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Idiopathische Lungenfibrose: Neue Leitlinie mit einem Hauch von Evidenz
Wenige positive, viele negative Empfehlungen
Die idiopathische Lungenfibrose (IPF) ist eine chronische, progredient verlaufende Lungenerkrankung mit unbekannten Ursachen und wenig verstandener Genese. Die derzeit verfügbaren therapeutischen Optionen wurden in einem Update einer internationalen Leitlinie zusammengefasst.
B ei der idiopathischen Lungenfibrose (IPF) kommt es infolge von Entzündung und Fibrosierung zu einer Vernarbung des Lungenparenchyms und einem progedienten Verlust von Lungenfunktion, der zu abnehmender Sauerstoffversorgung – die schliesslich auch in Ruhe nicht mehr gewährleistet ist – und letztlich zum Tod führt. Risikofaktoren sind insbesondere das Rauchen sowie Feinstaubexposition, chronische Infektionen sowie gastrointestinaler Reflux (1). In den letzten Jahren wurde eine steigende Inzidenz von IPF beschrieben. Gegenwärtig geht man von einer Prävalenz von 16 bis 22 Fällen auf 100 000 Personen aus (2). Erst seit Kurzem stehen medikamentöse Therapien zur Verfügung, die eine gewisse Beeinflussung des Krankheitsverlaufs ermöglichen. Diese Entwicklung veranlasste die führenden internationalen Lungengesellschaften American Thoracic Society, European Respiratory Society, Japanese Respiratory Society und Latin American Thoracic Association, eine gemeinsame Leitlinie zu erstellen, die die aktuelle Evidenz zum Management dieser verheerenden Erkrankung zusammenfasst (3). Prof. Ganesh Raghu, Direktor des Zentrums für interstitielle Lungenerkrankungen der University of Washington, präsentierte die Leitlinie im Rahmen des ERS-Kongresses. Die wichtigste Neuerung im Vergleich zur älteren Version des Dokuments aus dem Jahr 2011 (4) ist die Tatsache, dass es überhaupt Evidenz für medikamentöse Therapie gibt. Allerdings genüge diese Evidenz, so die Autoren, nicht, um eine bestimmte der zugelassenen Therapien als First Line zu empfehlen.
Präzise Antworten, möglichst klare Empfehlungen Methodisch wurde die Leitlinie anhand eines Kataloges sehr präziser Fragen erstellt, die einfache Antworten ermöglichen, wie zum Beispiel: «Sollen Patienten mit Pirfenidon behandelt werden?» Für jede dieser Fragen wurden ein eigener Review der Literatur und falls möglich eine Metaanalyse durchgeführt. Die Evidenz wurde nach dem Verfahren GRADE (Grading of Recommendations, Assessment, Development and Evaluation) bewertet und anschliessend von einem multidisziplinären Komitee diskutiert. Empfehlungen waren stark oder eingeschränkt «conditional» für oder gegen das zur Diskussion stehende Vorgehen. Allerdings wurden diese Kernaussagen
Empfehlungen der Leitlinie 2015 zum Management der IPF
Ja: Nintedanib, Pirfenidon, Antazida (durchwegs eingeschränkt) Nein: Antikoagulation, Imatinib, Ambrisentan, Kombination Prednison +
Azathioprin + N-Acetylcystein (stark) sowie Sildenafil, Macitentan, Bosentan, N-Acetylcystein (eingeschränkt)
durch ausführlichere Erläuterungen ergänzt. So wurde zum Beispiel die Frage, ob Patienten mit IPF Antikoagulation erhalten sollen, mit einem starken Nein beantwortet. In den Erläuterungen wird dann unter anderem festgehalten, dass eine Antikoagulation sehr wohl erfolgen soll, wenn der Patient neben seiner IPF noch unter anderen Erkrankungen leidet, bei denen Antikoagulation indiziert ist. Die Leitlinie lässt sich insofern relativ einfach zusammenfassen, als hinsichtlich der meisten abgefragten Behandlungen die Antwort Nein lautete. In den meisten Fällen war es auch noch ein starkes Nein. Empfehlungen – in beiden Fällen «conditional» – gibt es lediglich für den Einsatz des Tyrosinkinase-Inhibitors Nintedanib sowie von Pirfenidon. Für beide Therapien sprechen messbare Effekte auf die Krankheitsprogression, auf die Abnahme der Vitalkapazität sowie auf die Mortalität. Dagegen sprechen Nebenwirkungen und Kosten. Diese beiden Empfehlungen sind neu, da 2011 weder Nintedanib noch Pirfenidon zugelassen waren. Unverändert im Vergleich zur Leitlinie von 2011 ist die eingeschränkte Empfehlung für den Einsatz von Antazida auch für Patienten ohne Refluxsymptomatik. Hinsichtlich aller anderen bei der IPF untersuchten Substanzen lautet die Empfehlung Nein. Der hauptsächliche Unterschied zwischen den Leitlinien von 2011 und 2015 liegt in einem Upgrade vieler Nein-Empfehlungen von eingeschränkt auf stark. Auch für den Einsatz des PDE5-Inhibitors Sildenafil gibt es keine Empfehlung. Raghu betont, dass dies die einzige Frage war, bei der im Panel keine Einstimmigkeit erzielt werden konnte. Die Abstimmung endete 2 zu 5 gegen Sildenafil bei 2 Stimmenthaltungen. Auch hier wird festgehalten, dass die Empfehlung nicht für Patienten gilt, die aus anderen Gründen, wie beispielsweise einer pulmonalen Hypertonie, Sildenafil erhalten. Einige Fragen wurden aufgrund mangelnder Evidenz auf zukünftige Fassungen der Leitlinie verschoben. Dies betrifft beispielsweise die Sinnhaftigkeit der Lungentransplantation bei IPF sowie den Antibiotikaeinsatz.
Reno Barth
Referenzen: 1. Behr J et al.: S2K-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der idiopathischen Lungenfibrose. Pneumologie 2013; 67: 81–111. 2. Prasse A u. Müller-Quernheim J: Grundlagen, Epidemiologie und Pathogenese der idiopathischen Lungenfibrose. Pneumologe 2013; 10: 81–88. 3. Raghu G et al.: An Official ATS/ERS/JRS/ALAT Clinical Practice Guideline: Treatment of Idiopathic Pulmonary Fibrosis. An Update of the 2011 Clinical Practice Guideline. Am J Respir Crit Care Med 2015; 192(2) : e3–19. 4. Raghu G et al.: An official ATS/ERS/JRS/ALAT statement: idiopathic pulmonary fibrosis: evidence-based guidelines for diagnosis and management. Am J Respir Crit Care Med. 2011; 183(6): 788–824.
Quelle: Symposium «Treatment of idiopathic pulmonary fibrosis» beim ERS-Jahreskongress, 28. September 2015 in Amsterdam.
10 Pneumologie • Januar 2016