Transkript
CongressSelection
Hyperglykämie fördert Infektionen und Bindegewebsstörungen
Hauterkrankungen können erste Zeichen eines okkulten Diabetes mellitus sein
30 bis 70 Prozent der Diabetiker erleiden Hautkomplikationen. Nicht immer ist eine Behandlung notwendig oder verfügbar. Dennoch sollte der Dermatologe auf Hauterkrankungen achten, die auch Zeichen eines noch okkulten Diabetes sein können.
M enschen mit Diabetes haben aufgrund der hohen Glukosekonzentrationen in der Mikrozirkulation der Haut häufiger Infektionen. Das erklärte Prof. Rolf-Markus Szeimies, Recklinghausen/Deutschland, bei einem Symposium auf dem EADV-Kongress in Kopenhagen. Zudem verringert sich bei Diabetikern durch nicht enzymatische Glykosylierung die Elastizität der Kollagenfasern, sodass diese leichter einreissen, was weitere Hauterkrankungen begünstigt.
Mehr Hautinfektionen durch Diabetes Prädisponierend für Hautinfektionen sind bei Diabetikern neben hohen Glukosespiegeln in der Haut, die laut Szeimies Mikroorganismen anziehen, auch Störungen der peripheren Mikrozirkulation und der zellulären Immunität. Dazu kommen oftmals Hyper- oder Hypohidrosis, zudem verzögert eine komorbide Nierenfunktionsstörung die Heilung. Die Therapie der Hautinfektionen solle so wie bei Stoffwechselgesunden erfolgen; allerdings neigten Diabetiker eher zu Rezidiven, erklärte Szeimies. Darüber hinaus verliefen Infektionen wie Follikulitis, Furunkel, Karbunkel und Impetigo bei Diabetikern oftmals schwerer, erklärte Szeimies. Ähnliches gelte für Streptokokkeninfektionen: «Wir finden bei Diabetikern öfter die nekrotisierende Fasziitis vom Typ 2. Und beim Erysipel sehen wir die hämorrhagisch-bullösen Varianten, aber auch stille Verläufe, welche die Diagnose verzögern.» Virusinfektionen mit Herpes zoster zeigten oftmals einen hämorrhagischen Verlauf und stark ausgeprägte Post-Zoster-Neuralgien. Onychomykosen traten in einer Studie bei Diabetikern mehr als doppelt so häufig auf wie bei allen anderen Untersuchten (1). Speziell bei schlecht kontrolliertem Typ-2-Diabetes sind oftmals Candidainfektionen zu finden; sie können ein erster Hinweis auf eine bis dato unbekannte Diabeteserkrankung sein. Die periphere Mikroangiopathie und das oftmals hohe Lebensalter der Diabetespatienten begünstigen den Befall mit Dermatophyten. Diese ebnen den Weg für bakterielle Sekundärinfektionen, die dann bei diabetischer Neuropathie zu spät bemerkt werden: «Die Patienten sehen und fühlen nicht, was etwa zwischen ihren Zehen passiert», gab Szeimies zu bedenken. «Das kann das diabetische Fusssyndrom drastisch verschlimmern.»
Nicht enzymatische Glykosylierung schädigt ebenfalls Diabetikerhaut Auch unabhängig von Infektionen kann Diabetes die Haut negativ beeinflussen. Diabetesassoziierte Hauterkrankungen
sind etwa Acanthosis nigricans, das «Diabetic thick skin»-Syndrom und Xanthosen, aber auch Necrobiosis lipoidica diabeticorum (NL). Sie wird bei 0,3 bis 1,2 Prozent aller Diabetiker diagnostiziert. Dabei kann die zeitliche Abfolge variieren: «Nur in 60 Prozent der Fälle ist NL eine Folgeerkrankung des Diabetes», erklärte Szeimies: «In 25 Prozent der Fälle treten beide Erkrankungen etwa gleichzeitig auf, und in 15 Prozent der Fälle geht die NL dem Diabetes voraus.» Betroffen von NL sind vor allem junge Erwachsene, meist Frauen. Wichtigste Ursache ist vermutlich die nicht enzymatische Glykosylierung von Kollagenfasern der Haut, die ihnen ihre Elastizität nimmt. Aber auch eine gestörte Plättchenaggregation, Vaskulitis sowie eine immunvermittelte Mikroangiopathie mit inflammatorischen Signalen spielen offenbar eine Rolle. Die Erkrankung kann schwere und lange Verläufe nehmen; einen evidenzbasierten Therapiealgorithmus gibt es bislang nicht. Bei etwa 1 Prozent der Diabetiker wird Bullosis diabeticorum festgestellt, oft bei lange bestehender Insulintherapie und diabetischer Neuropathie. Auslöser der Erkrankung mit grossen flüssigkeitsgefüllten Blasen an den unteren Extremitäten ist die nicht enzymatische Glykosylierung von Ankerfibrillen. Die Flüssigkeit ist meist klar, und die Blasen heilen innert zwei bis fünf Wochen aus. Aber auch Verläufe mit hämorrhagischen Blasen und narbiger, atrophierender Heilung oder mit schmerzhaften, nicht vernarbenden Blasen nur auf sonnenexponierter Haut sind bekannt; sie werden meist symptomatisch behandelt.
Braunfärbung als Zeichen der Mikroangiopathie Viel häufiger wird die diabetische Dermatopathie beobachtet: Diese bräunliche Hautverfärbung tritt als Manifestation der diabetischen Mikroangiopathie bei 30 bis 60 Prozent der Diabetiker auf, bevorzugt bei Männern. Sie ist ein Warnsignal für diabetische Nephropathie, Neuropathie und Retinopathie sowie koronare Herzerkrankung, nach denen dann gefahndet werden sollte.
Simone Reisdorf
Referenz: 1. Mayser P et al.: Mycotic infections of the anogenital region. Hautarzt 2005; 56: 531–539.
Quelle: Session «Dermatology and internal medicine» (endocrine disorders) beim 24. Kongress der European Academy of Dermatology and Venereology (EADV), 8. Oktober 2015 in Kopenhagen.
12 Dermatologie • Januar 2016