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EAN
KONGRESSNOTIZEN
Weniger chronischer Schmerz bei dementen Patienten?
Eine aktuelle slowenische Studie, die beim Kongress der EAN in Kopenhagen präsentiert wurde, legt nahe, dass chronische Schmerzen bei Patienten mit kognitiven Beeinträchtigungen wie Demenz oft unbemerkt und damit unbehandelt bleiben. Im Rahmen der Arbeit wurde die Prävalenz von Gliederschmerzen bei diabetischen Patienten mit oder ohne kognitive Beeinträchtigung verglichen. Dazu wurden 452 Patienten einer Diabetesambulanz mit dem Uhrentest auf kognitive Beeinträchtigung gescreent und hinsichtlich chronischer Schmerzen befragt. Bei einem CDT von drei oder weniger Punkten wurde eine kognitive Einschränkung angenommen.
Das Screening ergab 199 Patienten mit kognitiver Beeinträchtigung (44%) und 56 Patienten mit chronischem Schmerz (12,4%). Schmerzfreie Patienten waren im Mittel 64 ± 13 Jahre alt und litten seit 12,3 ± 8,9 Jahren unter Diabetes. Sie unterschieden sich dabei nicht wesentlich von den Schmerzpatienten mit einem Alter von 65 ± 9,3 Jahren und einer Diabetesdauer von 12,7 ± 8,8 Jahren. Kognitiv gesunde Patienten gaben häufiger an, unter chronischen Schmerzen zu leiden (39 vs. 17). Der Unterschied zwischen den Gruppen war signifikant und chronischer Schmerz negativ mit kognitiver Beeinträchtigung assoziiert. Allerdings gehen die Autoren nicht davon aus, dass
Demenz einen protektiven Effekt gegenüber
Schmerzen haben könnte, sondern vermuten,
dass die eingesetzten Screening Tools in dieser
Gruppe nicht funktionieren. Dazu Studienau-
tor Dr. Martin Rakusa von der Universitätskli-
nik Maribor: «Kognitiv beeinträchtigte oder
demente Personen artikulieren ihre Beschwer-
den offenbar seltener. Sie dürfen daher nicht
nur zu möglichen Schmerzen befragt werden,
wir müssen sie aktiv untersuchen.»
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Quelle: Rakusa M et al.: Overlooked chronic pain in diabetic patients with cognitive impairment. EAN 2016, Abstract O3117.
Neurostimulation – wenig Daten, schwache Evidenz
Im Rahmen des EAN-Kongresses in Kopenhagen wurde auch ein bislang noch nicht publiziertes Update einer überarbeiteten Guideline zur Neurostimulation beim neuropathischen Schmerz vorgestellt. Die Erstversion des Dokuments ist nun fast zehn Jahre alt (1) und folglich schon lange nicht mehr auf dem aktuellen Stand. Dazu Univ.-Prof. Dr. Giorgio Cruccu von der Sapienza Universität in Rom, der Erstautor der alten wie der neuen Version des Dokuments: «Wir haben die Leitlinie auf den neuesten Stand gebracht, indem wir neue Techniken inkludierten und uns auch mit chronischen, lang dauernden Schmerzzuständen beschäftigten. Die Evidenz wurde mit dem GRADE System bewertet.» Die Basis der Leitlinie bildeten schliesslich ein Review und Metaanalysen der in den Jahren 2006 bis 2014 publizierten Studien zu diesen Methoden. Die Indikation wurde über den neuropathischen Schmerz
hinaus erweitert und inkludiert nun auch Erkrankungen wie Fibromyalgie, komplexes regionales Schmerzsyndrom Typ 1 (CRPS) und Postdisektomie-Syndrom (failed back surgery syndrome – FBSS). Allerdings konnte die verfügbare Evidenz in den vergangenen Jahren nicht ausreichend geisteigert werden, und die Datenlage ist nach wie vor so dünn, dass sich daraus bestenfalls schwache Empfehlungen ergeben. Zwecks Vergleichbarkeit wurden gemeinsame Endpunkte definiert, wobei man sich für die Messung der Schmerzreduktion VAS/NRS sowie den Anteil an Respondern entschied. Evidenz von «moderater» Qualität wurde ausschliesslich für den Einsatz von transkranieller, direkter elektrischer Stimulation beim neuropathischen Schmerz gefunden. Hier zeigen immerhin vier Studien (wenn auch mit geringen Patientenzahlen) konsistent Wirksamkeit. Zu allen an-
deren Indikationen gibt es noch weniger Daten, sodass beispielsweise für die tiefe Hirnstimulation und die Motorcortex-Stimulation überhaupt nur widersprüchliche und in der Metaanalyse damit inkonklusive Ergebnisse gefunden wurden. Angesichts der generell schwachen bis fehlenden Evidenz empfehlen die Autoren die Durchführung grosser, multizentrischer Studien sowohl mit den nicht invasiven als auch den invasiven Verfahren.
reb
Referenz: 1. Cruccu G et al.: EFNS guidelines on neurostimulation therapy for neuropathic pain. Eur J Neurol 2007;14(9): 952–970.
Quelle: Special Session «New European Neurological Guidelines», EAN 2016, 28. bis 31. Mai in Kopenhagen.
20 • CongressSelection Rheumatologie/Schmerztherapie • August 2016