Transkript
SGGG
Ernährung und Mikronährstoffe in der Schwangerschaft
Wie viel Folsäure, Jod und Vitamin D brauchen werdende Mütter?
Auch wenn längst bekannt ist, dass Schwangere nicht zweimal so viel wie zuvor, sondern besser zweimal so gesund wie zuvor essen sollten, ist doch vielen Schwangeren der tatsächliche zusätzliche Kalorienbedarf nicht bekannt. Ein weiteres Problemfeld ist die qualitative Verbesserung. Hier hilft eine sinnvolle Supplementierung.
Quelle: Workshop Nr. 10 «Klimakterische Beschwerden – Was kann die Phytotherapie bieten?» beim Jahreskongress der SGGG, 23. Juni 2016 in Interlaken.
Ab dem 2. Trimenon beträgt der zusätzliche Energiebedarf einer schwangeren Frau etwa 250 Kilokalorien und ab dem 3. Trimenon 300 Kilokalorien. Während der Schwangerschaft gilt es, die Gewichtszunahme stets im Blick zu behalten und in Bezug zum Ausgangsgewicht zu setzen. Bei einem normalen Ausgangsgewicht (BMI 18,5–24,9) ist eine Gewichtszunahme von 11,5 bis 16 Kilogramm angeraten. Hat eine Frau bereits vor der Schwangerschaft Übergewicht (BMI 25–29,9), sollte sie bis zur Geburt ihres Kindes möglichst nur 7 bis 11,5 Kilogramm zunehmen. Bei Untergewicht (BMI < 18,5) sind 12,5 bis 18 Kilogramm Gewichtszunahme wünschenswert. Denn gewisse Komplikationen während der Schwangerschaft und Geburt gehen mit einem hohen, aber auch mit einem zu niedrigen BMI einher, wie Prof. Irene Hösli aus Basel schilderte (1). Bei Kinderwunsch, in der Schwangerschaft und während der Stillzeit sollte der Fokus auf einer gesunden Mischkost liegen. Bei erhöhtem Bedarf einzelner Mikronährstoffe kann eine Substitution sinnvoll sein.
Folsäure
Der Bedarf an Folsäure ist vom Alter abhängig. Der Tagesbedarf eines 4-jährigen Kindes liegt bei 120 Mikrogramm (µg), im Alter zwischen 4 und 7 Jahren steigt der Bedarf auf 140 µg, zwischen 7 und 10 Jahren benötigen Kinder 180 µg Folsäure, zwischen 10 und 13 Jahren 200 µg. Ab einem Alter von 13 Jahren sollte eine Person 300 µg Folsäure zu sich nehmen. Zum Zeitpunkt des Kinderwunsches (präkonzeptionell) und während der Schwangerschaft wird in der Schweiz offiziell eine generelle Substitution von 400 µg/Tag, bevorzugt als 5-methylTHF, empfohlen. Bei der Einnahme von Folsäureantagonisten, bei Diabetes mellitus, beim Status nach Neuralrohrdefekt, beim Vorliegen einer Mehrlingsschwangerschaft oder einem BMI > 30 werden 5 mg/Tag empfohlen. Die Einnahme von Folsäure präkonzeptionell ist besonders wichtig, um den Spiegel schon vor der Befruchtung anzuheben. Insbesondere für den Schluss des Neuralrohres ist dies von entscheidender Bedeutung. Denn dieses schliesst sich bereits in der 3. bis 4. Schwangerschaftswoche. Darüber hinaus wird die Folsäure für die fetale/ maternale DNA sowie für die RNA-Synthese benötigt. Sie ist wichtig für die Zellteilung und die Zellneubildung, den Aminosäuremetabolismus, den Aufbau des Hämoglobins und den aktiven plazentaren Transport.
Jod
Jodid ist ein wesentlicher Bestandteil der Schilddrüsenhormone Thyroxin und Trijodthyronin. Diese Hormone
beeinflussen bekanntlich die Aufrechterhaltung des Grundmetabolismus aller Organe und das Knochenwachstum (2). Von einem Jodmangel sind weltweit 38 Prozent der Bevölkerung betroffen. Er ist einer der häufigsten Gründe für eine latente oder manifeste Hypothyreose. Ab der 20. Schwangerschaftswoche produziert der Fetus selbst Schilddrüsenhormone und ist dementsprechend auf eine ausreichende Versorgung mit Jodid angewiesen. Der Jodidbedarf in der Schwangerschaft beträgt 250 µg/Tag. Ein Jodidmangel während der Schwangerschaft oder Stillzeit kann unter anderem zu irreversiblen geistigen Entwicklungsstörungen und zu einem verlangsamten Knochenwachstum führen. Für schwangere Frauen, die eine geringe Jodzufuhr haben, weil sie kein jodiertes Salz verwenden, wird eine pränatale Substitution mit 150 bis 200 µg Jod/Tag empfohlen. Auch Schwangere, die jodiertes Salz konsumieren, können in der Schweiz ohne Risiko ein pränatales Jodsupplement mit 150 bis 200 µg Jod pro Tag zu sich nehmen.
Vitamin D
Vitamin D ist bedeutsam für die Kalziumhomöostase beziehungsweise für die intestinale Kalzium- und Phoshataufnahme. Darüber hinaus ist es wichtig für den Einbau von Kalzium und Phosphat in die Knochen. Aufgrund der geografischen Lage der Schweiz haben rund 60 Prozent der Bevölkerung in den Wintermonaten eine unzureichende Vitamin-D-Versorgung. Der Vitamin-D-Bedarf ist von der Bevölkerungsgruppe abhängig. Für Säuglinge im 1. Lebensjahr werden 10 µg/Tag empfohlen. Kindern ab 2 Jahren und Personen bis 60 Jahre werden 15 µg/Tag und Personen ab 60 Jahren 20 µg/Tag angeraten. Für Schwangere gelten keine anderen Werte, doch ist zu bedenken, dass Übergewichtige, Personen mit einem dunklen Hauttyp, mit Gestationsdiabetes, mit einem Malabsorptionssyndrom und Schwangere, die Mehrlinge erwarten, einen erhöhten Bedarf haben können (3).
Omega-3-Fettsäuren
Der Konsum von Omega-3-Fettsäuren kann bei vorangegangener Frühgeburt das Risiko für eine weitere Frühgeburt reduzieren. Die Gabe verlängert somit die Schwangerschaftsdauer. Ferner können Omega-3-Fettsäuren das fetale Wachstum positiv beeinflussen. Für die Entwicklung des Fetus sind Omega-3-Fettsäuren für die Sehschärfe, die Feinmotorik, das zentrale Nervensystem und die soziale Entwicklung bedeutsam (4). Zu den Omega-3-Fettsäuren gehören bekanntlich die AlphaLinolensäure sowie die Eicosapentaensäure (EPA) und
8 • CongressSelection Gynäkologie • Oktober 2016
SGGG
Quatrefolic® (5-Methyletrahydrofolat)µg Folsäureµg D3 µg(IE) Eisenmg Jodµg Omega-3-FSmg
Kalziummg
Gynefam Plus® 600
15 (600) 30 200 145 (DHA)
120
Andreavit®
600 5 (200) 27 200
150
Elevit/ +Omega3FS®
800 12,5 (500) 60 – 200 DHA/ 30 EPA 125
Burgerstein/ Burgerstein+ Omega3DHA®
600 7,5 (300) 30 150 420 DHA pro Tagesration 300
Femibion 800/400+DHA®
800/400 (Metafolin)
0/20 (800) – 150 200 DHA
–
die Docosahexaensäure (DHA). DHA wird aus AlphaLinolensäure sowie aus EPA gebildet und stellt somit das Endprodukt einer Stoffwechselkette dar. Die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung empfiehlt eine tägliche Aufnahme – je nach Alter und körperlicher Aktivität – zwischen 0,5 und 1,5 Gramm Omega-3-Fettsäuren.
Christina Thonack
Referenzen: 1. Denison FC et al.: Association between maternal body mass index during pregnancy, short-term morbidity, and increased health service costs: a population-based study; BJOG 2013; doi: 10.1111/1471-0528.12443. 2. Bundesamt für Gesundheit: Faktenblatt Jod 2013. 3. Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV: Faktenblatt Vitamin D.
4. Olsen SF et al.: Gestational age in relation to marine n3 fatty acids in maternal erythrocytes: A study of women in the Faroe Islands and Denmark. American Journal of Obstetrics and Gynecology. 1991; 164: 1203–1209.
Take Home Messa es
® Im Verhältnis zum Energiebedarf steigt der Bedarf an Mineralstoffen und Vitaminen in der
Schwangerschaft deutlich an.
® Das präkonzeptionelle Gewicht hat einen signifikanten Einfluss auf die Peripartalzeit. ® Eine präkonzeptionelle Substitution von Folsäure/Folat ist wichtig. ® Die Substitution von Vitamin D, Jod und Omega-3-Fettsäuren ist an die Ernährung zu
adaptieren.
CongressSelection Gynäkologie • Oktober 2016 • 9