Transkript
ERS
Allergikerkarriere wird früh gebahnt
Einflüsse von geringem Geburtsgewicht, Schnittentbindung und früher Antibiose
Mehrere Studien, die im Rahmen des ERS vorgestellt wurden, verdeutlichen, dass der Start ins Leben und die früheste Kindheit das Risiko für spätere Allergien entscheidend beeinflussen können. Als Ursachen wird der Einfluss auf das Mikrobiom diskutiert.
Schon im ersten Trimester der Schwangerschaft werden die Weichen für die spätere respiratorische Gesundheit gelegt. «Die Grösse des Fetus im ersten Trimenon – ein Hinweis auf die Lungengrösse des Fetus – ist relevant für die Symptome und die respiratorische Physiologie während der Kindheit», erklärte Dr. Stephen Turner aus Aberdeen/Grossbritannien: Er untersuchte mit seinem Team einen möglichen Zusammenhang zwischen der Grösse des Fötus im ersten und zweiten Trimenon und der Entwicklung eines Asthma bronchiale oder einer reduzierten Lungenfunktion in den ersten 15 Lebensjahren (1). Für seine Studie rekrutierte er 2000 Mütter, die in der Klinik zwischen 1997 und 1999 während der Schwangerschaft betreut wurden. Die Grösse der Feten wurde im ersten und zweiten Trimenon mittels Ultraschall bestimmt. Nach der Geburt prüfte man die Lungenfunktion sowie den Asthmastatus, wenn die Kinder 5, 10 und 15 Jahre alt waren. Die grösseren Feten hatten ein geringeres Asthmarisiko und eine bessere Lungenfunktion als solche mit geringem Gewicht. In der Studie wurden die Feten entsprechend ihrer Grösse vier Gruppen zugeordnet, von anomal klein bis anomal gross. Jeder Anstieg der Grösse im ersten Trimenon war mit einem um 22 Prozent reduzierten Risiko für ein Asthma im Alter von 5, 10 und 15 Jahren assoziiert. Dieser Zusammenhang blieb unverändert bestehen, wenn bekannte Risikofaktoren berücksichtigt wurden.
Kaiserschnitt fördert Allergikerkarriere
Auch elektive Kaiserschnitte erhöhen das Risiko der Kinder, bis zum Schulalter an Asthma zu erkranken: Dies zeigte eine Analyse von neuen prospektiven Geburtskohorten aus Europa (2). «Diese Information ist sehr wichtig angesichts der Tatsache, dass in westlichen Ländern immer mehr Babys per Kaiserschnitt auf die Welt kommen», erklärte Dr. Franca Rusconi aus Florenz/Italien. In die Analyse gingen Daten von 67 613 Kindern im Alter von 5 bis 7 Jahren ein. Der prozentuale Anteil der Kinder, die im Schulalter an Asthma erkrankt waren, lag zwischen 3,3 und 11,3 Prozent. 9,4 bis 37,5 Prozent der Kinder kamen per Kaiserschnitt auf die Welt, der Anteil der elektiven Schnittentbindungen lag zwischen 4,7 und 17,8 Prozent. Kinder, die aufgrund eines elektiven Kaiserschnitts zur Welt kamen, hatten ein höheres Risiko, an Asthma zu erkranken, als solche mit vaginaler Entbindung, selbst nach Anpassung von zahlreichen Einflussfaktoren wie zum Beispiel Alter der Mutter bei der Geburt. Dagegen wiesen Kinder, die notfallmässig per Kaiserschnitt zur Welt kamen, kein erhöhtes Asthmarisiko auf. Wurden nur die Kinder ausgewertet, die zum er-
rechneten Geburtstermin zur Welt gebracht wurden, so war der Zusammenhang sogar noch stärker: Die Kaiserschnittbabys hatten ein um 50 Prozent erhöhtes Risiko, ein Asthma zu entwickeln.
Kleinkinder: möglichst wenig Antibiotika verordnen
Zudem erhöht eine Antibiotikatherapie in den ersten beiden Lebensjahren das Risiko, allergische Ekzeme oder Heuschnupfen zu entwickeln – so das Ergebnis einer aktuellen Metaanalyse von Dr. Fariba Ahmadizar aus Utrecht/Niederlande und ihrem Team (3). Die Forscher analysierten alle zwischen 1966 und 2015 publizierten Studien, die einem möglichen Zusammenhang zwischen einer frühen Antibiotikatherapie und späteren Erkrankung an Ekzemen oder Heuschnupfen nachgingen. Bezüglich von Ekzemen konnten insgesamt 22 Studien mit 395 000 Patienten ausgewertet werden. Kinder mit Antibiotikabehandlung innerhalb der ersten zwei Lebensjahre wiesen abhängig vom Studientyp ein um 15 Prozent (Querschnittstudie) beziehungsweise ein sogar um 41 Prozent (Kohortenstudien) erhöhtes Risiko auf, an Ekzemen zu erkranken. Zum Zusammenhang mit allergischer Rhinitis fanden die Autoren 22 Studien mit 257 000 Patienten. Das Heuschnupfenrisiko erhöhte sich um 14 Prozent (Querschnittstudien) beziehungsweise 56 Prozent (Kohortenstudien), wenn die Kinder in den ersten Jahren Antibiotika erhielten. Die Assoziation war sowohl bezüglich Ekzem als auch bezüglich Heuschnupfen deutlicher, wenn die Kinder mehr als einmal mit Antibiotika behandelt worden waren. Die beiden letztgenannten Faktoren, also Kaiserschnitte und eine frühe Antibiose, verändern vermutlich das intestinale Mikrobiom, was zu immunologischen Veränderungen führt, die das Risiko für die allergischen Erkrankungen erhöhen.
Susanne Kammerer
Referenzen: 1. Devereux G et al.: Fetal origins of persistent childhood asthma. ERS 2016, Abstract 3302. 2. Sonnenschein-van der Voort A et al.: Late-breaking abstract: Mode of delivery and asthma at school age in nine European birth cohorts. ERS 2016, Abstract Nr. 3299. 3. Ahmadizar F et al.: Early life antibiotic exposure is associated with an increased risk of allergy. ERS 2016, Abstract 3639.
Quelle: Sessions «Early determinants of childhood asthma and allergy» und «Immune responses in the lung», anlässlich des 26. Jahreskongresses der European Respiratory Society (ERS), 6. September 2016 in London.
34 • CongressSelection Pneumologie • November 2016