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Geburtseinleitung: Neue Leitlinie, neue Optionen
Stellenwert eines positiven Geburtserlebnisses rückt in den Fokus
Lange Geburtsverläufe sind für Frauen, Ärzte und Krankenhäuser mit negativen Folgen belastet: Das negative Geburtserlebnis erhöht die Wahrscheinlichkeit einer Sectio für eventuelle weitere Schwangerschaften, Ärzte müssen mit entsprechend enttäuschten Patientinnen umgehen und Krankenhäuser die Kosten für einen längeren Verbleib schultern. Neuigkeiten gibt es von drei Fachgesellschaften für Gynäkologie und Geburtshilfe zu berichten: Schweizer, Deutsche und Österreicher rücken näher zusammen.
Die Anzahl verfügbarer medikamentöser, mechanischer oder paramedizinischer Methoden in der Geburtseinleitung ist gross. Wie lauten die derzeitigen Empfehlungen?
Sorgfalt beim Bishop-Score An vorderster Front der Kriterien für die Wahl der Methode «steht sicher der Bishop-Score», so Prof. Daniel Surbek von der Frauenklinik am Inselspital Bern zu Beginn des Workshops über Geburtseinleitung. Wobei es diesbezüglich «sehr empfehlenswert» wäre, wirklich sorgfältig die einzelnen Punkte zu beurteilen und zu addieren und nicht den Wert «aus dem Handgelenk mal Pi» zu schütteln. Ein Score von 5 gilt jedenfalls generell als unreif, über 6 als reif; bei einem Score von 8 oder 9 kann von einer hohen Erfolgsquote der Einleitung ausgegangen werden. Der Experte warnt allerdings: «Man muss sich bewusst sein, dass die Reife der Zervix nur ganz schlecht mit dem Zeitpunkt der Geburt korreliert. Herr Bishop wollte damals mit seinem Score quasi den natürlichen Verlauf voraussagen, das funktioniert nur relativ schlecht. Besser ist die Korrelation mit der Vorhersage, wie effizient die Einleitung sein wird.»
Komfort der Patientin beachten Weitere Kriterien sind bekanntermassen ein Status post Sectio, intrauterine Wachstumsretardierung oder Parität – die Geburtseinleitung verläuft bei der Multipara in der Regel einfacher als bei der Nullipara. Dann zählt auch, «und das wird immer vergessen, weil es zu diesem Thema überhaupt keine sauberen Studien gibt, der Komfort der Frau», betont der Experte. Die fehlenden Daten dazu seien eine «riesige Forschungslücke» zu einem enorm wichtigen Thema: «Wir müssen im Alltag berücksichtigen, wie die Frau die Einleitung erlebt hat: die Heftigkeit der Wehen, das Legen eines Ballonkatheters, wie lange es dauert, denn bei langer Einleitung stellen sich natürlich irgendwann Enttäuschung und Frustration ein.» Gleichermassen sei neben der vaginalen Geburt, einem guten neonatalen Outcome und der geringen Rate mütterlicher Komplikationen auch die mütterliche Zufriedenheit ein wichtiges Outcome der Einleitung. «Das positive Geburtserlebnis für die Mutter ist wichtig, sonst ist bei der nächsten Schwangerschaft die Sectio aus psychischer Indikation vorprogrammiert.»
Ein weiteres bedeutsames Ziel sind eine
kurze Zeit der Geburt und geringe Kosten.
«Wir wollen vermeiden, dass Frauen tage-
lang in der Klinik liegen, alle – Ärzte und
Patientin – frustriert sind und die finanziel-
len Kosten für einen langen Aufenthalt ex-
plodieren. Ein langer Aufenthalt ist der
wesentliche Kostentreiber einer Geburt,
weniger ein neues Medikament, das viel-
leicht ein paar Franken mehr kostet.»
Zu den gebräuchlichsten medikamentösen
Daniel Surbek
Methoden zur Geburtseinleitung zählen
Oxytozin (i.v.), Prostaglandin E2 (Dinoproston, intravaginal
oder intrazervikal), Prostaglandin E1-Analogon (Misoprostol,
intravaginal oder p.o.); mechanische Methoden umfassen die
Amniotomie (in der Regel zusammen mit Oxytozin), den Bal-
lonkatheter und die hygroskopische Zervixdilatation mit
Quellstiften.
Misoprostol: neue Formulierung
Bereits vor 20 Jahren bestätigten Surbek und Kollegen in einer Studie die bessere Wirksamkeit von Misoprostol versus Dinoproston, bei gleichem Nebenwirkungsprofil (1). Vor einigen Jahren stand dann der Einsatz von Misoprostol in der Schweizer Praxis im Fokus der Forscher; «700 Mitglieder der SGGG nahmen daran teil, es war also wirklich eine repräsentative Umfrage» (2). Es zeigte sich, dass 78 Prozent der Schweizer Geburtshelfer Misoprostol einsetzten, davon 86 Prozent intravaginal. Und: 69 Prozent der Ärzte, die es nicht benutzten, hätten es eingesetzt, wenn ein zugelassenes Präparat verfügbar gewesen wäre. Neu auf dem Schweizer Markt zugelassen ist nun Misodel®, ein Misoprostol-haltiges Slow-Release-Vaginalinsert, ähnlich wie Propess® mit dem Wirkstoff Dinoproston. Die Zulassungsstudie mit mehr als 1000 Frauen mit einem BishopScore von 4 zeigte, dass Misodel die Zeit bis zur vaginalen Entbindung vs. Dinoproston signifikant verkürzt (3). Die «höhere Wirksamkeit» von Misodel hat zwei Konsequenzen: Erstens: Es treten deutlich mehr Tachysystolien auf, nämlich 14 Prozent im Vergleich zu 4 Prozent unter Propess. Zu realisieren sei in diesem Zusammenhang allerdings, betont Surbek, dass die Tachysystolie weder zu einer höheren Sectio-
4 Gynäkologie • September 2015
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Guidelines in deutschsprachiger Zusammenarbeit
Zum Thema Terminüberschreitung und Übertragung liegt nun eine neue, revidierte Guideline vor, und diese «steht in engem Zusammenhang mit der aktuellen Entwicklung für die Erstellung von Guidelines: nämlich der Zusammenarbeit mit österreichischen und deutschen Fachgesellschaften, die kürzlich vom Vorstand der SGGG beschlossen wurde», berichtet Prof. Surbek. Gänzlich neu ist die Zusammenarbeit nicht: Schweizer Experten haben schon bei der Erstellung der deutschen Leitlinien hinsichtlich postpartaler Blutungen, Gestationsdiabetes oder Hysterektomie mitgewirkt. «Wir sind als Fachgesellschaft einfach zu klein, um diese Riesenarbeit, welche die Erarbeitung von Guidelines bedeutet, wirklich leisten zu können», zeigt sich Surbek realistisch. Die Zusammenarbeit sei daher sehr erfreulich und bedeutsam für die «Weiterentwicklung der Qualität unserer Arbeit.» Und: Auch die Welschschweiz ist beteiligt, sowohl Kurz- als auch Langversionen der Leitlinien sollen auf Französisch übersetzt und auf der Website publiziert werden.
rate noch zu einem schlechteren fetalen Outcome noch zu häufigeren vaginal-operativen Entbindungen führe. «Diese versteckte Stimulation hat eigentlich keine negativen Auswirkungen, weder auf den Geburtsmodus noch auf das Kind», so der Experte.
Fachpersonal schulen Zweitens: Die höhere Effektivität bedeutet für die Praxis, dass «man wachsamer sein muss als bei Propess, wo relativ sel-
ten eine Überdosierung und eine Hyperstimulation auftreten», erklärt der Fachmann. Bei Misodel müsse der Zeitpunkt der Entfernung «gut getimt» werden, man könne das Vaginalinsert «nicht liegen lassen, bis das Kind kommt», sondern die Hebamme müsse reagieren: Bei Veränderung des Bishop-Scores, wenn die Wehen schmerzhaft sind, «auch wenn sie noch nicht so regelmässig kommen und die Zervix nicht auf 5 cm eröffnet ist», muss das Insert entfernt werden. Misoprostol hat mit 40 Minuten eine viel längere Halbwertszeit als Dinoproston. Das heisst, nach der Entfernung ist es in der nächsten Stunde in Gewebe und Blutkreislauf noch recht wirksam. «Daher nochmals: Der Streifen muss rechtzeitig entfernt werden, nicht erst dann, wenn sich die Hyperstimulation schon entwickelt hat.» Dieses Vorgehen müsse natürlich entsprechend geschult werden.
Lydia Unger-Hunt
Referenzen: 1. Surbek DV et al.: A double-blind comparison of the safety and efficacy of intravaginal misoprostol and prostaglandin E2 to induce labor. Am J Obstet Gynecol 1997; 177: 1018–1023. 2. Krause E et al.: Off-label use of misoprostol for labor induction: a nation-wide survey in Switzerland. Eur J Obstet Gynecol 2011; 159: 324–328. 3. Wing DA et al.: Misoprostol vaginal insert and time to vaginal delivery: a randomized controlled trial. Obstet Gynecol 2013; 122: 201–209.
Quelle: Jahreskongress der SGGG, 25.–27. Juni 2015, Lugano * «Vorgehen bei Terminüberschreitung und Übertragung», 25.6.2015 * «Update Geburtseinleitung», 26.6.2015