Transkript
Oft übersehen: Aspergillus in der Lunge
Wenn in den Kavernen die Schimmelpilze spriessen
Die pulmonale Aspergillose ist eine häufig übersehene Infektionskrankheit mit hoher Mortalität. Sie tritt meist bei immunkompetenten Patienten auf eine Tuberkulose folgend auf. Die Therapie erfolgt mit oralen Triazolen oder chirurgisch.
ERS
Die pulmonale Aspergillose tritt meist als Spätkomplikation von Tuberkulose auf. Die Erkrankung ist schwer zu diagnostizieren und wird bei vielen Betroffenen erst post mortem festgestellt, wie Dr. Helmut Salzer vom Forschungszentrum Borstel betont. Wie schwierig die Diagnose sein kann, zeigt eine Studie mit rund 500 Patienten mit verbleibenden Kavernen nach Behandlung einer Tuberkulose. Mittels Screening mit Aspergillose-Präzipitintest und klinischer Diagnostik wurde bei 94 Patienten (17%) eine Aspergillose diagnostiziert. Das Prozedere wurde nach 48 Monaten wiederholt, wobei bei 22 Prozent jener Patienten, bei denen zunächst keine Aspergillose gefunden werden konnte, nun doch ein positiver Befund gestellt wurde (1). Das Ergebnis wäre vermutlich, so Salzer, noch höher ausgefallen, hätte man statt des Präzipitintests einen sensitiveren Test auf Aspergillusspezifisches IgG durchgeführt. Laut Schätzungen leiden weltweit rund drei Millionen Menschen unter chronischer pulmonaler Aspergillose – die meisten davon als Folge einer TB oder anderer Atemwegserkrankungen. In Regionen mit hoher TB-Prävalenz ist auch die pulmonale Aspergillose häufiger. So liegt in Südafrika, wo Tuberkulose und HIV verbreitet sind, die 5-Jahres-Prävalenz bei fast 130 auf 100 000 Einwohner (2). Bei sehr vielen Betroffenen wird die Aspergillose mit der zugrunde liegenden Tuberkulose verwechselt und folglich nicht erkannt.
Aktuelle Leitlinie fasst Evidenzlage zusammen
Das evidenzbasierte Wissen zu dieser Erkrankung wurde in einer kürzlich von ERS und ESCMID gemeinsam publizierten Leitlinie zusammengefasst (3). Die Leitlinie weist den Weg zu einer Diagnose in vier Schritten. Der erste Schritt besteht in der Bildgebung. Zeigt diese eine oder mehrere Kavernen mit oder ohne Aspergillom oder Noduli, so sollte dies den Verdacht in Richtung einer Aspergillose lenken. Der zweite Diagnoseschritt ist der Nachweis des Pilzes entweder direkt oder mittels eines immunologischen Tests. Salzer unterstreicht in diesem Zusammenhang, dass Sputum nicht für die Diagnose geeignet ist und ein direkter Pilznachweis entweder aus der bronchoalveolären Lavage oder direkt aus dem Biopsat oder Resektat erfolgen muss. Doch es gibt eine Alternative. Salzer: «Eine der zentralen Botschaften dieser Leitlinie ist, dass sie die Rolle des Tests auf aspergillusspezifisches IgG hervorhebt.» Dieser zeichnet sich durch hohe Sensitivität (75–96%) und noch höhere Spezifität (97–99%) aus (4). Im dritten Schritt sind alternative Diagnosen wie Malignome, Autoimmunerkrankungen und vor allem Tuberkulose auszuschliessen. Der vierte Schritt bezieht sich auf die Dauer der Symptome und Befunde,
die für mindestens drei Monate vorhanden sein müssen. Salzer: «Wenn ein Patient zu mir kommt, der seit mehr als 3 Monaten Beschwerden hat und alle Tests weisen auf eine Aspergillose hin, dann interpretiere ich die Leitlinie so, dass ich die Diagnose stellen kann und die Befunde nicht nach 3 Monaten wiederholen muss.»
Therapie über mindestens 6 Monate
In der Therapie wird Itraconazol 200 mg zweimal täglich oder alternativ Voriconazol 150 bis 200 mg zweimal täglich empfohlen. Dabei soll ein Monitoring der Plasmaspiegel durchgeführt werden. Salzer: «Wir haben es hier mit einer chronischen Lungenkrankheit zu tun. Die Therapie sollte daher über mindestens 6 Monate durchgeführt werden. Mit der Therapie können wir die Progression aufhalten, die Fibrose stoppen, die Lebensqualität verbessern und Hämoptysis verhindern.» Dennoch ist die Mortalität hoch. Sie liegt kurzfristig bei 20 bis 33 Prozent und über fünf Jahre bei rund 50 Prozent. Hat man es mit einem einzigen Aspergillom zu tun, wird daher die chirurgische Resektion empfohlen. Auch mit der Instillation antifungaler Substanzen direkt in die Kavernen wurden gute Erfolge beschrieben. Die Leitlinie weist auch auf Sonderformen der Erkrankung hin, die bei der Diagnosestellung berücksichtigt werden müssen. So kommt es bei der chronisch fibrosierenden pulmonalen Aspergillose zu schwerer fibrotischer Destruktion von Lungengewebe. Auch sind bei immunkompromittierten Patienten schwere Verlaufsformen wie die subakute invasive Aspergillose oder die chronisch nekrotisierende pulmonale Aspergillose bekannt, die wie eine invasive Aspergillose behandelt werden müssen.
Reno Barth
Referenzen: 1. Denning DW et al.: Global burden of chronic pulmonary aspergillosis as a sequel to pulmonary tuberculosis. Bull World Health Organ 2011; 89(12): 864–872. 2. http://www.gaffi.org/why/burden-of-disease-maps/cpa-prevalence/ 3. Denning DW et al.: Chronic pulmonary aspergillosis: rationale and clinical guidelines for diagnosis and management. Eur Respir J 2016; 47(1): 45–68. 4. Page ID et al.: Comparison of six Aspergillus-specific IgG assays for the diagnosis of chronic pulmonary aspergillosis (CPA). J Infect 2016; 72(2): 240–249.
Quelle: Session «ERS publications: a focus on recent guidelines and task forces», anlässlich des 26. Jahreskongresses der European Respiratory Society (ERS), 2. September 2016 in London.
Die Aspergillose-Leitlinie online:
CongressSelection Pneumologie • November 2016 • 43