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SGGG
Armband und App als Fertilitätscoach
Innovativer Ansatz in der Familienplanung
Die nicht invasive Messung von physiologischen Parametern und ihre Auswertung mittels Smartphone-Apps liegen im Trend. Nun erreicht dieser Trend auch die Familienplanung. In Kooperation mit Ärzten des Universitätsspitals Zürich wurde ein Armband entwickelt, das Frauen mit Kinderwunsch ihre fruchtbaren Tage anzeigt.
Brigitte Leeners
Infos zur aktuellen Studie unter www.avawomen.com/studie
Dies ist die Geschichte von einem, der auszog, um im digitalen Zeitalter möglichst effektiv eine Frau zu schwängern: Die Idee kam dem jungen Unternehmensgründer Peter Stein vor vier Jahren, als er selbst beschloss, Vater zu werden. Im Freundeskreis wurde in solchen Fällen beispielsweise mit der Temperaturmethode gearbeitet – doch das fand er irgendwie nicht mehr zeitgemäss. Das musste doch im Zeitalter der Gesundheitsarmbänder auch einfacher gehen, dachte er sich und wandte sich an die Ärzte am Universitätsspital in Zürich.
«Ein Gesundheitstool, das man bedenkenlos anwenden kann»
Dort wurde in Kooperation von Wissenschaftlern aus dem Bereich der gynäkologischen Endokrinologie und Reproduktionsmedizin, der Physiologie und der Datenanalyse eine neue Lösung entwickelt. Ihr Kernstück ist ein Sensorarmband, das über die Nacht beim Schlafen getragen und tagsüber ausgezogen wird. Es misst nicht invasive zyklusabhängige Parameter, erläuterte Prof. Brigitte Leeners vom Universitätsspital Zürich: «Es ist ein Gesundheitstool, das man bedenkenlos anwenden kann.» Zu den erfassten Parametern gehören die Hauttemperatur, die Pulsrate sowie ihre Variabilität, die Atemfrequenz, die Schlafphasen und Schlafdauer, die Bewegung, Perfusion und Bioimpedanz; darüber hinaus wird auch die Umgebungstemperatur erfasst, um die gemessene Hauttemperatur abzugleichen. Diese Daten werden über eine Smartphone-App ausgewertet, die dann über intelligente Algorithmen eine Vorhersage des Eisprungs ermöglicht. Bisher steht eine iPhone-Version zur Verfügung, doch eine Android-App ist ebenfalls geplant.
Studie mit Prototyp
Der Prototyp wurde in einer ersten Studie bei gesunden, nicht schwangeren Frauen zwischen 20 und 40 Jahren getestet. Sie sollten einen regelmässigen Zyklus und keine hormonelle Therapie haben. Sie sollten das Armband jede Nacht tragen und täglich einen Online-Fragebogen zur Erfassung relevanter Einflussgrössen ausfüllen. Ausserdem fanden jeweils ab 5 Tage vor der erwarteten Ovulation LH-Messungen statt, um den exakten Tag der Ovulation zu bestimmen und mit den Daten des Armbands abzugleichen. Ein generell zu bewältigendes Problem war, dass die Körpertemperatur ja erst nach dem Eisprung ansteigt. Es sollte aber eine Vorhersage möglich sein. Mit dem Wis-
sen, dass es Wechselwirkungen gibt zwischen dem Östrogenanstieg im Rahmen der Follikelreifung und der Pulsrate, wurde die Pulsrate als zweiter zentraler Parameter integriert, «sodass wir da eine Chance haben, das wirklich vor der Ovulation zu erkennen», erläuterte Leeners, «und damit auch die Idee, dass dieses Tool eben nicht nur mit streng regelmässigen Zyklen funktioniert, sondern wirklich auch Frauen mit unregelmässigen Zyklen oder Frauen mit polyzystischem Ovarialsyndrom erstmalig die Möglichkeit hätten, ihren Zyklus damit zuverlässig zu monitoren». In der Tat zeigte sich, dass der Anstieg der Pulsrate bereits präovulatorisch erfolgte.
Enormes Potenzial zur Verbesserung der Schwangerschaftsrate
Zusammengenommen ermöglichen die beiden Parameter Temperatur und Pulsrate die korrekte Erkennung von vier fruchtbaren Tagen im Zyklus mit einer Sensitivität von 68 Prozent und einer Spezifität von 94 Prozent, so
das Ergebnis dieser ersten Studie. Daraus ergibt sich nach Einschätzung von Leeners ein enormes Potenzial zur Verbesserung der Schwangerschaftsrate. Doch das System lernt ständig selbst dazu, und so sollen in Zukunft die Erfahrungen mit den Messungen sowie die Einbeziehung der übrigen gemessenen Parameter den Vorhersagealgorithmus auch noch weiter verbessern. Aus diesem Grund läuft derzeit auch eine zweite Studie, in der 200 bis 250 gesunde Frauen mit Kinderwunsch über neun Monate vor und idealerweise dann auch während der Schwangerschaft das Fertilitätsarmband tragen und Daten liefern sollen – auch mit der Idee, diese Daten langfristig auch zur Vorhersage von Schwangerschaftskomplikationen zu nutzen. Weitere Anwendungsmöglichkeiten, wie zum Beispiel die Empfängnisverhütung, sind ebenfalls geplant.
Erfolgreicher Selbstversuch
Wie ging es aber mit unserem Jungunternehmer Stein?
Er gründete zusammen mit Lea von Bidder, Pascal König
und Philipp Tholen das Start-up-Unternehmen Ava AG,
das dieses neue Tool auf den Markt bringt. Vor allem aber
ist er glücklicher Vater eines mithilfe eines Prototyps die-
ses Armbands gezeugten Kindes.
Adela Žatecky
Quelle: Lunch-Symposium «Digital Women’s Health – innovative Ansätze in der Familienplanung» (Veranstalter: Ava AG) am Jahreskongress der SGGG, 23. Juni 2016 in Interlaken.
18 • CongressSelection Gynäkologie • Oktober 2016