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Die Zähmung des tobenden Igels
Hedgehog-Blockade etabliert sich beim Basalzellkarzinom
Mit der Identifikation des Hedgehog-Signalwegs als wichtigsten Pathomechanismus in der Entwicklung von Basalzellkarzinomen wurde die Entwicklung von spezifischen Inhibitoren möglich – und damit ein entscheidender Fortschritt in der Therapie dieser Hauttumoren.
B asalzellkarzinome (BCC), ob in der erblichen oder in der sporadischen Form, werden nach heutigem Kenntnisstand nahezu alle durch eine fehlerhafte Hochregulation des Hedgehog-Signalwegs verursacht. Die Geschichte der Entdeckung dieses Pathomechanismus begann bereits 1960, als Robert Gorlin das Basalzellnävussyndrom, auch als GorlinGoltz-Syndrom bezeichnet, beschrieb. Bei dieser Erbkrankheit, die autosomal-dominant vererbt wird, entwickeln die Betroffenen bereits im frühen Erwachsenenalter als eines der Hauptsymptome multiple Basalzellkarzinome nahezu überall auf der Haut, bevorzugt aber auf sonnenexponierten Arealen, so Prof. Ervin Epstein aus Oakland/Kalifornien. Im Jahr 1996 gelang es Epsteins Arbeitsgruppe, eine Mutation im Gen PTCH1 auf Chromosom 9 als singuläre Ursache dieser Erbkrankheit zu identifizieren. Allein diese Mutation führte also zu einer erblichen Prädisposition für die Karzinogenese von Basalzellen. Im weiteren Verlauf der Forschung sollte sich herausstellen, dass diese Mutation nicht nur bei erblichen Formen von BCC auftritt, wo sie bereits die Keimbahn betrifft, sondern auch bei den viel häufigeren sporadischen BCC, wo sie sich als Spontanmutation im Laufe des Lebens entwickelt.
Hochregulation bei 100 Prozent der BCC Was aber hat es mit dieser Genmutation auf sich? Das Gen PTCH1 ist ein Membranprotein, dessen Hauptfunktion darin besteht, ein anderes Membranprotein namens Smoothened (SMO) zu blockieren. Wird SMO nicht blockiert, aktiviert es in der Zelle den Hedgehog-Signalweg und damit letztlich die Genexpression der Zelle. Dieser Signalweg, der normalerweise nur während der Embryogenese von Bedeutung ist und danach durch besagtes PTCH1 abgeschaltet wird, ist bei 100 Prozent der BCC hochreguliert. Darüber hinaus wurde noch bei weiteren Malignomen eine Hochregulation dieses Signalwegs nachgewiesen, so bei Retinoblastomen sowie bei manchen Rhabdomyosarkomen und Angiomen. Die weitere Erforschung führte zu der Vermutung, dass die pathologische Reaktivierung des HedgehogSignalwegs bei etwa einem Viertel aller Malignome zumindest zum Teil beteiligt sein könnte. Diese Hypothese rückte die Forschung auf diesem Gebiet mehr ins Zentrum des Interesses, und die Suche nach Inhibitoren wurde intensiviert. Weitere 16 Jahre nach der Entdeckung dieses Signalwegs wurde mit Vismodegib das erste «small molecule» zur Therapie des fortgeschrittenen Basalzellkarzinoms verfügbar, und inzwischen ist das die Standardtherapie in dieser Indikation. Obwohl etwa die Hälfte der behandelten Basalzellkarzinome initial ansprechen, entwickelt davon wiederum die Hälfte der
Patienten innerhalb eines Jahres Resistenzen gegen diese Therapie. Diese Resistenzen gehen einher mit einer Reaktivierung des Hedgehog-Signalwegs, in der Regel aufgrund von Mutationen im Bereich der Vismodegib-Bindungsstelle. Limitierend sind bei vielen Patienten die Nebenwirkungen wie Muskelkrämpfe, Haarausfall und Geschmacksstörungen. Bei etwa der Hälfte der Patienten führen diese Nebenwirkungen zum Therapieabbruch.
Suche nach optimalem Therapieschema Im Unterschied zu den Erfahrungen bei den erworbenen BCC fiel bei Patienten mit Gorlin-Syndrom auf, dass sie unter der Vismodegib-Therapie keine Resistenzen entwickelten. Sowohl klinisch als auch histologisch wurde bei ihnen ein komplettes Verschwinden der Tumoren registriert, und es bildeten sich keine neuen Tumoren. Innerhalb von 15 Monaten war die Mehrheit der Patienten frei von Basalzellkarzinomen. Auch die Nebenwirkungen wurden von diesen schwer betroffenen Patienten eher toleriert. Aber: Sobald bei diesen Patienten die medikamentöse Hedgehog-Blockade gestoppt wird, entwickeln sich die Tumoren wieder, und zwar an den gleichen Arealen, wo sie bereits vor der Therapie waren. «Daher bleiben – trotz spektakulärer Erfolge – immer noch Herausforderungen», betonte Epstein: erstens die Resistenzentwicklung bei den erworbenen BCC und zweitens die vollständige Heilung bei Patienten mit Gorlin-Syndrom. Um die Rezidive zu verhindern, werden derzeit neue Einsatzstrategien erforscht – so zum Beispiel die intermittierende Therapie, bei der sich nach einer siebenmonatigen Initialtherapie mit Vismodegib jeweils dreimonatige Therapiepausen und Vismodegib-Zyklen abwechseln. Von dieser Strategie erhofft sich Epstein eine Verbesserung der Langzeitakzeptanz. Insgesamt seien die klinischen Ergebnisse mit Vismodegib aber beeindruckend, betonte Epstein: Für den richtig ausgewählten Patienten könne die Therapie mit einem oralen Hedgehog-Inhibitor lebensverändernd sein. Daher sollte die Hedgehog-Hemmung bei allen, die Patienten mit Basalzellkarzinomen behandeln, Teil des Standardrepertoires sein. Aufgrund seiner jahrzehntelangen Erfahrung auf diesem Gebiet stellte Epstein abschliessend fest: «Wissenschaft funktioniert wirklich – und sie kann das Leben unserer Patienten verändern.»
Adela Z˘atecky
Quelle: Plenary lecture «Basal cell carcinoma» beim 24. Kongress der European Academy of Dermatology and Venereology (EADV), 8. Oktober 2015 in Kopenhagen.
Dermatologie • Januar 2016 11