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ERS
COPD beschleunigt Alterungsprozess
Identifizierung zentraler Mechanismen liefert Angriffspunkte für zukünftige Therapien
Verschiedene chronische Erkrankungen, so auch die chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD), scheinen mit einem beschleunigten Alterungsprozess einherzugehen. Eine Identifizierung der zugrunde liegenden Mechanismen bietet die Chance, in Zukunft gezielt therapeutisch eingreifen zu können.
«Es existiert das Konzept, dass eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung durch eine Beschleunigung des physiologischen Alterungsprozesses charakterisiert ist», erklärte Prof. Peter Barnes aus London/Grossbritannien. Dies werde jedoch nicht nur bei der COPD diskutiert, sondern auch im Zusammenhang mit anderen chronischen Erkrankungen – so zum Beispiel bei Herz-Kreislauf- oder metabolischen Erkrankungen. «Heute erscheint es als wahrscheinlich, dass diesem beschleunigten Alterungsprozess gemeinsame pathologische Mechanismen zugrunde liegen.»
Gemeinsame Mechanismen der beschleunigten Alterung
Wie Barnes weiter ausführte, konnten mittlerweile verschiedene dieser Mechanismen identifiziert werden. So werde davon ausgegangen, dass es bei COPD zu einer vermehrten zellulären Seneszenz kommt (1). «Wir wissen heute, dass dies zu einer Verschlechterung der Organfunktion und zu einer Verkürzung des Lebens führt.» Die zelluläre Seneszenz wird durch verschiedene Prozesse wie eine Verkürzung der DNA-Telomere, eine Aktivierung des PI3K-mTOR-Signalwegs, eine Beeinträchtigung der Autophagie, eine mitochondriale Dysfunktion, durch epigenetische Veränderungen, pathologische Mikro-RNAProfile, eine Alterung des Immunsystems (Immunoseneszenz) und eine niedriggradige chronische Entzündung (Inflammaging) ausgelöst (1). «Viele dieser Prozesse werden durch oxidativen Stress vorangetrieben», so Barnes weiter. Oxidativer Stress führe zudem auch zu einer Abnahme verschiedener Anti-Aging-Moleküle wie SIRT1, SIRT6, FOXO.
Mögliche therapeutische Ansätze
Das sich stetig erweiternde Wissen über diese Mechanismen bietet auch die Chance, therapeutisch eingreifen zu können. «Das ist ein sehr spannender Gedanke, da wir ja davon ausgehen, dass diese Prozesse nicht nur bei der COPD, sondern auch bei anderen chronischen Erkrankungen eine Rolle spielen. Damit könnten wir gegen verschiedene Erkrankungen vorgehen», erläuterte Barnes. Aufgrund der Bedeutung des PI3K-mTOR-Signalwegs bei der zellulären Seneszenz stellt dieser einen guten therapeutischen Angriffspunkt dar. «Substanzen wie Rapamycin oder Metformin setzen hier an und haben in verschie-
denen tierexperimentellen Untersuchungen tatsächlich zu einer Lebensverlängerung geführt», erklärte er. Allerdings sei gerade bei Rapamycin die Verträglichkeit für eine Langzeitanwendung ungenügend. Ein anderer Ansatz konzentriert sich auf das natürliche Polyphenol Resveratrol, das Flavon Quercitin und entsprechende Analoga. «Resveratrol, das in roten Trauben sowie Rotwein, und Querticin, das in Äpfeln vorkommt, zeigten in verschiedenen Spezies einen lebensverlängernden Effekt, vermutlich über eine Aktivierung von SIRT1. Jedoch sind die beiden Substanzen durch eine schlechte orale Bioverfügbarkeit, eine rasche Metabolisierung und eine niedrige Potenz charakterisiert.» Daher wurden mittlerweile verschiedene potente synthetische Analoga entwickelt, die als Sirtuin Activating Compounds (STAC) bezeichnet werden (2). «Bei Mäusen, die Zigarettenrauch ausgesetzt waren, verhinderte das STAC SRT2171 eine Zunahme der Matrix-Metalloprotease 9, die mit einer Emphysembildung assoziiert ist, und bewirkte eine Verbesserung der Lungenfunktion», erläuterte Barnes. «Neben diesen pharmakologischen Ansätzen werden auch Lebensstilmassnahmen wie eine kalorienrestriktive Ernährung und eine mediterrane Diät mit einer Hemmung des mTOR-Signalwegs beziehungsweise einer Aktivierung von SIRT1 und einem entsprechend positiven Effekt in Verbindung gebracht», ergänzte er weiter. Abschliessend betonte Barnes, es sei sicher eine unrealistische Hoffnung, eine Art «Lebenselixier» zu finden, mit dessen Hilfe der natürliche Alterungsprozess rückgängig gemacht werden könnte. «Es geht mehr darum, das beschleunigte Altern zu stoppen und zu einem gesunden Älterwerden zurückzukehren.»
Therese Schwender
Referenzen: 1. Barnes PJ et al.: Mechanisms of development of multimorbidity in the elderly. Eur Respir J 2015; 45: 790–806. 2. Hubbard BP, Sinclair DA: Small molecule SIRT1 activators for the treatment of aging and age-related diseases. Trends Pharmacol Sci 2014; 35: 146–154.
Quelle: Hot Topic Session «The future is now: the challenge of aging in respiratory medicine», anlässlich des 26. Jahreskongresses der European Respiratory Society (ERS), 6. September 2016 in London.
14 • CongressSelection Pneumologie • November 2016