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Tattoos – Lifestyle-Trend ohne Happy End?
Expertin fordert europäische Standards und mehr Verbraucherschutz
Es geht nicht immer gut: Infektionen, Allergien, toxische Reaktionen und Pigmentverlagerungen können den Wunsch nach Verschönerung der eigenen Haut ins Gegenteil wandeln. Über die möglichen negativen Folgen, die in den Präsentationsbroschüren der Tätowierer nicht auftauchen, berichtete Dr. Christa De Cuyper aus Brugge/Belgien.
Foto: AZA
K örperkunst wurde zu allen Zeiten, bei allen Völkern und auf allen Kontinenten praktiziert – daran erinnerte De Cuyper bei der Kongress-Pressekonferenz der European Academy of Dermatology and Venereology (EADV). Tattoos und Permanent-Make-up sind wichtige Formen der Körperkunst. Während diese Kunstform in Europa lange Zeit vor allem bei sozialen Randschichten verbreitet war, ist sie in unserer Zeit geradezu salonfähig geworden. Dementsprechend boomt auch der Markt: So ist in der Allgemeinbevölkerung mittlerweile jeder Zehnte tätowiert, bei jüngeren Altersgruppen sogar jeder Dritte, so De Cuyper. Mit dieser weiten Verbreitung nimmt auch die Zahl der unerwünschten Effekte zu, die von etwa zwei Dritteln der Tätowierten berichtet werden. Sowohl Tattoos als auch Permanent-Make-up beruhen auf der Implantation von Farbstoffen in die Haut. Trotz etablierter Vorschriften, die vor allem Hygienemassnahmen betreffen, ist die Technik auch weiterhin mit Risiken behaftet.
Bakterielle Kontamination der Tinte – kein Einzelfall Problematisch ist vor allem die Qualität und oft die mangelnde Sterilität der Tätowiertinten: In einer dänischen Untersuchung war von 58 untersuchten neuen Tinten jede zehnte mit Bakterien (z. B. Staphylokokken, Streptokokken, Pseudomonas species und Enterokokken/E. coli) kontaminiert (1). Im letzten August wurde von der FDA eine mikrobielle Kontamination bei der Tinte eines US-Herstellers festgestellt (2). Solche kontaminierten Tinten können insbesondere bei Menschen mit einem geschwächten Immunsystem zu Infektionen führen, so De Cuyper warnend: «Die Tätowiertinten sind nicht so sicher, wie sie es sein sollten.» Neben der Tinte kommen bei Tätowierungen natürlich noch weitere Infektionsquellen infrage, wie zum Beispiel die Umgebung, in der tätowiert wird, der Tätowierer, der Kunde selbst sowie weitere benötigte Materialien.
Risiko von Allergien und Toxizitäten Ein weiteres Problemfeld bilden Allergien und toxische Reaktionen. Die Tinten bestehen aus Pigmenten und Farbstoffen, Additiven und nanopartikulären Spuren von Schwermetallen, hinzu kommen oft Verunreinigungen beim Herstellungsprozess. Im Falle von Allergien besteht das Problem, dass das injizierte Allergen in der Haut verbleibt. Eine Beendigung der Exposition ist gegenüber klassischen Allergien erschwert.
Rote Tinten scheinen bezüglich der Entwicklung von Allergien
ein besonders hohes Risiko zu tragen (Abbildung 1).
In vielen Fällen sind die Inhaltsstoffe nicht klar gekennzeich-
net, und der Markt ist unzureichend kontrolliert. Manche Farb-
stoffe, die in den Tätowiertinten verwendet werden, sind in
der Liste des Scientific Committee for Con-
sumer Products (SCCP), eines Aufsichts-
gremiums der Europäischen Kommission,
überhaupt nicht aufgeführt. Sie dürften
zum Beispiel in Kosmetika nicht eingesetzt
werden. Noch bedenklicher ist allerdings,
dass illegal hergestellte Produkte leicht
über das Internet erworben werden kön-
nen. Daher forderte De Cuyper: «Wir brau-
chen eine Positivliste sicherer Farb- und
Inhaltsstoffe. Tätowiertinten sollten min-
destens die gleichen Standards erfüllen wie Kosmetikprodukte.» Darüber hinaus for-
Christa De Cuyper
derte sie mehr Untersuchungen zu Toxizitäten und zur Bioki-
netik. Die Tinten sollten bezüglich ihres Potenzials für Toxizi-
tät, Fototoxizität, Verlagerung im Gewebe, Karzinogenität
sowie mögliche metabolische Umwandlungen geprüft werden.
De Cuyper: «Wir brauchen weitere Untersuchungen, aber als
ersten Schritt benötigen wir einen einheitlichen europäischen
Standard zum Schutz der Verbraucher!»
Abbildung 1: Allergische Reaktionen, hier mit begleitender Weichteilinfektion, sind bei der Verwendung roter Farbstoffe besonders häufig zu beobachten.
Dermatologie • Januar 2016 13
Foto: De Cuyper
Foto: De Cuyper
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Jeder Fünfte bereut sein Tattoo
In diesem Zusammenhang wies De Cuyper auch darauf hin, dass 20 Prozent der Tätowierten irgendwann ihre Entscheidung wieder bereuen und um medizinische Hilfe bei der Entfernung bitten. Dass das Tattoo nicht mehr gewollt wird, liegt dabei nicht nur am sich verändernden Geschmack des Individuums oder an gescheiterten Beziehungen, die einen tätowierten Namen womöglich hinfällig machen, sondern auch daran, dass die Realität des Resultats oft von den Vorstellungen abweicht (Abbildung 2). Das muss nicht immer nur an mangelnden künstlerischen Fähigkeiten des Tätowierers liegen, sondern kann auch durch Verlagerung der injizierten Pigmente in einem lebenden Gewebe bedingt sein – ein Effekt, der gerade im Falle von Permanent-Make-up das kosmetische Resultat ad absurdum führen kann.
Fazit
Um Enttäuschungen und Komplikationen zu vermeiden, for-
derte De Cuyper, dass die Entscheidung für ein Tattoo auf ei-
ner guten, fundierten Information basieren sollte. Es sollte
von gut trainierten, professionellen Tätowierern, unter guten
hygienischen Bedingungen und mit sicheren Materialien aus-
geführt werden.
Adela Z˘atecky
Abbildung 2: Ein Tattoo von schlechter Qualität führt oft dazu, dass die Betroffenen ihre Tätowierung bereuen und wieder entfernt haben wollen.
Referenzen: 1. Høgsberg T et al.: Microbial status and product labeling of 28 original tattoo inks. J Eur Acad Dermatol Venereol 2013; 27(1): 73–80. 2. http://www.fda.gov/Food/NewsEvents/ConstituentUpdates/ucm 457439.htm
Quelle: Pressekonferenz beim 24. Kongress der European Academy of Dermatology and Venereology (EADV), 9. Oktober 2015 in Kopenhagen.
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