Transkript
CongressSelection
Wenn der Embryo in der Zuckerlösung badet
Diabetes während Schwangerschaft hat Folgen für das ganze Leben
Frauen mit Diabetes in der Schwangerschaft weisen oft erhöhte Blutzuckerwerte auf. Die betreffen auch das Kind – und das hat auch Langzeitfolgen für den Nachwuchs. So neigen Kinder, die einen Teil ihrer Entwicklung im Uterus unter hyperglykämischen Bedingungen verbringen, später vermehrt zu Adipositas, ausserdem erkranken sie häufiger an Typ-2-Diabetes. Wie kommt es zum Link zwischen dem vorgeburtlichen Bad in Zuckerlösung und dem erhöhten Diabetes-2-Risiko?
Möglicherweise führt eine intrauterine Programmierung zu metabolischen Änderungen im Fettgewebe, so Dr. Azadeh Houshmand-Oeregaard aus Dänemark. Das könnte später beim erwachsenen Nachwuchs unter anderem die Genexpression und die Plasmaspiegel des vom Fettgewebe abgegebenen Leptins, Adiponectins und Resistins beeinflussen. Resistin wirkt proinflammatorisch und steigert die Insulinresistenz, während Adiponectin antiinflammatorische Effekte hat. Leptin wiederum hemmt den Appetit. Diese Hypothese überprüfte sie bei 208 erwachsenen Kindern von Frauen, die während der Schwangerschaft einen Gestationsdiabetes (GDM), Typ-1-Diabetes oder keinen von beiden aufwiesen. Die Kinder unterzogen sich dafür als junge Erwachsene (26–35 Jahre) unter anderem einem oralen Glukosetoleranztest (75 g OGTT) und spendeten in einer Biopsie ein Stück subkutanes Fettgewebe.
Der BMI passt noch, aber dann … Die folgenden Daten fallen auch deshalb auf, weil sich der Body-Mass-Index in allen drei Gruppen nicht unterschied. Das galt ebenso für den Nüchternblutzucker, aber nicht für die postprandialen Werte. So wiesen die Kinder der GDM- und der Typ-1-Patientinnen im OGTT signifikant höhere 2-StundenBlutzuckerwerte auf als die Kontrollen (p = 0,019; p = 0,001). Die GDM-Kinder zeigten ausserdem erhöhte 30-MinutenWerte (p = 0,005), was auf eine gestörte frühe Phase der Insulinsekretion hinweisen könnte. Passend dazu war der mittlere HbA1c-Wert dieser Gruppe im Vergleich zu den Kontrollen zwar nicht signifikant erhöht, zeigte aber statistisch schon die Tendenz dazu.
Reduzierte Genexpression Gegenüber den Kontrollen wurde darüber hinaus in beiden Untersuchungsgruppen eine stark reduzierte Genexpression der Adipokine gemessen. Die Verringerung war in der GDMGruppe deutlicher und für alle drei Parameter hoch signifikant (Leptin: p = 0,001; Adiponectin: p < 0,001; Resistin: p < 0,001). Beim Typ-1-Nachwuchs fiel die Abnahme nur für Adiponectin und Resistin signifikant aus (p = 0,037; p = 0,002; Leptin: p = 0,074). Die in der Genexpression deutlich sichtbaren Veränderungen wiederholten sich allerdings nicht regelhaft in den Plasmaspiegeln der Adipokine. So wurde eine
Erhöhung des Leptinspiegels nur bei den Typ-1-Kindern beobachtet (p = 0,036), ebenso ein leichter Anstieg des Resistinspiegels (p = 0,05). Die Ergebnisse, sagte Houshmand-Oeregaard, unterstützten aber die Hypothese vom Einfluss intrauteriner Hyperglykämie (oder anderen dort wirkenden Faktoren) auf die Expression der Adipokine und bestärkten die Annahme einer intrauterinen Programmierung für Typ-2Diabetes.
Einfluss auf das Epigenom
Azadeh Houshmand-Oeregaard
Dabei spielen möglicherweise auch epige-
netische Mechanismen eine Rolle, also po-
tenziell vererbbare Chromosomenverände-
rungen, von denen aber die Sequenz der
DNA nicht betroffen ist. Eine solche epige-
netische Veränderung kann zum Beispiel
per DNA-Methylierung erfolgen. Ob das der
Fall ist, untersucht Dr. Line Hjort aus Däne-
mark an einer anderen Geburtskohorte. Mit
9 bis 14 Jahren ist der hier teilnehmende Nachwuchs deutlich jünger. Er umfasst 608
Line Hjort
Kinder aus GDM-Schwangerschaften und 623 von Kontrollen.
Die ersten Daten zeigen eine deutlich abweichende DNA-Me-
thylierung im Blut der GDM-Gruppe. Das lasse einen anhal-
tenden Einfluss des im Bauch der Mutter durchgemachten
Schwangerschaftsdiabetes auf das epigenetische Profil des
Nachwuchses vermuten, erklärte Hjort. Zumal noch etwas auf-
fiel: Die GDM-Kinder schnitten – trotz ihres jungen Alters – im
Vergleich zu ihren Kontrollen metabolisch teilweise deutlich
schlechter ab als die entsprechende Gruppe der vorigen Stu-
die. Höhere Werte als bei den Kontrollen wurden unter ande-
rem für Nüchternblutzucker, Insulin und Insulinresistenz ge-
messen. Dabei waren die GDM-Kinder kleiner, aber etwas
schwerer, und wiesen einen höheren Body-Mass-Index auf.
Helga Brettschneider
Quelle: Symposium «Diabetes and pregnancy: Long term implications for mother and child» im Rahmen der 51. Jahrestagung der European Association for the Study of Diabetes (EASD), 16. September 2015 in Stockholm.
Diabetologie • Dezember 2015 21