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Neue Impfstoffe gegen Meningokokkeninfektionen
Immer breiter aufgestellt gegen bakterielle Meningitis
Bakterielle Hirnhautentzündungen konnten dank der Fortschritte der Impfstoffentwicklung eingedämmt werden. Doch es gibt immer noch asymptomatische Träger der gefährlichen Bakterien, die sich in Einzelfällen zu Krankheitserregern mit fatalen Folgen entwickeln können. Auf dem EAN gab es einen Überblick über die aktuelle Situation.
Die Meningitis durch Haemophilus influenzae B (Hib) sei seit 1990 dank der Hib-Impfung unter Kontrolle, berichtete Prof. Timo Vesikari vom Impf-Forschungszenter der Universität von Tampere/Finnland. Auch die Pneumokokkenmeningitis sei weitestgehend unter Kontrolle dank des Fortschritts der Impfungen seit 2000. Bei der Meningokokkenmeningitis gebe es zwar rapide Fortschritte bei der Impfstoffentwicklung, aber noch nicht bei der Umsetzung der Impfungen. Die invasive Meningokokken-Infektion führt zu Meningitis, Bakteriämie und Sepsis mit einer Letalität von 8 bis 15 Prozent. Überlebende (10–20%) leiden oft an Folgeerkrankungen wie mentale Retardierung, Hörverlust oder Lähmungen. 2012 wurden in 28 europäischen Staaten insgesamt 3467 Erkrankungsfälle bestätigt, bei unvollständiger Meldung.
Meningitis A 1974–1976 wurde in Finnland ein MenA-Ausbruch verzeichnet, mit 687 Fällen in einer Bevölkerung von 5 Millionen. Es wurde eine Massenimpfung (1,2 Mio. < 20 Jahre alt) vorgenommen, jedoch konnte nicht festgestellt werden, inwieweit die Impfung zum Ende des Ausbruchs beitrug.
Meningitis C 1999 lag die Inzidenzrate in Europa bei 1,9 pro 100 000, davon in Grossbritannien (GB) und Irland bei 9 pro 100 000, was auf die dortige klonale Vermehrung von MenC zurückgeführt wurde. Die erfolgreiche Kontrolle eines Meningokokkenausbruchs der Gruppe C (MenC) in GB mit einem PolysaccharidKonjugat-Impfstoff im Jahr 1999 war nach den Worten von Vesikari ein grosser Durchbruch und ein Modell für die Prävention von Meningokokkenerkrankungen im Allgemeinen. Das überarbeitete GB-Programm verwendet eine für Säuglinge adaptierte Impfung mit nachfolgender Adoleszentenimmunisierung, um alle Kinder durch Herdenimmunität zu schützen. Das gleiche Prinzip kann für die MenACWY-Polysaccharid-Konjugat-Impfstoffe verwendet werden. Die Lehre aus der MenC-Impferfahrung ist, so Vesikari, dass nicht so sehr ein immunologisches Gedächtnis, sondern vielmehr die bakteriziden Antikörper (AK) im Serum erforderlich sind, um eine klinische Protektion sowie eine Eradikation des asymptomatischen Trägerstatus zu erzielen und so die Weiterverbreitung der Erreger zu verhindern. 2006 bis 2013 seien in Grossbritannien MenC-Booster-Impfungen bei 12 Monate alten Säuglingen durchgeführt worden. Die hierdurch erreichten AK-Spiegel seien jedoch rasch wieder ab-
gesunken. 2013 wurde die Strategie geändert: Es wurde bereits im Alter von 3 Monaten die erste für Säuglinge adaptierte Impfung gegeben, mit Boostern im Alter von 12 Monaten und 13 bis 15 Jahren. Die Adoleszentenbooster erzielten hohe Konzentrationen von bakteriziden MenC-AK, wodurch wiederum Babys und Kinder durch Herdenimmunität geschützt worden seien.
Konjugatimpfstoffe gegen Meningokokken A, C, W und Y Jährlich gäbe es rund 500 000 Fälle, die durch verschiedene Serogruppen verursacht würden. Für eine universellere Anwendung stehen mittlerweile mehrere MenACWY-Konjugatvakzine zur Verfügung. Auch hier zeigt sich, in Analogie zur MenC-Impfung, dass ein Booster bei Adoleszenten im Alter von 13 bis 15 Jahren zur Erlangung einer suffizienten Herdenimmunität empfohlen werden sollte. Ein weiterer wichtiger Durchbruch sei die Kontrolle über die MenA im afrikanischen «Meningitisgürtel» der Subsahara durch den monovalenten Polysaccharid-Impfstoff «MenAfriVac», entwickelt vom Serum Institute of India. Die Massenimpfung einer Zielgruppe von 315 Millionen Menschen hat 2009 begonnen, 153 Millionen wurden bisher geimpft. Bei den Geimpften ist es zu keinerlei MenA-Erkrankung gekommen.
Neue Impfstoffe gegen MenB Der bedeutendste Fortschritt in den letzten Jahren sei die Entwicklung und Zulassung von zwei proteinbasierten Impfstoffen gegen MenB gewesen, so die Einschätzung von Vesikari. Der bivalente Impfstoff enthält die Unterfamilien A und B eines rekombinanten Faktor-H-Bindungsproteins (fHbp), produziert in E. coli. Der Impfstoff wurde vor Kurzem in den USA als Trumenba® (Pfizer) zugelassen. Trumenba ist vorgesehen für Personen von 10 bis 25 Jahren und wird in einer Drei-Dosis-Serie gegeben. Der Multikomponentenimpfstoff 4cMenB wurde in der EU als Bexsero® (Novartis) zugelassen. Er enthält die Subfamilie B von fHbp, Neisseria Adhesin A, Neisseria Heparin-bindendes Antigen (NHBA) und äusseres Membranvesikel OMV. Er kann bei Säuglingen, Kindern und Jugendlichen angewendet werden. Als erstes Land hat Grossbritannien 2014 Bexsero in das nationale Impfprogramm aufgenommen.
Eva-Maria Koch
Quelle: Symposium 8 «Infections of the central nervous system: recent advances» am EAN-Kongress, 23. Juni 2015 in Berlin.
10 Neurologie • Oktober 2015