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SGGG
Nachsorge bei Mammakarzinom: Lebensqualität im Mittelpunkt
Nicht alles, was machbar ist, nützt auch der Patientin
In der Schweiz erleben etwa 5000 bis 6000 Frauen nach ihrer MammakarzinomPrimärtherapie ein Rezidiv beziehungsweise Metastasen. 36 000 bis 40 000 Frauen überleben ohne Rezidive/Metastasen. Frauen mit dem Status «nach Mammakarzinom» gut zu betreuen, ist eine komplexe Aufgabe.
Daniel Fink
Anders als bei manch anderen Karzinomen gilt eine von einem Mammakarzinom betroffene Frau, auch nach 5 Jahren Rezidivfreiheit, nicht als geheilt. Die höchste Rezidivrate liegt bei einem Östrogen-Rezeptor-negativen (ER-negativen) Tumor zwischen dem 2. und 3. Jahr. Bei Östrogen-Rezeptor-positiven Tumoren sind die Rezidivraten zwischen dem 2. und dem 3. Jahr etwas niedriger, doch ab dem 4. Jahr höher als beim ER-negativen Tumor. Insgesamt sinkt die Rezidivrate beider Tumorarten im Verlauf der ersten 10 Jahre, doch ein Restrisiko bleibt bestehen.
Drei Schwerpunkte stehen im Mittelpunkt
Bei der Tumornachsorge stehen drei Schwerpunkte im Mittelpunkt: • psychologische Rehabilitation • Behandlung unerwünschter Therapiefolgen • Erkennung von Rezidiven. Bei der psychologischen Rehabilitation geht es unter anderem um die Integration am Arbeitsplatz, die Motivation für Sport, eine Beratung bezüglich rekonstruktiver Möglichkeiten und gegebenenfalls um Informationen zu Selbsthilfegruppen. Der Abbau von Ängsten und die Erhaltung oder Verbesserung der Lebensqualität spielen
HÄUFIGSTE NEBENWIRKUNGEN DER ENDOKRINEN THERAPIE
Symptom Arthralgien Frakturen Hitzewallungen Vaginale Blutungen Vaginaler Ausfluss Vaginale Trockenheit Venöse Thromboembolien Endometriumkarzinom Fatigue Abnahme der Libido
Behandlung mit
Tamoxifen
Aromatasehemmer
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ebenfalls eine erhebliche Rolle. Neben den psychischen Aspekten sollten bei der Brustkrebsnachsorge ein möglicherweise vorhandener Diabetes mellitus gut eingestellt, eine Gewichtsintervention bei Unter- oder Übergewicht durchgeführt werden (bei BMI < 18,5 oder > 40), der Alkoholkonsum sollte unter 6 g/Tag liegen sowie das Rauchen aufgegeben werden. Insbesondere der Sport sollte als Massnahme zur Prävention von Rezidiven nicht unterschätzt werden, schilderte Prof. Daniel Fink aus Zürich.
Metastasiertes Mammakarzinom ist nicht mehr heilbar
Bezüglich der Früherkennung von Rezidiven und Metastasen gilt es Folgendes zu beachten: Sobald ein Mammakarzinom Metastasen (beispielsweise Knochenmetastasen) gebildet hat, ist es in der Regel nicht mehr heilbar, wie Fink erläuterte. Ein frühes Detektieren dieser Metastasen verkürzt im Grunde die therapiefreie Zeit. Daher gilt es, den Fokus auf die Früherkennung von heilbaren Rezidiven zu richten. Das sind intramammäre Rezidive und lokoregionäre Rezidive. Das Früherkennen von symptomatischen Metastasen ist ebenfalls sinnvoll, nicht aber das Früherkennen asymptomatischer Metastasen. Häufig kommt es vor, dass betroffene Frauen den Wunsch nach einer intensivierten Nachsorge äussern. Sie richten eine Frage an den Arzt wie: «Können wir nicht mal eine Positronen-Emissions-Tomografie (PET) machen, um nach Metastasen zu schauen?», berichtete Fink. Es sei dann nicht leicht, diesen Frauen zu erklären, dass eine frühe Diagnose von Metastasen die Lebenszeit nicht verlängert. Ein weiterer Aspekt der Nachsorge sollte die Verbesserung der Lebensqualität, die Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit und die Reduktion therapeutischer Nebenwirkungen wie zum Beispiel Osteoporose, Herzinsuffizienz, Fatigue, Neurotoxizität, Lymphödeme, sexuelle Beschwerden sowie kognitive Einschränkungen umfassen. Denn viele Patienten leiden auch nach der Therapie noch an Vergesslichkeit (sog. «Chemobrain»).
Compliance im Fokus
Ein Thema, das ebenfalls wichtig ist, ist die Compliance der Patienten, die regelmässig überprüft werden sollte. Bei der Behandlung mit Tamoxifen wissen Ärzte mittlerweile, dass eine Therapie über 10 Jahre eine wesentlich bessere Wirkung zeigt als eine 5-jährige Therapie. Bei einer Aromatasehemmertherapie (AI) ist dies nicht so.
14 • CongressSelection Gynäkologie • Oktober 2016
Take Home Messa es
® Eine intensive Nachsorge schützt nicht vor einem
Rezidiv, deckt diese aber früher auf.
® Bezüglich des Gesamtüberlebens oder des krank-
heitsfreien Überlebens bietet die intensivierte Nachsorge keinen Vorteil.
® Als Nachteile gelten zusätzliche Kosten (z.B. durch
Abklärung nicht eindeutiger Befunde) und das Verlorengehen eines Teils der Lebensqualität. Dabei spielt beispielsweise die Angst der Patientin bei unklaren Befunden eine erhebliche Rolle.
® Fernmetastasen zu detektieren, hat keine Vorteile
für die Patientin, heilbare Rezidive im Rahmen einer Standardnachsorge zu finden hingegen schon.
Soll die Patientin über 10 Jahre therapiert werden, sollte man in diesem Fall nach 5 Jahren Aromatasehemmertherapie die Therapieform wechseln.
Management klimakterischer Beschwerden bei Brustkrebs
Von einer Hormonersatztherapie bei Zustand nach Mammakarzinom rät Fink ab. Vielmehr sollte auf alternative Behandlungsoptionen zurückgegriffen werden, die eine gut vertretbare Option zur Linderung der klimakterischen Beschwerden darstellen. Als Alternativen bieten sich hier Cimicifuga racemosa und selektive SerotoninNoradrenalin-Reuptake-Inhibitoren (SNRI/SSRI) an. Dabei ist aber Folgendes zu beachten: Bezüglich der Therapie mit Cimicifuga racemosa ist die klinische Datenlage noch begrenzt, und die volle Wirkung setzt erst nach einigen Wochen ein. Dies sollte auch der Patientin mitgeteilt werden. Bei der Gabe von selektiven Serotonin-NoradrenalinReuptake-Inhibitoren gilt es unbedingt zu beachten, dass es zu pharmakokinetischen Interaktionen mit dem Enzym CYP2D6 unter Tamoxifen kommen kann (1). Dadurch kann sich die Plasmakonzentration der aktiven Form von Tamoxifen um 65 bis 75 Prozent reduzieren. Ferner können SNRI/SSRI eine Libidoabnahme, eine Gewichtszunahme sowie gatrointestinale Nebenwirkungen nach sich ziehen.
Christina Thonack
Referenz: 1. Stearns V et al.: Active Tamoxifen Metabolite Plasma Concentrations After Coadministration of Tamoxifen and the Selective Serotonin Reuptake Inhibitor Paroxetine; Jnl of National Cancer Institute 2003; 95(23): 1758–1764.
Quelle: Workshop Nr. 14/AGO «Nachsorge nach Mammakarzinom und gynäkologischen Tumoren» beim Jahreskongress der SGGG, 24. Juni 2016 in Interlaken.
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