Transkript
ATS
Verlust an Lungenfunktion droht bereits in Frühstadien der COPD
Vermeidung von Exazerbationen als lohnendes Therapieziel
Erstmals wurde an einem grossen Kollektiv von COPD-Patienten nachgewiesen, dass jede Exazerbation mit einem dramatischen Funktionsverlust einhergeht. Mit Antibiotika lassen sich Exazerbationen leider nicht vermeiden.
Quelle: Symposium «Thinking about lung health and defining early COPD», «Emerging data on COPD Exacerbations» und Pressekonferenz im Rahmen des ATS 2016, 13. bis 18. Mai 2016 in San Francisco.
Die Prävalenz der COPD steigt weltweit an. Doch wie kann die Lungenfunktion betroffener Patienten am besten erhalten werden? Die Rolle von Exazerbationen war bisher nicht klar definiert. «Frühere Studien gaben keine klare Auskunft darüber, ob Exazerbationen bei Patienten mit leichter COPD oder akute respiratorische Ereignisse bei gegenwärtigen und früheren Rauchern ohne Obstruktion einen Einfluss auf die Lungenfunktion ausüben», erklärte Studienautor Dr. Ken M. Kunisaki aus Minneapolis (Minnesota/USA). Um diesen Sachverhalt zu untersuchen, wertete Kunisaki mit seinen Mitarbeitern die Daten von 2861 amerikanischen COPD-Patienten aus (Abstract 3981). Zu Beginn der Studie sowie nach 5 Jahren wurde die Lungenfunktion mittels Spirometrie bestimmt. 37 Prozent der Patienten gaben an, mindestens eine Exazerbation, definiert als akute respiratorische Symptome, die mit Antibiotika und/oder Steroiden behandelt werden mussten, erlebt zu haben. Dabei stellten die Forscher fest, dass jede Exazerbation bei Patienten mit COPD mit einem weiteren Verlust der Lungenfunktion, das heisst einer zusätzlichen Abnahme der FEV1Werte verbunden war. Die stärksten FEV1-Verluste wurden bei Patienten mit leichter COPD beobachtet. Dagegen hatten die akuten respiratorischen Symptome bei den Teilnehmern ohne Obstruktion keinen negativen Einfluss auf die Lungenfunktion. «Unsere Ergebnisse sind vor allem aufgrund der grossen eingeschlossenen Zahl von Patienten mit leichter COPD interessant, einer Gruppe, die auch in Studien unterrepräsentiert ist», schloss Kunisaki.
Antibiotikaprophylaxe sinnlos
Seit Jahren wird die Rolle von Antibiotika zur Vermeidung von COPD-Exazerbationen kontrovers diskutiert. Jetzt erbrachte eine randomisierte, doppelblinde Multizenterstudie mit einem Nachbeobachtungszeitraum von 2 Jahren, dass die Therapie mit Doxycyclin zusätzlich zu oralen Kortikosteroiden bei einer akuten Exazerbation die Zeit bis zur nächsten Exazerbation nicht verlängern kann (Abstract A1021). In der Studie erhielten 301 COPDPatienten mit akuter Exazerbation 10 Tage lang 30 mg orale Kortikosteroide sowie entweder eine 7-tägige Antibiose mit Doxycyclin oder ein Plazebo. Fieber war in dieser Studie ein Ausschlusskriterium. Die Patienten waren im Mittel 66 Jahre alt. Dr. Patricia van Velzen aus Amsterdam/Niederlande verglich als sekundäre Studienendpunkte auch mangelnden Erfolg der Behandlung sowie die Mortalität. Auch bei keinem dieser weiteren Endpunkte profitierten die Patienten von der Antibiotikagabe. «Angesichts der Tatsache, dass Antibiotikaresis-
Anteil an Patienten ohne Exazerbation
EXAZERBATIONEN MIT UND OHNE ANTIBIOSE
100
p = 0,808 75
I Doxycyclin 50 I Plazebo
25
0 0 100 200 300 400 500 600 700 Zeit (Tage)
Die Behandlung mit Doxycyclin hatte keinen Einfluss auf die Zeit bis zur nächsten Exazerbation. Quelle: ATS 2016, Abstract A 1021.
tenzen ein zunehmendes weltweites Problem darstellen, ist unsere Studie wirklich wichtig und zeigt, dass Antibiotika bei akuten Exazerbationen von COPD-Patienten ohne Fieber nicht eingesetzt werden sollten», erklärte van Velzen.
Akkumulation von Neutrophilen: ein Marker für schlechte Prognose
Eine weitere Studie weist darauf hin, dass der Nachweis einer Akkumulation von Neutrophilen dabei helfen könnte, COPD-Patienten mit besonders ungünstiger Prognose und hohem Progressionsrisiko zu identifizieren (Abstract 10173). «Neutrophile Granulozyten spielen eigentlich bei der Abwehr der Lunge eine wesentliche Rolle und schützen das Organ vor Keimen», erklärte Dr. James D. Chalmers aus Dundee/Schottland. Dabei schütten die Neutrophilen Enzyme und Chromatin aus, aus denen ein extrazelluläres Netz entsteht, in dem sich Pathogene verfangen und dann abgetötet werden. Allerdings schiesst das extrazelluläre Trapping der Neutrophilen (NET) häufig über das Ziel hinaus. Wie die Arbeitsgruppe um Chalmers feststellte, ist eine hohe Neutrophilenzahl im Sputum bei COPD-Patienten mit einem schlechteren Ansprechen auf die inhalative Therapie und einer schlechteren Prognose verbunden. COPD-Patienten mit exzessivem NET zeigten eine reduzierte Belastungstoleranz und Lebensqualität, eine schlechte Lungenfunktion und vermehrte Exazerbationen, sogar bei leichter COPD. Ausserdem waren sie anfälliger für bakterielle Infektionen, besonders mit Haemophilus influenzae.
Susanne Kammerer
16 • CongressSelection Pneumologie • August 2016