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ERS
Reine Luft – unverzichtbar für die respiratorische Gesundheit
Interessante Studienergebnisse der Kampagne «Healthy Lungs for Life»
Foto: ERS
Ein wesentlicher Schwerpunkt des diesjährigen ERS-Kongresses war die Auswirkung von chronischer Luftverschmutzung auf die Gesundheit der Atemwege. Anlässlich des 60. Geburtstages des britischen «Clean Air Act» wurde von der Kampagne «Healthy Lungs for Life» als Thema für das Jahr 2016 das Motto «Breath Clean Air» gewählt. Auf dem ERS wurde mit einem Stand, vielen Präsentationen sowie mit Publikumsveranstaltungen im Londoner Zentrum auf die Problematik hingewiesen.
Auf dem Londoner Trafalgar Square konnte sich die Londoner Bevölkerung im Rahmen der Kampagne «Healhy Lungs for Life» zum Thema Luftverschmutzung und Lungengesundheit informieren.
Die Kampagne «Healthy Lungs for Life» ist ein gemeinsames Projekt der Europaen Respiratory Society (ERS) und der European Lung Foundation (ELF). Sie läuft bereits seit 2014; dabei werden Kliniker, Wissenschaftler, Politiker und die Öffentlichkeit angesprochen.
Zu dem vielfältigen Programm in Inneren der Kampagnenzelte konnte man unter anderem auch eine kostenlose Lungenfunktionsmessung durchführen.
Das Hauptthema der Kampagne von 2016 war «Atmen Sie saubere Luft» – es wurde also über Luftverschmutzung aufgeklärt. Darüber hinaus wurde darüber informiert, wie wir alle zur Reduktion der Luftverschmutzung beitragen und uns selbst vor ihren Risiken schützen können. Auch Ärzte sollten dafür sensibilisiert werden, das Thema bei ihren Patienten anzusprechen und ihnen entsprechende Tipps zu geben. Zur Unterstützung bietet die Kampagne auch Infomaterialien an, die von der Homepage heruntergeladen werden können. Ein Beispiel sind die Top-10-Tipps zur körperlichen Betätigung unter Beachtung der Luftqualität (siehe Abbildung rechts). Darüber hinaus werden im Rahmen der Kampagne Studienprojekte gefördert, in denen die Auswirkung von Luftschadstoffen auf die Gesundheit der Atemwege untersucht wird. Von mehreren dieser Studien wurden Ergebnisse auf dem ERS-Kongress in London vorgestellt. Sie machten deutlich, wie vielfältig die Quellen der Luftverschmutzung sein können und welche Konsequenzen drohen.
Hausputz schadet der Lunge
Kann sich der Hausputz negativ auf die Lungenfunktion auswirken? Dies wurde anhand von Daten von 3400 Frauen aus der Kohorte «Community Respiratory Health Survey» über 20 Jahre untersucht (1). Parameter für die Lungenfunktion waren die forcierte Vitalkapazität (FVC) und die Einsekundenkapazität (FEV1). Unterschieden wurde, ob die Teilnehmerinnen «zu Hause das Putzen und/oder Waschen erledigen» oder auch «als Reinigungsperson arbeiten». Die Datenerhebung dazu begann 1992 bis 1994; in der Folge gab es zwei Kontrollerhebungen zur Veränderung der Lungenfunktion mit erneuter Befragung 1998 bis 2002 beziehungsweise 2010 bis 2012. Zwischen der ersten und letzten Untersuchung verschlechterte sich die FVC derer, die weder beruflich noch zu Hause Reinigungsarbeiten ausführten, im Durchschnitt um 19,5 Prozent; ihre FEV1 ging um 29,6 ml/Jahr zurück. Wesentlich grössere Funktionseinbussen hatten Frauen, die putzten. Fanden die Reinigungsaktivitäten nur im häuslichen Bereich statt, sank die FVC um fast ein Viertel (24,6%) und die FEV1 im Mittel um 33,6 ml/Jahr. Mit einem Verlust von 27,6 Prozent FVC und 34,6 ml/Jahr FEV1 traten bei beruflichem Reinigungspersonal noch
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ERS
Körperliche Betätigung und Luftqualität: 10 wichtige Tipps
1 Achten Sie auf Ihre Position und Route
Wenn Sie in einer Stadt Sport treiben, nutzen Sie dafür wann immer möglich Parks, öffentliche Bereiche und Routen, die durch Niedrigemissionszonen führen. Immer mehr Studien deuten darauf hin, dass Grünflächen Gesundheit und Wohlbefinden positiv beeinflussen.
4 Vermeiden Sie dicht befahrene Straßen mit hohen Gebäuden
In Straßen mit hohen Gebäuden an beiden Seiten werden Schadstoffe „eingeschlossen“, was dazu führt, dass die Luftqualität in solchen Straßen besonders schlecht ist. Für körperliche Betätigung sind diese Straßen daher am besten zu meiden. Rund um Ampeln ist die Schadstoffbelastung ebenfalls besonders hoch, da Fahrzeuge beim wieder Anfahren besonders viele Emissionen abgeben.
7 Vermeiden Sie körperliche Betätigung im Freien während der Stoßzeiten
Vermeiden Sie körperliche Betätigung im Freien während der Stoßzeiten an dicht befahrenen Straßen bzw. während anderer Zeiten mit hohem Verkehrsaufkommen. Wählen Sie eine alternative, ruhigere Route oder einen anderen Zeitpunkt für Ihr Sportprogramm.
2 Halten Sie einen angemessenen Abstand zur Straße ein
Wenn Sie gerne draußen Rad fahren, Joggen oder Walken, vermeiden Sie nach Möglichkeit dicht befahrene Straßen. Studien haben gezeigt, dass die Luftschadstoffbelastung auf dicht befahrenen Straßen zwar höher ist, jedoch linear abnimmt, je weiter man sich von der Straße entfernt. So nimmt die Schadstoffbelastung bereits 1 - 2 Meter vom Verkehrsstrom entfernt deutlich ab. Vielleicht haben Sie auch die Möglichkeit, auf eine parallele Route auszuweichen, die ruhiger und sicherer ist.
5 Überprüfen Sie den Luftqualitätsindex für den jeweiligen Tag
Die tatsächliche Schadstoffbelastung hängt von der Art der Schadstoffe, dem Standort sowie den lokalen Wetterbedingungen ab. Zahlreiche öffentliche Behörden verfügen über Überwachungsstationen, die die Belastung durch unterschiedliche Schadstoffe laufend messen und anzeigen. In vielen Gegenden werden auch Prognosen für die Schadstoffbelastung veröffentlicht, auf Basis derer Sie entscheiden können, ob sich ein bestimmter Tag für körperliche Betätigung im Freien eignet. Finden Sie heraus, welcher Service für Ihren Wohnort verfügbar ist.
Europaweite Berichte zur Schadstoffbelastung finden Sie unter: http://atmosphere.copernicus. eu/services/air-quality-atmosphericcomposition
3 Halten Sie sich nicht hinter Fahrzeugen auf
Beim Radfahren, Joggen oder Walken hinter Autos, Mopeds, Motorrädern, LKWs und anderen Fahrzeugen atmen Sie extrem große Mengen von Schadstoffen ein, die Ihre Lunge schädigen können. Versuchen Sie, sich um das Fahrzeug herum zu bewegen, sobald dies vom Sicherheitsstandpunkt her möglich ist. Halten Sie stets einen angemessenen Abstand zum Fahrzeug ein.
6 Achten Sie auf die Wettervorhersage
Die Luftschadstoffbelastung ist üblicherweise an heißen, sonnigen Tagen am höchsten. Nach regnerischem oder windigem Wetter ist die Luft meistens reiner. Falls Sie an einer Pollenallergie leiden, haben Sie möglicherweise an Tagen mit hoher Pollenbelastung vermehrt Probleme, da es zu Wechselwirkungen zwischen Pollen und Luftverschmutzung kommen kann. Genauere Informationen entnehmen Sie Ihrem lokalen Luftqualitätsindex.
8 Entscheiden Sie sich für gesunde Mobilität
Autofahren trägt zum Luftverschmutzungsproblem bei. Ziehen Sie öffentliche Verkehrsmittel in Erwägung oder werden Sie aktiv und gehen Sie zu Fuß bzw. fahren Sie mit dem Fahrrad. Diese Optionen helfen Ihnen, Ihre täglichen Bewegungsziele zu erreichen und tragen gleichzeitig zu einer saubereren Umwelt bei.
9 Vermeiden Sie Belastung durch Innenluftverschmutzung und Zigarettenrauch
Wenn Sie in einem Fitnesscenter, zu Hause oder in einem anderen Innenraum Sport betreiben, kommen Sie möglicherweise mit Innenluftverschmutzung und/oder Zigarettenrauch in Berührung. Es lohnt sich, auf mögliche Schadstoffe in diesem Umfeld zu achten und herauszufinden, wie Sie sich davor schützen können. Staubsaugen sowie der Einsatz von Reinigungsmitteln und Lufterfrischern können die Luftqualität beeinträchtigen. Vermeiden Sie es daher, unmittelbar nach dem Putzen Sport zu treiben.
10 Werden Sie aktiv! Haben Sie keine Scheu davor, aktiv zu werden und Sport zu treiben - Umweltmediziner sowie Lungenexperten sind sich darüber einig, dass das Einatmen von Schadstoffen während der körperlichen Betätigung im Freien weniger schwerwiegend ist als die negativen Folgen eines inaktiven Lebensstils.
www.healthylungsforlife.org 1
Die Kampagne «Healthy Lungs for Life» bietet auf ihrer Internetseite reichlich Informationsmaterial in verschiedenen Sprachen zum Download an. CongressSelection Pneumologie • November 2016 • 5
ERS
Foto: AZA
Insgesamt zeigte sich, dass Männer, ältere Menschen und solche mit einer schlechteren Ausbildung häufiger angaben, gelegentlich zu schnarchen. Sie waren auch weniger körperlich aktiv, wiesen einen höheren BMI auf und hatten häufiger bereits die Diagnose einer obstruktiven Schlafapnoe erhalten. Von der Tagesmüdigkeit waren dagegen häufiger Frauen, ältere Menschen, Raucher und Personen mit schlechter Ausbildung betroffen.
Auch beim ERS-Kongress war die Kampagne mit einem Stand vertreten, um die Ärzte für das Thema Luftverschmutzung zu sensibilisieren.
stärkere Beeinträchtigungen auf. Die Unterschiede zu den Vergleichspersonen waren für beide Gruppen signifikant. Personen, die beruflich putzten, hatten im Vergleich zum normalen Verlauf einen 17 Prozent grösseren Lungenfunktionsverlust; Putzen im häuslichen Umfeld führte zu einem Unterschied von 14 Prozent. «Wir müssen anfangen, viel stärker darauf zu achten, welche Chemikalien sich in der Atemluft lösen, wenn wir Dinge wie Reinigungssprays benutzen», sagte Oistein Svanes, Studienmitautor, Universität Bergen, Norwegen. Der Grund für die Schädigungen infolge von Reinigungsmitteln liegt wahrscheinlich an Irritantien wie Ammoniak. Darüber hinaus können Bestandteile von Putzmitteln auch sensibilisierend wirken.
Schläfrig wegen Luftverschmutzung
Eine weitere Studie im Rahmen der Kampagne untersuchte, wie sich sowohl Schadstoffe des Strassenverkehrs als auch eine entsprechende Lärmbelastung auf die Gesundheit auswirken. In die Untersuchung gingen Daten von mehr als 12 000 Erwachsenen ein, die an der Studie «Respiratory Health in Northern Europe» (RHINE) teilgenommen hatten (2). Das wichtigste Ergebnis: Menschen, die einer starken Schadstoffbelastung durch den Strassenverkehr ausgesetzt sind, haben ein um 65 Prozent erhöhtes Risiko für Tagesmüdigkeit im Vergleich zu Menschen ohne Belastung. Damit wirkte sich die Luftverschmutzung sogar stärker aus als der Verkehrslärm: Studienteilnehmer, die in der Nacht Verkehrslärm ausgesetzt waren, wiesen ein um 46 Prozent höheres Risiko für eine Tagesmüdigkeit auf. Zudem erhöhte sich durch den Verkehrslärm die Wahrscheinlichkeit zu schnarchen um 29 Prozent. Insgesamt litten 20 Prozent der Studienteilnehmer an Tagesmüdigkeit, einer von vier Studienteilnehmern gab an, nachts gelegentlich zu schnarchen. «Eine Exposition zum Strassenverkehr sollte berücksichtigt werden, wenn eine Therapie für Patienten mit Schlafstörungen geplant ist. So könnte es sich zum Beispiel positiv auswirken, wenn der Lärm und die Schadstoffbelastung im Schlafzimmer reduziert werden, zum Beispiel indem das Schlafzimmer in einen Raum verlegt wird, der weiter von der Strasse entfernt ist», riet Studienautorin Ane Johannessen, Epidemiologin an der Universität Bergen in Norwegen.
Tod infolge von Kohlestaub – auch nach 60 Jahren
Wie lange sich eine massive Schadstoffbelastung auswirken kann, macht eine Studie deutlich, die als Late-breaker von David Phillips aus Southampton/Grossbritannien vorgestellt wurde (3). Sie beschäftigte sich mit den Langzeitauswirkungen der Luftverschmutzung durch Kohleheizungen (Russ und Schwefeldioxid). Ausgewertet wurden die Todesfälle im Alter von 35 bis 74 Jahren aus dem Zeitraum von 1993 bis 2012. Bis zum «Clean Air Act» von 1956 bildete das häusliche Heizen mit Kohle die Hauptquelle für Luftverschmutzung in Grossbritannien. In diesem Gesetz wurden als Reaktion auf den grossen Londoner Smog von 1952 eine Reihe von Massnahmen zur Verminderung der Luftverschmutzung beschlossen. Insbesondere wurden «Rauchkontrollzonen» in einigen Ballungszentren eingeführt, in denen dann nur noch mit russfreien Brennstoffen geheizt werden durfte. Anhand der Belastung mit Kohleemissionen der Jahre 1951 bis 1952, also vor dem «Clean Air Act», wurden in der Studie die Distrikte bezüglich der Todesursachen verglichen. Die Forscher konnten nachweisen, dass Menschen, die in den Fünfzigerjahren als Kinder in den am meisten mit häuslichen Kohleemissionen verseuchten Städten (z.B. Manchester, Middlesbrough und Nottingham) lebten, im Vergleich zu denen aus den am wenigsten verschmutzten Arealen (z.B. Bath, Canterbury, Exeter) ein doppelt so hohes Risiko hatten, an einer Atemwegserkrankung zu sterben. Fazit von Phillips: «Eine Exposition gegenüber häuslicher Luftverschmutzung früh im Leben hat langfristige Konsequenzen.»
Susanne Kammerer, Adela Žatecky
Referenzen: 1. Carsin AE et al.: Long term effect of cleaning on lung function decline among women in the ECHRS study. Abstract OA455, ERS 2016. 2. Johannessen A et al.: Exposure to traffic pollution is related to daytime sleepiness and habitual snoring: results from the RHINE study. Abstract PA4922, ERS 2016. 3. Phillips DIW et al.: A 50-year follow-up of domestic air pollution on current mortality patterns in England and Wales. Abstract OA454, ERS 2016.
Quelle: Präsentationen beim 26. Jahreskongress der European Respiratory Society (ERS), 3.–7. September 2016 in London.
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