Transkript
EAU UPDATE
WHO-Tumor-Klassifikationen: Was ist anders?
Vorschlag eines neuen Gradings als Ersatz für den Gleason-Score
Das aktuelle Grading beim Prostatakarzinom verursacht regelmässig Probleme bei der Interpretation. Zum einen werden Teile des Scorings nicht mehr verwendet, zum anderen ist es in Einzelfällen nicht eindeutig genug, was die Prognosen angeht, und verunsichert zudem die Patienten. Es ist also an der Zeit, das Grading-System zu vereinfachen.
Holger Moch
... Wie war das mit dem Gleason-Score? Der Gleason-Score ist ein Summenscore zur Beurteilung der Drüsenmorphologie von Prostatabiopsien und entfernten Prostatae. Zuvor werden anhand der Gleason-Graduierung auf einer Skala von 1 (regelmässige Drüsenformation mit klarer Abgrenzung) bis 5 (unregelmässige Epithelzellhaufen ohne erkennbare Drüsenstruktur, Infiltration der Umgebung) jeweils der Wert für den im Biopsat vorherrschenden Grad (1. Wert) und für den in der Biopsie am schlechtesten differenzierten oder in der entfernten Prostata zweithäufigsten Grad (2. Wert) bestimmt. Die Addition beider Werte ergibt den GleasonScore, der folglich einen Wert von 2 bis 10 erreichen kann.
AZA
Der aktuell verwendete Gleason-Score bringt im Wesentlichen drei grosse Probleme mit sich. Da wäre das Grading selbst: Die Gleason-Scores 2 bis 5 werden kaum noch angewendet. Des Weiteren ist bei Gleason 6 sehr umstritten, ob es sich tatsächlich um Krebs handelt. Hinzu kommt, dass sich beispielsweise Gleason 7 aus 3 + 4 ebenso wie aus 4 + 3 errechnet, was praktisch für ein unterschiedliches Outcome steht. Gleason 6 wird heute als niedrigster Tumor-Score angewendet – und bei einer Skala bis 10 denken hierbei viele Patienten, dass sie bereits schwer erkankt sind. Das führt dazu, dass viele in der ersten Angst eine aktive Behandlung dem «watchful waiting» vorziehen. Der nun vorgebrachte Vorschlag für ein weltweit einheitliches, neues Tumor-Grading könnte diese Probleme lösen, erläuterte Prof. Holger Moch vom Institut für Klinische Pathologie aus Zürich.
Fünf Grading-Gruppen anstatt zehn Gleason-Scores
Das neue Grading-System ist dabei nicht nur eine blosse Idee der Experten, sondern basiert auf einer Studie, die mehr als 20 000 Fälle mit radikaler Prostatektomie (RP) sowie weitere 5000 Fälle mit Strahlentherapie einbezog (1). Die folgenden neuen Grading-Gruppen wurde daraufhin erarbeitet: • Grad 1 (Gleason ≤ 6): gut differenzierte Drüsen • Grad 2 (Gleason 3 + 4 = 7): überwiegend gut differenzierte
Drüsen mit vereinzelten schwach differenzierten oder cribriformen Anteilen • Grad 3 (Gleason 4 + 3 = 7): überwiegend schwach differenzierte, cribriforme Drüsen mit vereinzelten gut differenzierten Anteilen
Take Home Messa es
® Das neue Grading-System bietet drei wesentliche Vorteile:
• akkuratere Gradeinteilung • vereinfachtes Grading mit 5 Gruppen • niedrigster Grad wird als 1 bezeichnet, was auch für den Patienten beruhigender
klingt als «Gleason 6».
® Das neue Grading-System für Prostatakarzinom wurde 2016 von der WHO akzep-
tiert und implementiert. Für eine gewisse Übergangszeit soll es noch mit dem entsprechenden Gleason-Score zusammen gelistet werden.
GRADEINTEILUNG DER HISTOLOGIE BEIM PROSTATAKARZINOM
Neues WHO-Grading im Vergleich zum Gleason-Score
Gleason-Score
2–6 7 (3+4) 7 (4+3)
8 9–10
WHO-Grading
Prognose
(5-Jahres-Überleben)
1 96%
2 88%
3 63%
4 48%
5 26%
• Grad 4 (Gleason 8): nur schwach differenzierte oder cribriforme Drüsen
• Grad 5 (Gleason 9–10): nekrotische und undifferenzierte Drüsen.
Das neue Grading-System erlaubte es, die Wahrscheinlichkeit für eine progressionsfreie Zeit von fünf Jahren bis zum biochemischen Rezidiv nach radikaler Prostatektomie abzuschätzen. Sie lag für Grad 1 bei 96 Prozent, für Grad 2 bei 88 Prozent, für Grad 3 bei 63 Prozent, für Grad 4 bei 48 Prozent und für Grad 5 bei 26 Prozent. Darüber hinaus waren alle Gruppen gute Prädiktoren für das Biopsie-Grading nach RP oder Strahlentherapie. Insgesamt betrachtet, bricht das neue System die Grade des Prostatakarzinoms auf eine minimale, sinnvolle Anzahl von Gruppen mit gut abschätzbarer Prognose herunter. Es wurde bereits von der WHO akzeptiert und implementiert. Um den Übergang zu erleichtern, sollen zukünftig für eine gewisse Zeit die Grade 1–5 noch mit dem entsprechenden GleasonScore zusammen gelistet werden.
Marcus Mau
Referenz: 1. Epstein J et al.: A contemporary prostate cancer grading system: A validated alternative to Gleason score. Eur Urol 2016; 69(3): 428–435.
Quelle: Plenary Session 4 «Urothelial Cancer; State-of-the-Art: 2016 WHO classification of urogenital tumors – What’s new?» am EAU16Kongress, 15. März 2016 in München.
4 • CongressSelection Urologie • Mai 2016