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KBaülndstaluicchheinBedtearzePlrlaex: is verfügbar?Interview mit Prof. Steven V. Edelman
?Die rasante Entwicklung der Mess- und Computertechnologie verändert die Diabetestherapie. Wir sprachen mit Prof. Steven Edelman von der UC San Diego School of Medicine, einem der Vordenker der technologischen Revolution in der Diabetologie.
Der «Closed Loop» oder die künstliche Betazelle, also ein geschlossenes System, das auf Basis konstanter Glukosemessung automatisch Insulin appliziert, ist
ein Traum der Diabetologie. Wie weit sind wir?
Prof. Dr. Steven V. Edelman: Als ich vor Jahren zum ersten Mal
von Plänen hörte, solche Systeme auf Basis der damals verfüg-
baren Technik zu realisieren, war ich sehr skeptisch. Insulin wird
von der Pumpe ja subkutan appliziert. Das heisst, das Insulin
verbleibt eine Zeit lang im Gewebe, bevor es
wirkt. Ich hatte Zweifel, dass sich mit einem
eher langsamen System eine möglichst phy-
siologische glykämische Kontrolle erreichen
lässt. Ich muss aber sagen, dass ich sehr
überrascht bin, wie schnell sich die Dinge
entwickeln.
Wir sind heute im Stadium der klinischen Stu-
dien. Ich hoffe, dass ein «künstliches Pan-
kreas» bereits 2017 oder 2018 für einen grös-
seren Kreis von Patienten verfügbar sein wird.
Steven Edelman
Mehrere Gruppen arbeiten intensiv daran.
Insulin ist ja nur eine Seite der Steuerung des Blutzuckers. Gibt es auch Pumpen mit Glukagon? Ja, es werden auch Systeme mit doppelten Pumpen, die sowohl Insulin als auch Glukagon freisetzen, in Studien untersucht. Diese Pumpen werden vor allem von einer Gruppe an der Boston University vorangetrieben. Sie sind ebenfalls bereits in klinischen Studien. Wenn sie zeigen können, dass diese Systeme sicher sind, dann könnten sie durchaus die Ersten auf dem Markt sein. Aber man müsste hellsehen können, um zu wissen, welche Systeme sich in den Studien letztlich bewähren werden und welche nicht.
Haben wir überhaupt geeignetes Glukagon? Während Pumpeninsulin ja routinemässig im Einsatz ist, gibt es Glukagon derzeit nur als Notfallmedikament. Zurzeit haben wir kein Glukagon, das für den routinemässigen Einsatz in einer Pumpe stabil genug ist. Das ist sicher ein limitierender Faktor. Man müsste das Glukagon in der Pumpe häufig wechseln. Damit wäre ein derartiges System aufwendig in der Handhabung und vermutlich nur etwas für Patienten, die eine sehr eingeschränkte Wahrnehmung von Hypoglykämien haben und das zusätzliche Glukagon daher besonders dringend benötigen. Es ist aber die Frage, ob wir das überhaupt brauchen. Andere Gruppen haben gezeigt, dass man mit Systemen, die nur auf Insulin beruhen, sehr gute klinische Ergebnisse bekommt. Es gibt ja auch die Befürchtung, dass Glukagon gefährlich
sein könnte. Denn wenn man viel Glukagon einsetzt, um Hypoglykämien zu vermeiden, dann braucht man immer mehr Insulin, um die Spitzen zu reduzieren. Wenn es dann mit einer der beiden Infusionen ein Problem gibt, dann sind massive Entgleisungen in beide Richtungen denkbar. Ich persönlich teile diese Sorgen allerdings nicht und halte das eher für theoretische Befürchtungen.
Wenn Closed-loop-Systeme bereits in Studien sind, welche Probleme stehen dann noch an? Ich denke, wir haben die Technologie, die wir benötigen – speziell für Systeme, die nur auf Insulin basieren. Da sehe ich keine ernsthaften Hindernisse mehr. Es geht jetzt um Details. Soll die Pumpe einen Chip an Bord haben, der die Steuerung übernimmt, oder sollen Pumpe und Sensor mit einem externen Device wie einem Smartphone kommunizieren? Es geht also um Fragen der praktischen Umsetzbarkeit und der Benutzerfreundlichkeit.
Eine entscheidende Voraussetzung ist ja die präzise und kontinuierliche Messung des Blutzuckers. Sind die heute verfügbaren Sensoren gut genug? Ja, bei den Sensoren wurden grosse Fortschritte erzielt. Das Dexcom CGM-System ist mittlerweile so gut, dass es die konventionelle Selbstmessung des Blutzuckers ersetzen kann. Es liefert so genaue Informationen, dass man damit eine Pumpe steuern kann. Es ist definitiv gut genug.
Dazu eine andere Frage: Halten Sie die Glukosemessung bei Typ-2-Diabetes für sinnvoll? Ja, absolut. Patienten mit Typ-2-Diabetes oder sogar Prädiabetes können sich damit einen sehr guten und unmittelbaren Überblick über die Wirkung von Ernährung und Bewegung auf ihren Blutzucker verschaffen. Es ist ein unglaublich nützliches Tool für das Selbstmonitoring.
Sollte jeder Typ-2-Diabetiker so etwas tragen? Nicht alles ist für jeden geeignet. Ganz sicher profitieren Typ2-Diabetiker unter Insulintherapie. Letztlich ist es aber eine Frage der Verfügbarkeit und des Preises. Für viel Begeisterung hat der neue und sehr kostengünstige Freestyle libre gesorgt. Da gibt es allerdings in vielen Ländern noch Probleme mit der Verfügbarkeit. Mit diesem Gerät werden auch Studien in Typ2-Populationen durchgeführt. Ich erwarte, dass ein günstiges, verfügbares CGM-System unseren Umgang mit Diabetes tiefgreifend verändern wird.
Das Interview führte Reno Barth.
16 Diabetologie • Dezember 2015