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KHM
Argumente für Basalinsulintherapie beim Typ-2-Diabetiker
Gute Blutzuckerkontrolle und geringes Risiko für Hypoglykämien
Nach wie vor bestehen gewisse Vorurteile gegenüber dem Insulineinsatz bei Typ-2Diabetikern. Wie der Diabetologe Dr. Stefan Fischli, Luzern, zeigen konnte, bringen jedoch moderne Basalinsuline Vorteile, indem sie eine gute Blutzuckerkontrolle bei einem niedrigen Risiko für Hypoglykämien gewährleisten.
«Obwohl ein Typ-2-Diabetes klassischerweise mehr mit einer Insulinresistenz als einem Mangel assoziiert wird, liegt bereits in einem relativ frühen Stadium der Erkrankung eine Störung der Insulinsekretion vor», erklärte Fischli an einem Mittagsseminar auf der 18. Fortbildungstagung des Kollegiums für Hausarztmedizin (KHM) in Luzern: «So gehen wir heute davon aus, dass bereits zum Zeitpunkt der Diagnose 40 bis 50 Prozent der Betazellen des Pankreas zerstört sind.» Es lohne sich daher, früh an eine Insulintherapie zu denken. «Insulin ist nach wie vor das physiologischste und wirksamste Antidiabetikum, über das wir verfügen. Zudem sind die modernen Produkte strukturell dem natürlichen Insulin mittlerweile so ähnlich, dass es kaum Kontraindikationen für ihren Einsatz und auch keine Interaktionen gibt.» Vergessen werde zudem oft, dass Insulin auch einen gewissen positiven Effekt auf die Plasmalipide ausübe. Dem stehen gewisse Nachteile gegenüber. «Die bekannten Nachteile einer Insulintherapie sind eine Gewichtszunahme, das Hypoglykämierisiko und die Kosten des Insulins und der Teststreifen», gab er zu bedenken.
Indikationen für eine Insulintherapie
Im Weiteren ging Fischli darauf ein, wann eine Insulintherapie indiziert ist. «Hier ist einmal die stoffwechselabhängige Situation zu nennen, also die ungenügende Blutzuckerkontrolle unter der bisherigen Therapie.» Daneben gebe es aber auch viele stoffwechselunabhängige Indikationen, so zum Beispiel schwere Entgleisungen (Blutzucker > 20–25 mmol/l, HbA1c > 12%), einen erwünschten Anabolismus (Ältere, Tumorpatienten), Kontraindikationen für orale Antidiabetika oder Hinweise auf einen absoluten Insulinmangel. Zum letzten Punkt ergänzte Fischli: «Wir müssen daran denken, dass sich etwa 25 Prozent der Typ-2-Diabetiker erst nach dem 30. Lebensjahr manifestieren.»
Basalinsulintherapie bei Diabetes Typ 2
Die 4T-Studie zeigte, dass mit einem Basalinsulin der HbA1c gleich gut kontrolliert wurde wie durch andere Strategien (prandiales oder Mischinsulin), jedoch die Gewichtszunahme geringer ausfiel und die Rate an Hypoglykämien signifikant tiefer lag (1). «Das Ziel einer Basalinsulintherapie liegt in einer Suppression der hepatischen Glukoneogenese. Dazu beginnt man mit 0,1 bis 0,2 Einheiten pro Kilo Körpergewicht. Dies entspricht bei
Insulinnaiven zwischen 10 und 18 Einheiten. Dann wird alle 2 bis 3 Tage um 2 bis 4 Einheiten auftitriert, bis der Morgenwert im Zielbereich ist.» Die oralen Antidiabetika, insbesondere Metformin, würden weitergeführt. Denn wie eine Studie zeigte, lässt sich durch die Kombination von Metformin mit Insulin die Insulindosis signifikant reduzieren (2). Anschliessend erläuterte Fischli einige Eigenschaften des ultralang wirksamen Basalinsulins Insulin Degludec. Dieses bildet nach subkutaner Injektion ein Depot löslicher Multihexamere, aus dem das Insulin kontinuierlich und langsam in den Blutkreislauf abgegeben wird (3). «Insulin Degludec hat eine Halbwertzeit von ungefähr 1 Tag und erreicht nach 2 bis 3 Tagen den Steady State. Ab diesem Zeitpunkt wird jeden Tag gleich viel verabreicht wie ausgeschieden, sodass es zu keiner Kumulation kommt», erklärte er.
Synergien mit GLP-1-Rezeptor-Agonisten
Basalinsuline wie Insulin Degludec können auch mit einem GLP-1-Rezeptor-Agonisten kombiniert werden. «Dies führt zu synergistischen Effekten. So haben wir einerseits den Effekt beider Wirkstoffe auf den Blutzucker, andererseits aber auch die zusätzlichen Wirkungen des GLP-1-Rezeptor-Agonisten, zum Beispiel auf das Hungergefühl.» Gemäss einer Metaanalyse stellen Kombinationen aus einem Basalinsulin und einem GLP-1-RezeptorAgonisten denn auch den idealen Ansatz für eine robuste glykämische Kontrolle ohne ein erhöhtes Glykämierisiko und ohne Gewichtszunahme dar (4). Abschliessend wies Fischli darauf hin, dass das niedrige Hypoglykämierisiko neuerer Therapien auch in den aktuellen Bestimmungen (Sommer 2015) bezüglich Fahrfähigkeit berücksichtigt wurde. So können bei einer Behandlung mit niedrigem Hypoglykämierisiko (analoges Basalinsulin 1-mal täglich oder Gliclazid oder Glinide alleine) die Blutzuckermessungen vor Antritt der Fahrt und bei längeren Fahrten weggelassen werden. Kohlenhydrate als Hypoglykämieprophylaxe und ein Blutzuckermessgerät müssen in jedem Fall im Fahrzeug mitgeführt werden (5).
Therese Schwender
Quelle: Lunch-Symposium «Basalinsulintherapie – einfacher als man denkt» (Veranstalter: Novo Nordisk) bei der 18. Fortbildungstagung des Kollegiums für Hausarztmedizin (KHM), 24. Juni 2016 in Luzern.
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Referenzen: 1. Holman RR et al.: Three-year efficacy of complex insulin regimens in type 2 diabetes. N Engl J Med 2009; 361: 1736–1747. 2. Hemmingsen B et al.: Comparison of metformin and insulin versus insulin alone for type 2 diabetes: systematic review of randomised clinical trials with meta-analyses and trial sequential analyses. BMJ 2012; 344: e1771. 3. Fachinformation Tresiba® (Insulin Degludec). www.swissmedicinfo.ch 4. Eng C et al.: Glucagon-like peptide-1 receptor agonist and basal insulin combination treatment for the management of type 2 diabetes: a systematic review and meta-analysis. Lancet 2014; 384: 2228–2234. 5. Lehmann R et al.: Richtlinien bezüglich Fahreignung und Fahrfähigkeit bei Diabetes mellitus, 2015. Verfügbar unter: www.diabetesschweiz.ch/ diabetes/recht-und-soziales/richtlinien-autofahren/
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