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ATS
Schwer kontrollierbares Asthma bleibt langfristig eine Herausforderung
TENOR II sorgt für Ernüchterung
Bis zu 10 Prozent der Asthmatiker gehören zur Gruppe der schwierig zu behandelnden Patienten. Eine Nachbeobachtung der Studie TENOR II zeigt, dass eine zufriedenstellende Krankheitskontrolle langfristig bei weniger als der Hälfte gelingt.
Schwierig zu behandelndes Asthma ist definiert durch eine schlechte Symptomkontrolle, persistierende Obstruktion der Luftwege und/oder wiederkehrende Exazerbationen inklusive tödlicher oder nahezu tödlicher Episoden trotz hohen Medikamenteneinsatzes, wobei Letzterer oft zusätzlich die Krankheit kompliziert. In der TENOR-II-Studie wurde die Prävalenz von persistierendem sehr schlecht kontrolliertem Asthma mehr als zehn Jahre nach Einschluss der Patienten in die TENOR-I-Studie untersucht und die Gruppe der Patienten mit persistierendem sehr schlecht kontrolliertem Asthma mit derjenigen mit nicht persistierendem sehr schlecht kontrolliertem Asthma verglichen. Von insgesamt 327 Patienten waren nach drei sowie nach zehn Jahren Daten zur Kontrolle der Krankheitsaktivität vorhanden. «Nach dieser Zeit hatte fast die Hälfte der Patienten (48%) eine persistierende sehr schlecht kontrollierte Krankheitsaktivität», erklärte Dr. Tmirah Haselkorn, EpiMetrix in Los Altos (Kalifornien) auf dem Jahreskongress der American Thoracic Society (ATS) in San Francisco (Kalifornien). Zudem bestätigte die TENOR-II-Studie, dass Patienten mit schwierig zu behandelndem Asthma unter häufigen Exazerbationen leiden: Sie hatten im letzten Jahr vor Studienabschluss eine dreimal so hohe Wahrscheinlichkeit, aufgrund von Exazerbationen in ein Krankenhaus oder in eine Notaufnahme eingewiesen und mit Kortikosteroiden behandelt zu werden (Abbildung). Zusätzlich wiesen Patienten mit schwierig zu behandelndem Asthma eine höhere Inzidenz von Komorbiditäten auf – so litten 52,2 Prozent im Vergleich zu 41,2 Prozent an gastroösophagealem Reflux.
HOFFNUNG DURCH GENTHERAPIE
Die Daten der TENOR-Studien zeigen erneut, dass gerade bei schwierig zu behandelndem
Asthma ein grosser Bedarf an neuen Behandlungsmöglichkeiten besteht. Einen mögli-
chen Lösungsweg zeigte eine ebenfalls am ATS vorgestellte Studie von Dr. Adriana da
Silva, Universität Rio de Janeiro (Brasilien). Die Forscher entwickelten eine neue Mög-
lichkeit, eine Gentherapie mithilfe von Nanopartikeln zu injizieren, um durch chronisches
allergisches Asthma bedingte Lungenschäden zu reparieren und Entzündungsreaktionen
abzuschwächen. «Unsere Studie zeigte, dass eine einzige Dosis der Thymulin-Genthera-
pie, transportiert in Nanopartikeln, sowohl entzündliche als auch Remodeling-Prozesse
in der Lunge verringern kann», erklärte da Silva. Ihres Erachtens böte diese Gentherapie
vor allem für Asthmapatienten eine Chance, die nicht von langwirksamen Beta2-Agonisten
und inhalativen Steroiden profitieren, da die Gentherapie sowohl antiinflammatorische
Effekte aufweist als auch ein Remodeling verhindert, ohne dabei immunsuppressiv zu
wirken. Bislang wurde die Methode an einem Mausmodell für allergisches Asthma un-
tersucht, jetzt ist eine Phase-I-Studie am Menschen geplant.
% Patienten
EXAZERBATIONEN IN DEN LETZTEN 12 MONATEN NACH PERSISTENZ EINES SEHR
SCHLECHT KONTROLLIERTEN ASTHMAS
120 ■ persistierend schlecht kontrollierbar (n = 157) ■ nicht persistierend schlecht kontrollierbar (n = 170)
100 95,6 97,0
80
60
40
29,7
36,3
20
13,4 9,0
0
schwere Exazerbation Notaufnahme/ nach ATS-Kriterien Krankenhausbesuch
orale Kortikosteroide
Rauchen als Prädiktor
In der TENOR-I-Studie wurden die Prädiktoren für schwierig zu behandelndes Asthma untersucht. Hier
zeigte sich, dass Afroamerikaner im Vergleich zu Kauka-
siern sowie Raucher oder frühere Raucher häufiger von
schwierig zu behandelndem Asthma betroffen waren.
Weitere Risikofaktoren hierfür war ein verringerter
FEV1-Wert trotz Bronchodilatatorgabe sowie Kortikosteroidgabe in den letzten drei Monaten aufgrund eines schlecht kontrollierten Asthmas. Patienten mit schwierig
zu behandelndem Asthma wiesen auch höhere IgE-Konzentrationen auf. «Patienten mit dauerhaft sehr schlecht
kontrolliertem Asthma haben eine höhere Krankheits-
last, eine schlechtere Lungenfunktion sowie höhere Im-
munglobulin-E-Konzentrationen im Vergleich zu Patien-
ten mit nicht persistierendem sehr schlecht
kontrolliertem Asthma», so der Schluss von Haselkorn.
Informationen zum Arzneimittelverbrauch weisen darauf hin, dass Patienten mit persistierendem schlecht kontrol-
liertem Asthma unterversorgt sind, weil entsprechende Medikamente gar nicht verschrieben werden oder weil
sie diese nicht einnehmen.
Susanne Kammerer
Quelle: Vortrag von T. Haselkorn «Prevalence and risk factors for persistent very poorly controlled (VPC) asthma after more than a decade in the TENOR cohort» (Abstract 4843) am 15. Mai sowie Vortrag von A. da Silva «Thymulin gene therapy delivered by a new biodegradable DNA nanoparticle in experimental chronic allergic asthma» (Abstract 7875) am 18. Mai im Rahmen des ATS 2016 in San Francisco.
6 • CongressSelection Pneumologie • August 2016