung durch Kinderärzte sei auch insofern problematisch, da es in der klinischen Manifestation der Erkrankung durchaus altersspezifische Differenzen gebe. Nicht nur respiratorische Komplikationen, vor allem getrieben durch gramnegative Erreger, werden mit den Jahren häufiger, es entwickeln sich bei vielen Patienten auch Komorbiditäten wie Diabetes, Knochenerkrankungen und Depressionen (4). Hinzu kommen iatrogene Schäden durch die jahrzehntelange Antibiotikatherapie. Nicht zuletzt kommen die Themen Lungentransplantation und Palliation am Lebensende ins Spiel. Besondere Aufmerksamkeit müsse man, so Elborn, psychischen Problemen und psychiatrischen Komorbiditäten schenken. Ein kürzlich publiziertes Konsensusdokument fordert ein jährliches Screening von CF-Patienten auf Depression und Angsterkrankungen – diese sollten korrekt diagnostiziert und behandelt werden (5). Mittels etablierter klinisch-psychologischer Instrumente sollte auch die Schwere der Störung abgeschätzt werden. Erscheint diese leicht, genügen psychologische Unterstützung und Beobachtung des Patienten. Bei einer schweren Störung ist eine evidenzbasierte psychotherapeutische und/oder medikamentöse Intervention indiziert. Darüber hinaus betonte Elborn die Bedeutung von Ausbildung und Training von Spezialisten in der Behandlung erwachsener CF-Patienten. Dies umfasst nicht nur die Ausbildung ausgewiesener Spezialisten an den CF-Zentren. Angesichts der steigenden Patientenzahlen fordert Elborn, das in Zukunft alle Pneumologen Kenntnisse im Management der Erkrankung haben sollten. Der Report der Task-Force schlägt dazu ein Curriculum vor, das auf Workshops, E-Learning-Modulen und traditionellen Unterrichtsmaterialien beruht. In Zukunft würden mehr spezialisierte Zentren mit gut ausgebildeten Teams benötigt, um die wachsende Zahl der Patienten zu versorgen, darüber hinaus jedoch auch die Forschung zur zystischen Fibrose vorantreiben zu können.
Reno Barth
Der CF-Report online:
CongressSelection Pneumologie • November 2016 • 41
ERS
Referenzen: 1. Elborn JS et al.: Report of the European Respiratory Society/European Cystic Fibrosis Society task force on the care of adults with cystic fibrosis. Eur Respir J 2016; 47(2): 420–428. 2. McCormick J et al.: Comparative demographics of the European cystic fibrosis population: a cross-sectional database analysis. Lancet 2010; 375(9719): 1007–1013. 3. Madge S et al.: Limitations to providing adult cystic fibrosis care in Europe: Results of a care centre survey. J Cyst Fibros 2016. pii: S15691993(16)30558-6. [Epub ahead of print] 4. Quon BS, Aitken ML. Cystic fibrosis: what to expect now in the early adult years. Paediatr Respir Rev 2012; 13(4): 206–214 5. Quittner AL et al.: International Committee on Mental Health in Cystic Fibrosis: Cystic Fibrosis Foundation and European Cystic Fibrosis Society consensus statements for screening and treating depression and anxiety. Thorax 2016; 71(1): 26–34. Quelle: Session «ERS publications: a focus on recent guidelines and task forces», anlässlich des 26. Jahreskongresses der European Respiratory Society (ERS), 4. September in London.
42 • CongressSelection Pneumologie • November 2016