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ESH
Welche Therapie bei hypertonen COPD-Patienten?
Manche Antihypertensiva beeinflussen die Atemwegsfunktion
28 Prozent der Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) weisen eine Hypertonie als häufigste Komorbidität auf. Die Therapie ist komplexer als bei anderen Hypertonikern, da antihypertensive Medikamente die Funktion der Atemwege beeinflussen können. Daher ist hier eine flexible Vorgehensweise notwendig.
Zwischen beiden Erkrankungen besteht ein pathophysiologischer Zusammenhang, da eine durch die bronchiale Obstruktion verursachte Hypoxie die Produktion freier Radikale und eine endotheliale Dysfunktion verstärkt. Dies begünstigt die Entstehung einer Hypertonie mit ihren bekannten kardiovaskulären Komplikationen. Die medikamentöse Therapie der COPD besteht vor allem aus inhalativen Anticholinergika, lang wirksamen Beta2-Agonisten und Kortikosteroiden. Auch diese Wirkstoffe können das kardiovaskuläre System bezüglich der Herzfrequenz und des Blutdrucks beeinflussen und das kardiovaskuläre Risiko im Hinblick auf Angina pectoris und Herzinfarkt erhöhen. Zur Pharmakotherapie der Hypertonie benötigen COPDPatienten in der Regel mehrere Antihypertensiva. Dabei sollten die Effekte der Wirkstoffe auf die Lungenfunktion und auf mögliche Interaktionen mit den zur Behandlung der Lungenerkrankung eingesetzten Medikamenten berücksichtigt werden. Denn Antihypertensiva haben unterschiedliche pharmakologische Eigenschaften:
Diuretika reduzieren die Flüssigkeitsretention bei Herzinsuffizienz, die bei COPD häufig als Begleiterkrankung auftritt. Die Substanzen können jedoch die Kaliumplasmaspiegel absenken. Dieser Effekt addiert sich zu den hypokaliämischen Effekten von Kortikosteroiden und Beta-2-Agonisten. Weiterhin verschlechtern Thiazide eine metabolische Alkalose bei hypoventilierten Patienten, erhöhen den Hämatokritwert und setzen die Schleimsekretion in den Bronchien herab. Aus diesen
Take Home Messa es
® Bei Patienten mit COPD und Hypertonie muss bei der Therapieauswahl der Ein-
fluss auf die Komorbidität beachtet werden.
® Empfehlenswert sind Kalziumantagonisten, Angiotensinrezeptorblocker oder ACE-
Hemmer sowie eine Kombination aus einem Kalziumantagonisten und einem Inhibitor des Renin-Angiotensin-Systems als Medikamente der ersten Wahl.
® Bei einem nicht ausreichenden Ansprechen auf die Therapie kann die Gabe von
Thiaziddiuretika, hoch selektiven Beta-1-Rezeptor-Blockern oder Alpha-1-Rezeptor-Antagonisten erwogen werden.
Gründen werden Diuretika bei COPD-Patienten allgemein nicht empfohlen. Allerdings bestehen Hinweise darauf, dass Indapamid bei hypertensiven COPD-Patienten den Blutdruck senkt und die respiratorische Funktion verbessert. Furosemid kann bei hypervolämischen Patienten und auch bei solchen mit einer chronischen Nierenerkrankung mit einer eGFR < 30 ml/min/m2 eingesetzt werden. Einen potenziellen Nutzen können kaliumsparende Diuretika (Triamteren, Amilorid) oder Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonisten (Spironolacton) haben, da sie die durch Thiazide verursachte Hypokaliämie antagonisieren. Selektive Beta-1-Blocker können die Gesamt- und die kardiovaskuläre Mortalität verringern. Sie sind zudem in der Lage, die Inzidenz von akuten Exazerbationen einer Atemwegsobstruktion herabzusetzen. Insgesamt können hoch selektive Beta-1-Blocker für hypertensive COPD-Patienten mit koronarer Herzerkrankung oder Herzinsuffizienz zur Blutdrucksenkung empfohlen werden. Zudem verbessern kardioselektive Betablocker die bronchodilatatorischen Effekte der Beta-2-Mimetika durch eine Hochregulierung der Beta-2-Rezeptoren. Kalziumantagonisten induzieren eine Relaxation der glatten Muskulatur der Bronchien und hemmen den Abfall des forcierten exspiratorischen Volumens (FEV1, Einsekundenkapazität). Sie potenzieren die durch Beta-2-Rezeptoren vermittelte Bronchodilatation und verringern die nicht spezifische bronchiale Reaktivität. Diese Wirkstoffe können jedoch das Verhältnis von Perfusion zu Ventilation verschlechtern und somit eine Hypoxie steigern. Aus diesem Grund wird bei diesen sonst für diese Indikation empfohlenen Wirkstoffen eine Überwachung der Sauerstoffsättigung empfohlen. Angiotensin-Converting-Enzym-Inhibitoren (ACE-Hemmer) können bei einigen Patienten mit Asthma die Symptome verschlechtern. Eine gesteigerte Bradykininausschüttung führt zum Husten, und die Produktion von Substanz P verursacht als unerwünschte Nebenwirkung eine Bronchokonstriktion. Allerdings treten diese Nebenwirkungen selten auf – in der Regel werden ACE-Hemmer gut vertragen. 24 • CongressSelection Kardiologie • September 2016 Angiotensinrezeptorblocker (ARB) sind wie die ACEHemmer bei COPD gut einsetzbare Wirkstoffe. Sie verursachen im Vergleich zu ACE-Hemmern meist keinen Husten und nur sehr selten ein angioneurotisches Ödem. Alpharezeptorblocker verändern die Atemwegsfunktion bei COPD nicht. Prazosin kann teilweise die durch Kaltluft induzierte Bronchokonstriktion verhindern. Quelle: Farsang C et al.: Treatment of hypertension in patients with chronic obstructive pulmonary diesease (COPD); ESH-Update 2016, 17. Nr. 62; vorgestellt beim ESH-Jahreskongress 2016; online verfügbar unter http://www.eshonline.org/esh-content/uploads/2016/06/Treatment-ofHypertension-in-Patients-With-Chronic-Obstructive-Pulmonary-DiseaseCOPD.pdf Unter den Alpha- und Betarezeptorblockern verändert Labetalol den Atemwegswiderstand nicht. Carvedilol kann eventuell Bronchospasmen auslösen. Bei Patienten mit Herzinsuffizienz und COPD verschlechterte Carvedilol die Atemwegsfunktion jedoch nicht. Alpha-2-Adrenorezeptoragonisten können histamininduzierte Bronchospasmen verstärken und sind deshalb bei hypertensiven COPD-Patienten nicht empfehlenswert. Ralph Hausmann ESH CongressSelection Kardiologie • September 2016 • 25