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SGGG
Klimakterische Beschwerden gut behandeln
Pflanzenwelt bietet passende Alternativen für verschiedene Symptomenkomplexe
Klimakterische Beschwerden sind individuell und können von Frau zu Frau sehr unterschiedlich sein. Neben dem hormonellen Status spielen auch familiäre und soziokulturelle Faktoren eine Rolle. Nicht in jedem Fall muss behandelt werden, doch wenn die Lebensqualität stark beeinträchtigt ist, ist eine Therapie angeraten.
Fortbildungsmöglichkeiten zum Thema Phytomedizin bietet die Schweizerische Medizinische Gesellschaft für Phytotherapie (SMGP) an: www.smgp.ch
oben: Johanniskraut (Hypericum perforatum) © Pixelmixel – Fotolia.com
links: Traubensilberkerze (Cimicifuga racemosa) © emer – Fotolia.com
Klimakterische Beschwerden umfassen bekanntlich teils psychische, teils vegetative Symptome. Häufig sind Schweissausbrüche, Hitzewallungen, Hautrötungen, Gelenkschmerzen, Stimmungsschwankungen und auch Depressionen. Je nach Ursache sind die Therapieoptionen ebenso unterschiedlich. Angefangen bei Ernährungsempfehlungen, die beispielsweise die Vermeidung von Koffein, höherprozentigen alkoholischen Getränken und scharf gewürzten Mahlzeiten umfassen oder kalziumreiche Nahrungsmittel anraten. Darüber hinaus können Entspannungsverfahren die Beschwerden lindern.
«Haben Sie da nicht etwas Natürliches?»
Bei einer Vielzahl der Betroffenen ist eine Hormonersatztherapie zu empfehlen, was jedoch von vielen Frauen abgelehnt oder zumindest kritisch gesehen wird. In erster Linie haben diese Frauen meist Angst vor einem erhöhten Brustkrebsrisiko und kommen mit der folgenden Frage in die gynäkologische Praxis: «Haben Sie da nicht etwas Natürliches?», so Dr. Gesa Otti-Rosebrock aus Bern beim Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG) in Interlaken. Schon aus diesem Grund lohnt sich der Blick in die Pflanzenwelt, um zu sehen, was die Phytomedizin zu bieten hat. Denn es gibt viele Pflanzen, die entsprechend den Symptomen einsetzbar und wirksam sind. Etabliert hat sich in den vergangenen Jahren der Extrakt aus der Traubensilberkerze (Cimicifuga racemosa). In bereits älteren
tierexperimentellen Studien konnte eine deutliche östrogenartige Wirkung auf den Hormon-, den Knochen- und den Fettstoffwechsel nachgewiesen werden (1). Eine doppelblinde, plazebokontrollierte Studie zeigte günstige Effekte des Extraktes unter anderem auf relevante Knochenmarker (2). Cimicifuga racemosa zeige sowohl in vitro als auch in vivo eine Wirkung über Serotonin- und Dopaminrezeptoren, schilderte Dr. Dorin Ritzmann aus Dietikon. Nach ihrer eigenen Erfahrung mit der Pflanzendroge als Urtinktur ist sie ein gutes Mittel bei Wallungen, Herzrasen und entzündlichen Erkrankungen. Allerdings sollte die Traubensilberkerze nur bei Frauen mit noch vorhandener (starker) Blutung angewendet werden, so Ritzmann.
Komplexe Zusammensetzung mit vielfältiger Wirkung
Ein wesentlicher Unterschied zwischen pflanzlichen Arzneimitteln und chemisch-synthetischen Arzneimitteln ist, dass die pflanzliche Zubereitung aus vielen verschiedenen Substanzen besteht. Aufgrund dieser komplexen Zusammensetzung mit unterschiedlichen biochemischen Strukturen kann das Präparat dann vielfältig wirken. Chemisch-synthetische Arzneimittel bestehen meist aus einer exakt definierten Einzelsubstanz (3). Auf dem Markt ist eine Vielzahl pflanzlicher Arzneimittel erhältlich. Darüber hinaus ist es für den behandelnden Arzt auch möglich, eine Urtinktur aus den einzelnen Pflanzenextrakten ganz individuell, entsprechend den Beschwerden der Frau, zusammenzustellen. Sie sei per Magistralrezept über die Grundversicherung in der Schweiz problemlos abzurechnen, schilderte Otti-Rosebrock. Wichtig ist es dafür, die Wirkungen der einzelnen Pflanzen genau zu kennen und diese entsprechend zu kombinieren. Ritzmann empfiehlt eine Rezeptur von 100 ml. Es habe sich bewährt, fünf Pflanzen zu je 20 ml zu kombinieren. Die Mischung sollte drei Hauptpflanzen und zwei Nebenpflanzen enthalten. Dabei werden die drei Hauptpflanzen aufgrund der Hauptbeschwerden ausgesucht, die zwei Nebenpflanzen beziehen die individuelle Situation der Betroffenen mit ein.
Traubensilberkerze und Johannisbeerblätter helfen bei Wallungen
Bei Wallungen (aufzuteilen in trockene Hitze, feuchte Wallungen, Erröten, Schwitzen) hat sich für Ritzmann eine
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Weissdorn (Crataegus oxyacantha) © unpict – Fotolia.com
Kombination der Hauptpflanzen Traubensilberkerze (Cimicifuga racemosa Droge Radix) mit Blättern der Schwarzen Johannisbeere (Ribis nigri folium) als wirksam erwiesen. Beispielsweise können diese zwei Extrakte mit der weiteren Hauptpflanze Salbei (Salvia officinalis Folia) sowie den Nebenpflanzen Hopfen (Humulus lupulus Flores) und Zitronenmelisse (Melissa officinalis Herba) ergänzt werden. Einzunehmen sind einmal täglich 10 Tropfen mit etwas Wasser. Die Wirkung tritt innerhalb von 2 Wochen ein. Nach 3 Monaten sollte ein Beschwerderückgang eindeutig feststellbar und nach weiteren sechs Monaten eine weitere Verbesserung zu verspüren sein.
Schafgarbe, Löwenzahn und Grosse Klette helfen bei körperlicher Schwäche
Bei körperlicher Schwäche rät die Gynäkologin zu einer Kombination der Hauptpflanzen Schafgarbe (Achillea millefolium), Löwenzahn (Taraxacum officinale) und Grosser Klette (Arctium lappa) mit zwei der drei Nebenpflanzen Birke (Betula alba), Mutterkraut (Chrysanthemum parthenium) und Sonnenhut (Echinacea purpurea).
Weissdorn, Johanniskraut und Mönchspfeffer bei emotionaler Unausgeglichenheit
Bei emotional-geistiger Unausgeglichenheit bietet sich eine Kombination der Hauptpflanzen Weissdorn (Crataegus oxyacantha), Johanniskraut (Hypericum perforatum) und Mönchspfeffer (Vitex agnus castus) mit zwei der drei Nebenpflanzen Rosenwurz (Rhodiola rosea), Passionsblume (Passiflora incarnata) und Kamille (Matricaria chamomilla) an.
Christina Thonack
Referenzen: 1. Seidlová-Wuttke D et al.: Pharmacology of Cimicifuga racemosa Extract BNO 1055 in rats: bone, fat and uterus. Marturitas 44 (Suppl. 2003); 39–50. 2. Wuttke W et al.: Effects of black cohosh (Cimicifuga racemosa) on bone turnover, vaginal mucosa, and various blood parameters in postmenopausal women: Menopause 2006; 13/2: 185–196. 3. Schweizerische Medizinische Gesellschaft für Phytotherapie. 4. Dorin Ritzmann, www.phytogyn.ch
Quelle: Workshop Nr. 10 «Klimakterische Beschwerden – Was kann die Phytotherapie bieten?» beim Jahreskongress der SGGG, 23. Juni 2016 in Interlaken.
WIRKUNGEN DER NEBENPFLANZEN
(auf individuelle Beschwerden angepasst) (4):
Wallungen G Hopfen ist aufgrund seiner leicht östrogenen Wirkung ein besonders in der Perimeno-
pause gut geeignetes Beruhigungsmittel. Darüber hinaus wirkt er cholagog, leberaktivierend, leicht diuretisch und spasmolytisch. Hopfen hat eine gute Wirkung auf Haut und Haar. G Zitronenmelisse ist eine entspannende, ausgleichende, fröhlich stimmende Pflanze. Sie hilft bei Krämpfen, Muskelverspannungen, Nervosität und Schlafstörungen sowie bei diastolisch hohem Blutdruck, Spannungskopfschmerzen und Migräne. G Hundsrose (Rosa canina) ist bei Wallungen ebenfalls als Nebenpflanze einsetzbar. Sie wirkt entzündungshemmend, stärkt die Abwehr von Haut und Schleimhaut durch Biofilmpenetration. Sie schützt vor oralen, bukkalen, enteralen und vaginalen Besiedlungen und wirkt ausgleichend sowie beruhigend. Die Hundsrose ist gut für aggressive Personen geeignet.
Körperliche Schwäche G Birke wirkt als Birkenblätterauszug sanft entwässernd, entzündungshemmend und
stärkend. Gut wirksam auch bei Haut- und Haarproblemen. Die Birke ist gut kombinierbar und in jedem Alter anwendbar. Sinnvoll ist es, die Pflanze bei nervösen, sensiblen und mutlosen Menschen einzusetzen. G Mutterkraut hat eine günstige Wirkung bei Migräne. Sie ist eine Pflanze, die die Leberfunktion anregt sowie cholagog, emmenagog (cave bei Schwangerschaften), reinigend, entgiftend, darmanregend und stärkend wirkt. Das Mutterkraut bietet sich an bei Personen, die zu Ödemen neigen, bei Obstipation, Asthma und Magenschmerzen. Es regt den Stoffwechsel stark an. G Sonnenhut wirkt stimulierend und stärkend und findet seinen Einsatz in kurzen Dosen (bis zu 1 Woche) bei Anfälligkeit für virale Infekte. Sonnenhut stärkt darüber hinaus auch die seelische Abwehr.
Emotional-geistige Unausgeglichenheit G Rosenwurz beeinflusst positiv die Konzentrationsfähigkeit und das Erinnerungsver-
mögen. Sie stärkt die Abwehr und ist gut für Personen geeignet, die depressiv, vergesslich oder ängstlich sind. G Passionsblume löst Angst und beruhigt. Sie entspannt die Muskeln und fördert den Schlaf. Sie ist geeignet für nervöse und angespannte Personen. G Kamille ist eine angstlösende, beruhigende und krampflösende Pflanze. Ihr Einsatz ist sinnvoll bei Menschen, die unter innerer Anspannung mit Koliken, Blähungen, Blutdruckerhöhung, im Zusammenhang mit Angst und Unruhe, leiden.
Mönchspfeffer (Vitex agnus castus) © tunedin – Fotolia.com
Take Home Messa es
® Bei klimakterischen Beschwerden ist eine Hormonersatztherapie häufig angeraten. ® Für Patientinnen, die nach pflanzlichen Arzneimitteln fragen, gibt es viele Präpa-
rate auf dem Markt, die ebenfalls gute Wirkungen zeigen, welche auch mit Studien bewiesen sind. Ferner sind pflanzliche Arzneimittel gut verträglich und zeigen geringere Nebenwirkungen.
® Auch eine individuelle Urtinkturmischung aus unterschiedlichen Heilpflanzen ist
möglich. Sie kann vom Apotheker, entsprechend den Angaben auf einem Magistralrezept, hergestellt werden.
CongressSelection Gynäkologie • Oktober 2016 • 17