Transkript
KONGRESSNOTIZEN
ESH
Zielblutdruck und der dafür zu zahlende Preis
Noch immer ist nicht endgültig geklärt, welcher Zielblutdruck bei Hypertonikern erreicht werden sollte. Fakt ist, dass seit den Achtzigerjahren eine Reduzierung der kardiovaskulären Mortalität durch die medikamentöse Blutdrucksenkung belegt wurde, führte Prof. Michel Burnier aus Lausanne aus. Wie eine neue Metaanalyse von 34 kontrollierten Studien zeigte, führte die Senkung des Blutdrucks um 10/5 mmHg zu einer Verringerung des absoluten und relativen kardiovaskulären Risikos (1). Insgesamt konnten alle kardiovaskulären Ereignisse inklusive der Mortalität reduziert
werden, wenn der systolische Blutdruck einige mmHg unter 130 gesenkt wurde. Der Preis für eine intensive Blutdrucksenkung besteht jedoch allzu häufig in einer höheren Therapieabbruchrate wegen Nebenwirkungen, so Burnier weiter. Diesen Preis hätten besonders Patienten mit dem höchsten kardiovaskulären Risiko zu zahlen, weil sie bei Therapieabbruch nicht mehr entsprechend geschützt sind. Weiterhin müssten die seit Langem bekannten schlechten Blutdruck-Kontrollraten berücksichtigt werden. Als mögliche Lösung schlug Burnier vor, die Mehrzahl der
Hypertoniker auf Werte unter 140/90 mmHg einzustellen, bevor eine Diskussion über noch niedrigere Blutdruckwerte einsetzt.
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1. Thomopoulos C et al.: Effects of blood pressure lowering on outcome incidence in hypertension. J Hypertens 2016; 34: 613–622.
Quelle: Joint Session ESH, ERA/EDTA «Management of hypertension in patients with CKD» beim ESH-Kongress, 12. Juni 2016 in Paris.
Nierenprotektion durch grössere SBP-Senkung
Bei Hypertoniepatienten mit linksventrikulärer Hypertrophie scheint sich die Progression der renalen Dysfunktion zu verlangsamen, wenn ihr systolischer Blutdruck (SBP) auf Werte ≤ 130 mmHg gesenkt wird. Dies ergab eine Post-hoc-Analyse der Studie LIFE, die Prof. Sverre E. Kjeldsen aus Oslo/Norwegen präsentierte. In der LIFE-Studie wurde gezeigt, dass bei Hypertonikern die Therapie mit Losartan gegenüber Atenolol mit einer kardio-
vaskulären Risikoreduktion um 13 Prozent verbunden war. In der nachträglichen Analyse der LIFE-Daten wurde die Assoziation zwischen der glomerulären Filtrationsrate (eGFR) und dem durchschnittlich erreichten SBP über einen Zeitraum von 4 Jahren berechnet. Dabei zeigte sich eine konsistent kleinere Veränderung in der GFR in der Gruppe mit dem niedrigsten SBP ≤ 130 mmHg im Vergleich zu den Patienten mit
SBP-Werten zwischen 131 und 141 mmHg und ≥ 142 mmHg. In den beiden Gruppen mit den höheren Blutdruckwerten kam es zu schrittweisen Erhöhungen der GFR. Die Blutdruckwerte wurden konventionell in der Praxis gemessen.
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Quelle: Parallel Oral Session 4C «Therapeutic and Clinical Trials» beim ESH-Kongress, 12. Juni 2016 in Paris.
Wann sollten Antihypertensiva eingenommen werden?
Zu welchem Zeitpunkt die antihypertensive Medikation eingenommen werden sollte, ist Gegenstand von Studien und noch nicht geklärt. Die offene, randomisierte Cross-over-Studie HARMONY wollte mit der ambulanten 24-Stunden-Blutdruckmessung (ABPM) bei Patienten mit kontrolliertem Blutdruck (≤ 150 mmHg/ ≤ 90 mmHg) klären, welcher Einnahmezeitpunkt, morgens oder abends, der bessere ist. 95 Studienteilnehmer hatten in der Studie für mindestens 3 Monate eine antihypertensive Medikation zu den verschiedenen Zeitpunkten eingenommen, erläuterte Prof. Neil R. Poulter aus London/UK. Im Ergebnis betrug der Un-
terschied bei der Einnahme zwischen 6 und 11 Uhr beziehungsweise zwischen 18 und 23 Uhr lediglich 0,10 mmHg SBP. Der grösste Unterschied zwischen beiden Gruppen wurde für den nächtlichen SBP beobachtet: dieser betrug –1,68 mmHg, wenn die Medikation abends eingenommen wurde. Auch dies erreichte allerdings keine statistische Signifikanz. Poulter betonte, dass diese SBP-Senkung in der Nacht jedoch im Hinblick auf die Prävention kardiovaskulärer Ereignisse eine Bedeutung haben könnte. In der Studie wurden keine weiteren Signale beobachtet, die für einen Nutzen eines bestimmten Einnahmezeit-
punkts aussagekräftig waren. Daten aus anderen Studien würden dagegen für die abendliche Einnahme sprechen, weil damit ein besserer kardiovaskulärer Schutz gewährleistet sei. Nun soll die neu initiierte Studie TIME mit zirka 10 200 Patienten klären, ob die morgendliche oder abendliche Einnahme einen besseren Schutz vor schweren kardiovaskulären Ereignissen bietet.
Quelle: Late Breakers, Session 1, beim ESH-Kongress, 11. Juni 2016 in Paris.
Sympathikus-Denervierung versus intensivierte antihypertensive Therapie
Zur Frage, ob bei einer echten therapieresistenten Hypertonie die renale SympathikusDenervierung einer intensivierten pharmakologischen Therapie mit Spironolacton (25 mg täglich) als Zusatzmedikation überlegen ist, gibt die offene, prospektive und randomisierte Studie PRAGUE-15 Hinweise. Primärer Endpunkt waren die Blutdruckwerte bei der 24Stunden-Blutdrucksenkung, so Prof. Jan Rosa aus Prag/Tschechien. Nach 12 Monaten wurde eine signifikante Verringerung des systolischen, in der Praxis und
mittels 24-Stunden-Blutdruckmessung (ABPM) gemessenen Blutdrucks (SBP) in beiden Gruppen (n = 101) beobachtet. In der Per-ProtocolAnalyse bestand bei der ABPM ein signifikanter Unterschied von 8,7 mmHg zwischen beiden Gruppen, der auf einer grösseren SBPReduktion unter der antihypertensiven Medikation gegenüber der renalen Denervierung beruhte (15 mmHg vs. 6,3 mmHg). Laut Rosa konnte in der Studie die Sicherheit der renalen Sympathikus-Denervierung belegt werden; strukturelle Veränderungen der Nie-
renarterien traten nicht auf. Die Ergebnisse deuten jedoch nicht auf die Überlegenheit der Methode gegenüber einer intensivierten pharmakologischen Therapie mit Spironolacton hin. Deshalb sollte die renale Denervation nicht als Routinemethode eingestuft werden, schloss Rosa.
Quelle: Parallel Oral Session 7D «The role of adding Spironolactone and renal denervation in true resistant hypertension. One year outcomes of randomized Prague-15Study» beim ESH-Kongress, 13. Juni 2016 in Paris.