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Schlafapnoe bei Herzinsuffizienz – behandeln oder nicht?
Neuer Score erleichtert die Risikoabschätzung
Patienten mit Herzinsuffizienz und eingeschränkter Funktion des linken Ventrikels leiden häufig an schlafbezogenen Atemstörungen. Die nicht invasive Beatmung mit assistierter Servoventilation kann bei zentraler Schlafapnoe zurzeit nicht empfohlen werden.
Bei Patienten mit Herzinsuffizienz und eingeschränkter linksventrikulärer Auswurffraktion (Heart Failure with reduced Ejection Fraction, HFrEF) findet sich oft eine obstruktive (OSA) oder zentrale Schlafapnoe (CSA) sowie Mischformen. Laut einer neuen Studie beträgt die Prävalenz für eine moderate bis schwere OSA und CSA (ApnoeHypopnoe-Index > 15/Std.) bei Männern und Frauen mit HFrEF zirka 49 Prozent beziehungsweise zirka 36 Prozent (1). Schlafbezogene Atmungsstörungen (Sleep Disordered Breathing, SDB) scheinen auch in der Allgemeinbevölkerung viel häufiger aufzutreten als angenommen. Über Jahre galt die WISCONSIN-Sleep-Kohortenstudie mit einer Prävalenz von 27 Prozent bei Männern und 9 Prozent bei Frauen (AHI > 5/Std.) zwischen 30 und 60 Jahren als Referenz (2). In der HypnoLaus-Kohorte lag die Prävalenz bei Männern und Frauen zwischen 40 und 85 Jahren mit zirka 84 Prozent beziehungsweise 61 Prozent deutlich höher (3). Ein neuer, vereinfachter Score zur Identifikation von Personen mit einem erhöhten SDBRisiko, die zur weiteren Abklärung überwiesen werden sollten, ist der NoSAS-Score (siehe Tabelle) (4). Für dessen Berechnung stehen eine Apple- und eine AndroidApp zur Verfügung.
Obstruktive Schlafapnoe bei Herzinsuffizienz
Die OSA ist ein unabhängiger Risikofaktor für das Auftreten einer kardiovaskulären (CV) Dysfunktion. Verantwortlich dafür sind wahrscheinlich die intermittierenden
Phasen von Hypoxämie und konsekutivem Erwachen, die unter anderem zu einer erhöhten Sympathikusaktivität, vermehrtem oxidativem Stress und systemischer Entzündung führen. «Da die Sympathikusaktivität bei der HF schon ohne das Vorliegen einer OSA erhöht ist, repräsentieren HF-Patienten mit OSA ein Patientenkollektiv mit besonders erhöhter sympathischer Aktivität», sagte PD Dr. Micha Maeder vom Kantonsspital St. Gallen an der gemeinsamen Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaften für Kardiologie, Herz- und thorakale Gefässchirurgie und Pneumologie in Lausanne. Diese Konstellation sei prognostisch sehr ungünstig. Zwei kleine Studien, die den Einfluss der nicht invasiven Ventilation (NIV) mit CPAP (Continuous Positive Airway Pressure) bei Patienten mit HFrEF und OSA untersuchten, zeigten, dass die linksventrikuläre Funktion durch eine Kombination von medikamentöser Behandlung und CPAP verbessert werden konnte, verglichen mit der alleinigen medikamentösen Behandlung (5, 6). Inwieweit dies aber einen Effekt auf den klinischen Outcome hat, ist nicht gut dokumentiert. Wang et al. zeigten in einer retrospektiven Analyse, dass Patienten mit HFrEF und mittelschwerer/schwerer OSA (AHI > 15/Std.) eine deutlich höhere Mortalitätsrate hatten als Patienten mit keiner/ leichter OSA (AHI < 15/Std.). Bei Patienten mit mittelschwerer/schwerer OSA bestand ein (nicht signifikanter) Trend zu einer tieferen Mortalitätsrate, wenn diese mit CPAP behandelt wurden (7).
Tabelle:
NoSAS-SCORE
Halsumfang > 40 cm Übergewicht
BMI > 25 kg/m2 und < 30 kg/m2 BMI ≥ 30 kg/m2 Schnarchen (eigene Angabe)
Alter > 55 Jahre Männliches Geschlecht
4 Punkte
3 Punkte 5 Punkte 2 Punkte 4 Punkte 2 Punkte
NoSAS ≥ 8 → hohe Wahrscheinlichkeit für eine schlafbezogene Atmungsstörung
Zentrale Schlafapnoe bei Herzinsuffizienz
Im Unterschied zur OSA existiert eine Korrelation zwischen der Schwere der Herzinsuffizienz sowie dem Vorliegen und dem Ausmass einer CSA. Dabei ist unklar, ob die CSA ein Epiphenom der HF ist oder ein kausaler Faktor in der Pathogenese und Krankheitsprogression und somit ein therapeutischer Angriffspunkt. In der insgesamt neutralen CANPAP-Studie profitierten Patienten mit HFrEF, deren CSA durch die CPAP-Therapie supprimiert werden konnte, durch eine Verbesserung der linksventrikulären Funktion, der Plasma-BNP-Werte und des klinischen Outcomes (8). Grosse Hoffnungen wurden deshalb in die SERVE-HF Studie gesetzt, deren Ergebnisse letztes Jahr publiziert wurden (9). Die randomisierte und multizentrische Studie verglich eine kombinierte, leitlinienbasierte, medikamen-
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töse Behandlung plus eine nicht invasive Beatmungstherapie bei über 1300 Patienten mit HFrEF (NYHA-Klassen III–IV) und prädominanter CSA mit der alleinigen medikamentösen Behandlung. Bei der nicht invasiven Beatmung handelte es sich um die assistierte Servo-Ventilation (ASV). Diese hatte in Studien zu einer besseren Kontrolle der CSA geführt als die in der CANPAP-Studie verwendete CPAP-Therapie und wurde darüber hinaus besser von den Patienten toleriert. Wie die Ergebnisse zeigten, wurde mit der ASV-Therapie eine Abnahme der CSA erzielt, nicht aber eine Verbesserung des primären Endpunkts (Zeit bis zum ersten Ereignis mit Todesfolge, lebensrettende CV-Intervention, ungeplante Hospitalisation aufgrund einer Verschlechterung der HFrEF). Die Gesamtmortalität und die CV-Todesfälle waren bei den Patienten, die mit einer ASV behandelt worden waren, sogar signifikant erhöht (HR: 1,28; p = 0,01 bzw. HR: 1,34; p = 0,006). «Diese Ergebnisse zeigen uns, dass wir durch eine Korrektur der Atmung die Morbidität dieser Patienten nicht verbessern können, sondern diese sogar noch kränker machen», sagte Prof. Martin Cowie vom National Heart & Lung Institute in London. Die Resultate der Unteranalysen sind noch nicht publiziert, aber die ASV-behandelten Patienten scheinen häufiger aufgrund von Rhythmusstörungen verstorben zu sein. Weitere Informationen über die ASV-Therapie bei Patienten mit HFrEF und OSA oder CSA werden die Ergebnisse der ADVENT-HF Studie liefern. Bis dahin empfahl der Referent, keine ASV-Therapie bei Patienten mit HFrEF einzusetzen.
Kommentar:
ROLLE DER BEATMUNG BEI HERZINSUFFIZIENZ
Es gibt gute Hinweise, dass die obstruktive Schlafapnoe (OSA) in der Pathophysiologie und Krankheitsprogression bei Patienten mit Herzinsuffizienz und reduzierter linksventrikulärer Pumpfunktion (HFrEF) eine wichtige Rolle spielt. Uns liegen auch interessante Daten hinsichtlich eines günstigen Effekts einer Therapie mit CPAP (Continuous Positive Airway Pressure) auf die kardiale Funktion und die Prognose bei Patienten mit HFrEF vor. Der Evidenzgrad dieser Studien ist aber nicht genügend, um einen prognostischen Nutzen von CPAP bei HFrEF-Patienten ableiten zu können. Somit bleibt CPAP vorderhand für HFrEF-Patienten reserviert, die unter den Symptomen der OSA (vor allem Tagesmüdigkeit) leiden. Es gibt aktuell keinen Grund, eine für diese Indikation laufende CPAP-Therapie bei einem Patienten mit HFrEF abzubrechen. Was die zentrale Schlafapnoe (CSA) anbelangt, ist es durch die Publikation der SERVEHF-Studie zu einer grossen Ungewissheit über die pathophysiologische Bedeutung von CSA und deren Behandlung gekommen. Wir wissen, dass das Vorliegen und das Ausmass einer CSA Ausdruck der Schwere der Herzinsuffizienz und von prognostischer Bedeutung sind. Es ist aber nicht klar, ob CSA einen pathophysiologischen Faktor und somit ein therapeutisches Angriffsziel oder vielleicht einen kompensatorischen Mechanismus darstellt. Aufgrund der Tatsache, dass die Subanalyse der CANPAP-Studie suggeriert hatte, dass Patienten mit durch CPAP unterdrückter CSA bezüglich Prognose profitieren (während die Studie insgesamt neutral ausgefallen war bezüglich klinischer Endpunkte), wurde in der SERVE-HF-Studie der klinische Effekt einer adaptiven Servo-Ventilation bei Patienten mit HFrEF und CSA untersucht, was bekannterweise in einer Übermortalität in der Behandlungsgruppe resultierte. Verschiedene Aspekte der Studie sind kritisiert worden, und weitere Studien laufen aktuell. Trotzdem ist diese Therapie für HFrEF-Patienten mit CSA gemäss den neuesten Richtlinien kontraindiziert, bis andere klare Erkenntnisse vorliegen.
Micha T. Maeder, St. Gallen (micha.maeder@kssg.ch)
Nicht invasive Beatmung bei akuter Herzinsuffizienz mit respiratorischem Versagen
Eine eindeutige Empfehlung zur NIV, beispielsweise mit CPAP oder NPPV (Non-Invasive Positive Pressure Ventilation), existiert zurzeit nur für Patienten mit akuter HF (AHF) und akutem respiratorischem Versagen (ARI). Mit dem Ziel, die Häufigkeit invasiver Beatmungen zu reduzieren, empfehlen die aktuellen ESC-Guidelines (2015) und die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin, Patienten mit AHF und ARI möglichst rasch durch eine CPAP-Therapie zu unterstützen (10, 11). Dies gilt mit der Einschränkung, dass die notwendigen kardiologischen Massnahmen dadurch nicht verzögert werden. Wie die Ergebnisse der 3CPO-Studie bei Patienten mit akutem kardiogenem Lungenödem gezeigt hatten, verbesserten sich Dyspnoe, Herzfrequenz und metabolische Parameter unter der CPAP-Therapie schneller als unter der Standardbehandlung mit Sauerstoff. Die Sterberate veränderte sich unter der Behandlung jedoch nicht (12). Zu guten Ergebnissen mit der CPAP-Therapie kommt auch eine Schweizer Untersuchung bei Patienten mit AHF und ARV. Dabei konnte gezeigt werden, dass der rasche Einsatz der NIV innert 15 Minuten nach Hospitalisation im Laufe einer Stunde bei nahezu allen Patienten zu einer Normalisierung der Atemfrequenz und des DyspnoeScores führte. Ungeachtet der Empfehlungen wird die CPAP-Therapie in der Schweiz zu selten zur Behandlung des ARI bei AHF eingesetzt. Wie eine Umfrage von Prof. Roland Bingisser und Dr. Jochen Rüdiger, beide vom Universitätsspital Basel, zeigte, setzten von den 30 Prozent der französischsprachigen Ausbildungsspitäler, die den Fragebogen retournierten, 100 Prozent die CPAP-Therapie auf der Notfallabteilung ein. In der deutschsprachigen Schweiz
hatten 50 Prozent der Spitäler teilgenommen, 30 Prozent davon nutzten die CPAP-Therapie. Von den 2 Tessiner Ausbildungsspitälern hatte keines an der Befragung teilgenommen. Zirka 80 Prozent der Umfrageteilnehmer waren zudem nicht darüber informiert, dass ein CHOPCode existiert, um die CPAP-Therapie ausserhalb der Intensivstation oder der Intermediate-Care-Abteilung zu erfassen. «Diese Information ist auch deshalb wichtig, weil uns der Verlust droht, wenn wir den Code nicht in Anspruch nehmen», sagte Rüdiger.
Regina Scharf
Quelle: Joint-Session 45 «Kardiovaskuläre Risikofaktoren» bei der gemeinsamen Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaften für Kardiologie (SGK), Herz- und thorakale Gefässchirurgie (SGHC) und Pneumologie (SGP) 2016, 16. Juni 2016 in Lausanne.
Take Home Messa es
® Aufgrund fehlender Evidenz wird die CPAP-Therapie nur für Personen mit HFrEF
empfohlen, die an Symptomen der OSA – wie Tagesmüdigkeit – leiden.
® Die Behandlung der zentralen Schlafapnoe mit assistierter Servo-Ventilation
(ASV) bei Personen mit HFrEF kann zurzeit nicht empfohlen werden.
® Mit einer nicht invasiven Beatmung kann die Häufigkeit invasiver Beatmungen bei
akuter Herzinsuffizienz und respiratorischem Versagen reduziert werden.
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Referenzen: 1. Arzt M et al.: Prevalence and Predictors of Sleep-Disordered Breathing in Patients With Stable Chronic Heart Failure: The SchlaHF Registry. JACC Heart Fail 2016; 4(2): 116–125. 2. Young T et al.: The occurrence of sleep-disordered breathing among middle-aged adults. N Engl J Med 1993; 328(17):1230–1235. 3. Heinzer R et al.: Prevalence of sleep-disordered breathing in the general population: the HypnoLaus study. Lancet Respir Med 2015; 3(4): 310–318. 4. Marti-Soler H et al.: The NoSAS score for screening of sleep-disordered breathing: a derivation and validation study. Lancet Respir Med 2016. pii: S2213-2600(16)30075-3. [Epub ahead of print]. 5. Kaneko Y et al.: Cardiovascular effects of continuous positive airway pressure in patients with heart failure and obstructive sleep apnea. N Engl J Med 2003; 348(13): 1233–1241. 6. Mansfield DR et al.: Controlled trial of continuous positive airway pressure in obstructive sleep apnea and heart failure. Am J Respir Crit Care Med 2004; 169(3): 361–266. 7. Wang H et al.: Influence of obstructive sleep apnea on mortality in patients with heart failure. J Am Coll Cardiol 2007; 49(15): 1625–1631. 8. Arzt M et al.: Suppression of central sleep apnea by continuous positive airway pressure and transplant-free survival in heart failure: a post hoc analysis of the Canadian Continuous Positive Airway Pressure for Patients with Central Sleep Apnea and Heart Failure Trial (CANPAP). Circulation 2007; 115(25): 3173–3180. 9. Cowie MR et al.: Adaptive Servo-Ventilation for Central Sleep Apnea in Systolic Heart Failure. N Engl J Med 2015; 373(12): 1095–1105. 10. Ponikowski P et al.: 2016 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure: The Task Force for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure of the European Society of Cardiology (ESC). Developed with the special contribution of the Heart Failure Association (HFA) of the ESC. Eur Heart J 2016; 37(27): 2129–2200. 11. Westhoff M. et al.: Nichtinvasive Beatmung als Therapie der akuten respiratorischen Insuffizienz. Registernummer 020–004, Stand: 10.07.2015. www.awmf.org. 12. Gray A et al.: Noninvasive ventilation in acute cardiogenic pulmonary edema. N Engl J Med 2008; 359(2): 142–151.