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Hepatitis C: Früherkennung kann den Langzeitverlauf verbessern
Plädoyer für ein Screening von Risikogruppen
Die Hepatitis C weist in der Schweiz eine hohe Dunkelziffer auf. Deshalb sollte bei Risikopersonen auch in der Hausarztpraxis an diese Erkrankung gedacht werden. Unbehandelt kann eine Hepatitis C über Jahre bis zu einer Zirrhose beziehungsweise einem Karzinom voranschreiten. Die Behandlungsoptionen haben sich in den vergangenen Jahren jedoch enorm verbessert.
«Der Erreger der Hepatitis C, das Hepatitis-C-Virus, ist gar noch nicht so lange bekannt. So wurde es erst 1989 identifiziert», so eröffnete Dr. Markus Herold, Luzern, seinen Vortrag auf der diesjährigen Fortbildungstagung des Kollegiums für Hausarztmedizin (KHM). Davor sei die Erkrankung als Non-A-Non-B-Hepatitis bezeichnet worden. Beim Hepatitis-C-Virus (HCV) handelt es sich um ein RNS-Virus, das zur Gruppe der Flaviviridae gehört. «Das Virus weist eine hohe genetische Variabilität auf. Es werden 6 verschiedene Genotypen unterschieden, wobei bei uns in der Schweiz vor allem die Genotypen 1 bis 4 vorkommen», führte er weiter aus. Der Mensch sei dabei der einzige natürliche Wirt des HCV. Eine Impfung gegen HCV ist bis jetzt nicht verfügbar. «Dies hängt wohl mit der hohen Variabilität des Virus zusammen.»
Hepatitis C und ihre Folgen
Eine Infektion mit dem HCV führt zu einer akuten Hepatitis. Nach einigen Monaten geht diese in 50 bis 85 Prozent der Fälle in eine chronische Hepatitis über (1). «Dies bedeutet aber auch, dass es bei den restlichen Fällen zu einer spontanen Abheilung kommt», ergänzte Herold. Mit einer Latenzzeit von 20 bis 30 Jahren entwickelt sich bei 30 Prozent der Patienten mit chronischer Hepatitis zunächst eine Fibrose und schliesslich eine Leberzirrhose (2). In der Folge kommt es pro Jahr bei 1 bis 5 Prozent dieser Patienten zu einem hepatozellulären Karzinom (2). Die chronische Hepatitis C stellt heute denn auch den häufigsten Grund für eine Lebertransplantation dar (3). Patienten mit einer chronischen Hepatitis weisen eine erhöhte Mortalität auf, bedingt sowohl durch hepatische als auch extrahepatische Ursachen (4). Herold gab zudem zu bedenken: «Schwierig ist vor allem vorauszusehen, welcher der Patienten mit einer chronischen Hepatitis C zu denen gehören wird, die eine Fibrose entwickeln wird und wie rasch dies geschehen wird.» Bekannt ist, dass die Progressionsgeschwindigkeit durch mehrere Faktoren beeinflusst wird. «Bei Frauen und bei einem niedrigeren Infektionsalter verläuft die Erkrankung langsamer, während Alkoholgenuss und Koinfektionen – wie zum Beispiel HIV – zu einem rascheren Verlauf führen.» Ausser den hepatischen Symptomen wie Ikterus kann eine Hepatitis C auch mit extrahepatischen Symptomen wie Arthralgie, Neuropathie, Kryoglobulinämie, Glomerulonephritis, Autoimmunthyreoiditis oder Diabe-
tes Typ 2 einhergehen. «Daneben gibt es aber auch eine Reihe ganz unspezifischer Symptome wie Müdigkeit, Appetitmangel, Schlafstörungen, Druck im Oberbauch, dyspepsieartige Beschwerden und Völlegefühl», erklärte Herold. Die Übertragung des HCV findet über Blut- oder Blutprodukte statt. Die häufigste Infektionsquelle stellt der intravenöse Drogenkonsum dar. Eine sexuelle Übertragung sei auch möglich, zum Beispiel bei ungeschütztem Analverkehr. «Das Risiko nimmt zudem mit einer steigenden Anzahl an Sexualpartnern zu.» Gemäss Berechnungen gibt es in der Schweiz zirka 41 000 diagnostizierte HCVInfizierte (5). «Man geht jedoch davon aus, dass etwa 60 Prozent der Hepatitis-C-Infektionen nicht diagnostiziert sind», betonte Herold. Die Seroprävalenz in der Allgemeinbevölkerung liegt bei 0,7 bis 1,8 Prozent, bei den intravenösen Drogenkonsumenten bei 56,4 bis 82,2 Prozent (6). Untersuchungen konnten bei 52 Prozent der Patienten den Genotyp 1 und bei 29 Prozent den Genotyp 3 identifizieren (7).
Screening und Diagnostik bei Hepatitis C
Bei bestimmten Risikogruppen ist ein Screening auf Hepatitis C angezeigt. Dazu gehören: • Personen mit intravenösem oder intranasalem Drogen-
konsum (aktuell oder früher) • Personen mit Bluttransfusionen oder Transplantatio-
nen vor 1992 • Männer, die Geschlechtsverkehr mit Männern haben • Personen mit erhöhten Transaminasen (ausser diesen
liegt eindeutig eine andere Ursache zugrunde) • Personen, die an Orten mit mangelnder Hygiene eine
medizinische Intervention, ein Piercing oder Tattoo vornehmen liessen • Migranten, die aus Ländern mit hoher Prävalenz (Osteuropa, Russland, China, Teile Afrikas) stammen (6). «Ist das Antikörperscreening positiv, dann sollte unbedingt ein HCV-RNS-Test durchgeführt werden, um eine akute oder chronische Infektion feststellen beziehungsweise ausschliessen zu können», erklärte Herold. Die Bestimmung des Genotyps gehöre ebenfalls dazu, da dieser einen Einfluss auf die Therapie habe. «Diese Bestimmung kann aber auch dem Spezialisten überlassen werden», meinte er. Beim Vorliegen einer Hepatitis C werden im Weiteren Aktivitätsparameter (Transaminasen) und
22 • CongressSelection Hausarztmedizin • September 2016
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INTERFERONFREIE THERAPIEN BEI HEPATITIS C
Mittlerweile stehen zur Behandlung aller HCV-Typen interferonfreie Therapieregime zur Verfügung, mit denen hohe virologische Heilungsraten zu erreichen sind. Neu zugelassene Medikamente: • SOF (Sofosbuvir; Sovaldi®) • SMV (Simeprevir, Olysio®) • DCV (Daclatasvir, Daklinza®). Neu zugelassene Fixkombinationen: • LDV/SOF (Ledipasvir/Sofosbuvir, Harvoni®) • EBV/GZP (Elbasvir/Grazoprevir, Zepatier®).
Lesetipp: «Hepatitis C – aktuelle Therapieempfehlungen» aus Ars Medici Nr. 22/2015, online unter www.rosenfluh.ch
Funktionsparameter (Albumin, INR) der Leber bestimmt. «Es gibt aber immer wieder Fälle, bei denen die Transaminasen trotz Hepatitis normal sind», schränkte Herold hier ein. Zudem empfiehlt es sich, auf HIV, Hepatitis B sowie A zu testen. «Ist der Patient auf Hepatitis B oder A negativ, sollte er geimpft werden, da zusätzliche Infektionen mit diesen beiden Viren den Verlauf einer Hepatitis C verschlechtern.» Um den Zustand der Leber abschliessend beurteilen zu können, sei ein Fibroscan oder eine Biopsie notwendig. «Eine Biopsie ist heute allerdings selten indiziert – lediglich bei stark adipösen Patienten, bei denen ein Fibroscan nicht möglich ist, und bei speziellen Fragestellungen.» Beim Fibroscan handelt es sich um eine ultraschallbasierte Messung der Gewebeelastizität. So kann das Fibrosestadium (von F0 = keine Fibrose bis F4 = Zirrhose) bestimmt werden.
Die Therapie der Hepatitis C
Gemäss europäischen Therapieempfehlungen ist eine Behandlung der Hepatitis C bei allen therapienaiven und -erfahrenen Patienten mit einer kompensierten oder dekompensierten Hepatitis indiziert (8). Unter ihnen gibt es aber Patientengruppen, die prioritär behandelt werden sollten (bei signifikanter Fibrose oder Zirrhose, extrahepatischen Manifestationen, Koinfektionen mit HIV etc.), und solche, bei denen die Behandlung noch aufgeschoben werden kann. «In der Schweiz ist eine Therapie generell ab dem Fibrosestadium 2 und höher und/oder bei extrahepatischen Manifestationen zugelassen», so Herold. Das Ziel der Therapie liegt in einer dauerhaften
Take Home Messa es
® Eine Vielzahl der Hepatitis-C-Infektionen ist nicht diagnostiziert. Bei Risikopopu-
lationen sollte daher ein Screening durchgeführt werden.
® Der HCV-RNS-Nachweis dient bei positivem Screeningtest zur Unterscheidung zwi-
schen Patienten mit aktiver Hepatitis und solchen mit abgeheilter Erkrankung.
® Patienten mit Hepatitis C müssen über die Infektiosität ihrer Erkrankung (Analver-
kehr, Drogenkonsum) aufgeklärt werden.
® Bei negativem Serostatus sollte man HCV-Infizierte gegen Hepatitis A und B impfen.
® Alkoholkonsum beschleunigt die Progression der Erkrankung und sollte vermie-
den werden.
® Immer an die Möglichkeit einer Reinfektion denken!
Ausheilung (Viruselimination). «Wir wollen die Leberfunktion verbessern, eine Rückbildung der Fibrose erreichen und ein Voranschreiten in eine Zirrhose und ein hepatozelluläres Karzinom verhindern», ergänzte er. Zudem sollen Komplikationen der Erkrankung (extrahepatische Manifestationen) vermieden werden. «Ganz wichtig ist zudem zu erreichen, dass der Patient nicht mehr infektiös ist.» Als Therapieerfolg gelte, wenn ein Patient zum Ende der Nachbeobachtungszeit (12 Wochen nach Therapieende) HCV-RNS-negativ ist, also ein anhaltendes virologisches Ansprechen zeigt. «Bei Patienten, die 12 Wochen nach Therapieende negativ sind, tauchen die Viren praktisch nie mehr auf. Aber es kann natürlich zu Reinfektionen kommen, sogar mit dem gleichen Genotyp. Daran müssen wir unbedingt denken», betonte Herzog. Die therapeutischen Möglichkeiten bei einer Hepatitis C haben sich seit 1989 stark weiterentwickelt. Mittlerweile stehen auch interferonfreie Kombinationen von direkt wirkenden antiviralen Substanzen (DAA: direct acting antivirals) zur Verfügung. «Diese Entwicklung hat einerseits zu sehr viel besseren Heilungsraten als noch in den Anfängen geführt. Je nach Genotyp erreichen über 90 Prozent der Patienten ein anhaltendes virologisches Ansprechen. Andererseits konnten auch die Therapiedauer verkürzt und die Verträglichkeit verbessert werden.»
Therese Schwender
Referenzen: 1. Sarrazin C et al.: Prophylaxis, diagnosis and therapy of hepatitis C virus (HCV) infection: the German guidelines on the management of HCV infection. Z Gastroenterol 2010; 48: 289–351. 2. Robert Koch Institut: Hepatitis C. Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Heft 15, 1. Juni 2003. Verfügbar unter: www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/Themenhefte/themenhefte_node.html 3. Robert Koch Institut: Virushepatitis C im Jahr 2012. Epidemiologisches Bulletin Nr. 30, 2013. Verfügbar unter: www.rki.de/DE/Content/Infekt/ EpidBull/epid_bull_form.html 4. Lee MH et al.: Chronic hepatitis C virus infection increases mortality from hepatic and extrahepatic diseases: a community-based long-term prospective study. J Infect Dis 2012; 206: 469–477. 5. Bruggmann P et al.: Birth cohort distribution and screening for viraemic hepatitis C virus infections in Switzerland. Swiss Med Wkly 2015; 145: w14221. 6. Fretz R et al.: Hepatitis B and C in Switzerland – healthcare provider initiated testing for chronic hepatitis B and C infection. Swiss Med Wkly 2013; 143: w13793. 7. Bruggmann P et al.: Historical epidemiology of hepatitis C virus (HCV) in selected countries. J Viral Hepat 2014; 21 (Suppl. 1): 5–33. 8. European Association for the Study of the Liver: EASL Recommendations on Treatment of Hepatitis C. J Hepatol 2015, 63: 199–236.
Quelle: Seminar «Hepatitis – Stiller Untergang» bei der 18. Fortbildungstagung des Kollegiums für Hausarztmedizin (KHM), 24. Juni 2016 in Luzern.
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