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CongressSelection
Wenn das Gehirn insulinresistent wird
Essverhalten wird zentral durch Insulin reguliert
In bestimmten Regionen des Gehirns werden in grosser Zahl Insulinrezeptoren gefunden. Diese dürften die Stoffwechsellage und das Verhalten auf vielfältige Weise beeinflussen. Allerdings kann sich auch an diesen zentralen Rezeptoren eine Insulinresistenz entwickeln.
Nahrungsaufnahme beeinflusst auf vielfältige Weise das Gehirn. Nach oraler Glukoseaufnahme kann mittels fMRI-Scans in verschiedenen Arealen des Gehirns eine
werden, während es umgekehrt bei Übergewichtigen zu einer verstärkten Durchblutung kam (3). Ähnliche Beobachtungen wurden auch in anderen Arealen des Gehirns gemacht. Unge-
Aktivierung festgestellt werden. Dazu Dr. Martin Heni, Univer- klärt ist die Frage, wann Insulinresistenz im Gehirn beginnt
sität Tübingen: «Woher weiss das Gehirn, dass wir gegessen und was sie verursacht. Heni wies in diesem Zusammenhang
haben? Was sind die Modulatoren, die entsprechende Verän- auf eine Assoziation mit freien gesättigten Fettsäuren im
derungen der Gehirnaktivität induzieren?»
Plasma hin, die bei viszeraler Adipositas vermehrt auftreten.
Eine wesentliche Rolle dürfte dabei Insulin spielen. Das Möglicherweise beginnt die Insulinresistenz unter Umständen
menschliche Gehirn exprimiert Insulinrezeptoren in grosser aber bereits in utero als Reaktion des fetalen Gehirns auf
Zahl. Das wurde bereits vor mehr als 30 Jahren im Tiermodell einen problematischen Metabolismus der Mutter. Heni: «Wir
dachten zunächst, dass Adipositas
«Wir dachten zunächst, dass Adipositas die Ursache
für Insulinresistenz des Gehirns ist. Mittlerweile gibt
»es jedoch auch Hinweise in die andere Richtung.
die Ursache für Insulinresistenz des Gehirns ist. Mittlerweile gibt es jedoch auch Hinweise in die andere Richtung, dass also ein insulinresistentes Gehirn zu Übergewicht führt. Diese Hypothese muss nun in Stu-
dien überprüft werden.» Einiges
spricht für einen gemeinsamen genetischen Hintergrund von
gezeigt (1) und kann heute mit moderner Bildgebung auch am Insulinresistenz des Gehirns und Adipositas. Auch eine Insu-
Menschen studiert werden. Als äussert gut geeignete Me- linresistenz der Blut-Hirn-Schranke, die verhindert, dass Insu-
thode hierfür hat sich die Applikation von nasalem Insulin er- lin überhaupt an die Rezeptoren im Gehirn gelangt, dürfte im
wiesen (2). Diese führt zu einem raschen Anfluten von Insu- Spiel sein.
lin im Liquor, ohne dass es dadurch zu einem nennenswerten Anstieg des Insulinspiegels im Plasma kommt. Das Insulin ist im Liquor für bis zu 80 Minuten nachweisbar.
Insulinresistente Peripherie als Folge eines «adipösen Gehirns»?
Nur bestimmte Areale sind insulinsensitiv
Aktuelle Daten legen auch nahe, dass die Insulinsensitivität des Gehirns einen Einfluss auf die Insulinsensitivität oder die
In der Bildgebung konnte gezeigt werden, dass nur be- Insulinresistenz des gesamten Organismus hat. So konnte
stimmte Areale im Gehirn auf Insulin reagieren. Dazu zählt der mittels hyperinsulinämischer, euglykämischer Clamp gezeigt
Gyrus fusiformis, der, so Heni, mit Objekterkennung in Ver- werden, dass bei schlanken Probanden durch nasales Insulin
bindung gebracht wird: «Der Gyrus fusiformis bewertet Nah- die Insulinsensitivität in der Peripherie steigt. Bei adipösen
rung hinsichtlich Geschmack und Energiegehalt.» Ebenfalls Versuchspersonen blieb dieser Effekt hingegen aus (4). Heni:
gefunden werden Insulinrezeptoren im Hippocampus, der mit «Das heisst, ein insulinresistentes Gehirn kann die periphere
dem Gedächtnis zu tun hat. Heni: «In den USA laufen bereits Insulinsensitivität nicht mehr beeinflussen. Das erklärt teil-
Studien, in denen versucht wird, Demenzen durch Insulin zu weise, warum adipöse Menschen generell insulinresistenter
bessern.» In der präfrontalen Region sind ebenfalls Insulinre- sind als schlanke.» MRI-Studien legen nahe, dass die Insu-
zeptoren vorhanden. Dieser Bereich des Gehirns hat unter an- linrezeptoren im Hypothalamus dabei die entscheidende
derem mit Impulskontrolle zu tun. Das heisst im konkreten Rolle spielen (5). Gegenwärtig wird auch untersucht, ob das
Fall: Kontrolle des Essverhaltens. Insulin und Insulinrezepto- «adipöse Gehirn» auch gegen andere Peptide, die Sätti-
ren sind also mit dafür verantwortlich, dass wir unser Ess- gungsgefühl vermitteln, resistent ist. Das dürfte nicht der Fall
verhalten im Griff haben. Im Hypothalamus, wo die wichtige sein. Eine im Rahmen des EASD-Kongresses präsentierte Stu-
Kontrolle der Homöostase lokalisiert ist, werden ebenfalls die ergab bei Schlanken und bei Adipösen eine vergleichbare
Insulinrezeptoren gefunden.
Wirkung von GLP1 auf das Gehirn (6).
Studien mit fMRI haben gezeigt, dass Gehirne Übergewichti-
Reno Barth
ger substanziell anders auf Insulin reagieren als Gehirne schlanker Personen. Beispielsweise konnte im mittleren Gyrus frontalis bei Schlanken 30 Minuten nach nasaler Insuli-
Quelle: Rising Star Symposium, Vortrag «Insulin and the human brain» im Rahmen des EASD-Kongresses, 18. September 2015 in Stockholm.
napplikation eine Reduktion der Durchblutung festgestellt Referenzen online unter www.rosenfluh.ch
26 Diabetologie • Dezember 2015