Transkript
EAU AUS DER PRAXIS
Umdenken im Management der wiederkehrenden Zystitis
Es muss nicht immer ein Antibiotikum sein
Unkomplizierte Harnwegsinfekte, zu denen auch die unkomplizierte wiederkehrende Zystitis gehört, werden noch immer allzu oft mit Antibiotika behandelt. Nicht immer ist dieses Vorgehen jedoch notwendig, es fördert sogar die Ausbildung von Antibiotikaresistenzen.
Florian M.E. Wagenlehner
Die Leitlinie im Netz: http://uroweb.org/wp-content/uploads/19-Urologicalinfections_LR2.pdf
Die Resistenzproblematik ist längst in der Urologie angekommen. Harnwegsinfektionen (UTI: urinary tract infections) werden am häufigsten, wenn auch nicht ausschliesslich, von E. coli verursacht. In diesem Zusammenhang ist bereits seit über zehn Jahren bekannt, dass die Zahl der resistenten und multiresistenten E. coli zunimmt, je mehr Antibiotika bei unkomplizierten Harnwegsinfekten und Zystitiden verabreicht werden. «Einige Erreger von Harnwegsinfektionen sind heute bereits weltweit zu 26 bis 56 Prozent resistent gegen Ampicillin, zu 1 bis 8 Prozent resistent gegen Ciprofloxacin und zu etwa 1 Prozent selbst gegen Fosfomycin resistent», so Prof. Florian Wagenlehner aus Giessen. Darüber hinaus ist gerade bei wiederkehrenden Infektionen mit persistierenden Erreger-Reservoiren zu rechnen. Diese sind meist in Form von Biofilmen oder tief im Gewebe eingebetteten Erregern zu finden. Eine konventionelle Antibiotikatherapie erreicht diese Erreger-Reservoire nicht, ist deshalb oft sinnlos und schädigt nur unnötig die Darmflora der Patienten. Es ist daher an der Zeit, den unbedarften Einsatz von Antibiotika bei unkomplizierten Harnwegsinfekten stärker zu hinterfragen.
Fakten des modernen UTI-Managements
Die derzeit aktuelle EAU-Leitlinie (1) empfiehlt das folgende Vorgehen bei der wiederkehrenden Zystitis:
1. generelle Prophylaxe durch Lebensstilveränderung 2. nicht antibiotische Prophylaxe 3. Antibiotikabehandlung, wenn alle nicht antibiotischen In-
terventionen erfolglos waren.
Zu den empfohlenen Lebensstilveränderungen gehören unter anderem eine ausreichende Trinkmenge am Tag, aber auch die Intimpflege. Gerade bei Frauen entstehen Harnwegsinfektionen vermehrt in der Folge einer falsch ausgeführten oder falsch verstandenen Intimpflege. So sollte beispielsweise das Waschen immer von der Vulva zum Anus ausgeführt werden und nicht entgegengesetzt. Die räumliche Nähe zwischen Anus und Vulva sowie Harntrakt ist die Hauptinfektionsquelle für E. coli mit anschliessender UTISymptomatik. In den vergangenen Jahren haben sich zusätzlich einige vielversprechende nicht antibiotische Therapieoptionen bei Harnwegsinfekten etabliert. Insbesondere Ansätze zur Immunstimulation wie OM-89 (Uro-Vaxom®) und über Vaginalcremes verabreichtes Östradiol zeigten in Studien gute Wirksamkeitsprofile (2). Akupunktur und Cranberries können ebenfalls eingesetzt werden, bei ihnen ist die Studienlage aber vielfach noch nicht so eindeutig (2).
Marcus Mau
Take Home Messa es
® Unkomplizierte Harnwegsinfektionen sind ein Motor der Antibiotikaresistenz.
® Alternative Therapieansätze helfen bei unkomplizierten Harnwegsinfekten, Anti-
biotika einzusparen.
® Gemäss den derzeit gültigen EAU-Richtlinien sollten Antibiotika immer als letzte
Massnahme zur Behandlung von UTI gegeben werden.
Referenzen: 1. Grabe M et al.: European Association of Urology Guidelines on Urological Infections 2015; http://uroweb.org/wp-content/uploads/19Urological-infections_LR2.pdf 2. Beerepoot MA et al.: Nonantibiotic Prophylaxis for Recurrent Urinary Tract Infections: A Systematic Review and Meta-Analysis of Randomized Controlled Trials. J Urol 2013; 190: 1981–1989.
Quelle: ESU Course 44 «Dealing with the challenge of infection in urology» am EAU16-Kongress, 14. März 2016 in München.
10 • CongressSelection Urologie • Mai 2016